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Nena – Dem Varieté entronnen



Eigentlich wollten wir Ihnen zur „Made In Germany“-Tournee und zu Nenas Konzert in der Festhalle am 21. April ein großes Nena-Feature in der Printausgabe des JOURNAL FRANKFURT und das komplette Interview als Bonus hier im Blog bieten. Anfang Februar bot Nenas Promotionfirma Interviews an – per mail, immerhin. Also dachten wir uns pfiffige Fragen aus, auch welche mit absolutem Frankfurt-Bezug und als der Redaktionsschluss immer näher kam und keine Antworten eingetroffen waren, hakten wir nach und wurden vertröstet. Nach Ostern und Schweigen im Walde von Seiten des für die Öffentlichkeitsarbeit von Nena zuständigen Büros mussten wir passen und so kam nun im aktuellen Journal Dominique A. mit seiner LePop 5-Tournee in den Genuss eines Portraits.

Wir haben dafür mal in unseren Archive gestöbert und einen fünf Jahre alten Artikel aufgestöbert. Da war Nena auf der Buchmesse und stellte ihre erste Biografie vor. Unser Musikredakteur Detlef Kinsler traf sie da und tauchte vorab in die Anfangszeiten der Neuen Deutschen Welle ab und förderte interessantes Material zu Tage, das wir Ihnen hier nicht vorenthalten wollen...


Frankfurt, Oktober 2005, Buchmesse, am Stand des Lübbe Verlags. Interviews im 10-Minuten-Takt. Nena hat ein Buch geschrieben. „Willst Du mit mir gehen“. Keine normale Biografie, wie sie betont. Auch keine lange geplante Veröffentlichung. Eher ein spontaner Entschluss. Es ist passiert. Wie so vieles in Nenas Leben. Weil sie Dinge geschehen lässt. Wie das Buch. Denn Nena hat doch noch den Computer für sich entdeckt. Ein (tragbares) „Äpfelchen“. Ein hilfreiches Utensil, Kreativität fördernd, wenn man sinnlich damit umgeht. Und gerne Geschichten erzählt. Wie Nena. Mit Co-Autorin Claudia Thesenfitz hat sie eher Anekdotisches, Dialogisches niedergeschrieben. In grell pink und orange gedruckt. Wenn man den ersten Schock für die Augen überwunden hat, ist man ganz nah dran, sitzt bei Familie Kerner gestern und heute dabei, fährt mit dem Simca mit nach Saas Fee zum Skilaufen früher oder findet sich wieder mitten im Tohuwabohu des Kindertreibens beim Urlaub auf Mallorca erst jüngst. „Aber die Achtziger habe ich ausgespart“, sagt Nena. Noch. Thema für ein weiteres Buch? Abwarten. Aber das wird interessant, weil man – wenn auch nur gelegentlich – dabei war.

Wie bei einem frühen Konzert der Nena Band am 14.12.1982 im Rollerland in Hanau. Da war „Nur geträumt“ mit dem legendären TV-Auftritt im „Musikladen“ schon passiert, Nena hoch in den Charts. Aber keiner, schon gar nicht bei der Frankfurter Plattenfirma, glaubte an die Livequalitäten Nenas und mehr als eine Eintagsfliege. Beim Interview im Frankfurter Odeon machte sie ihrem Ärger noch Luft: „Als wir mit PVC und den Insisters, zwei Punkband, im Berliner Quartier Latin spielten, habe ich genau gemerkt, wie die Leute in ihren Sesseln saßen und dachten: ,Na, mal sehen, was die Kleine jetzt so macht.´. Das fand ich echt beknackt – die Kleine....“. Erst nach der Levi’s Tour im Frühjahr ’83 sah das anders aus. Die Fanhysterie hatte längst eingesetzt. Mal auf einen Drink in ein Café setzen – keine Chance. Bei „Rock Pop In Concert“ in Dortmund musste nicht nur Nenas Schwester Nane, sondern auch ihr dank BRAVO zu Ruhm gekommener Hund Baby Autogramme geben. Ohne Scheiß.

„Heute ist das alles viel entspannter“, vermisst Nena die Hysterie von damals nicht. Weil sie die Popularität heute mehr genießen kann, obwohl auch der Rausch der frühen Achtziger seinen Reiz hatte, aber eben auch Kopfschmerzen verursachte. Die Vereinnahmung durch die Fans, die Konfrontation mit den Medien, der Verlust von Privatsphäre drohte Nenas ihre Unbekümmertheit zu rauben. Für Gitarrist Carlo war Nena der „lustbetonteste Mensch, den ich kenne“. Ihr selber war es „wichtig, Spaß zu haben und das Ganze zu genießen.“ Ihrer Ausgelassenheit und ihrem Optimismus begegneten viele mit Skepsis und Misstrauen. Aber mit Ihrer entwaffnenden Natürlichkeit punktete sie immer mehr. Erst kürzlich lief auf RTL ein Portrait in Wiederholung. Kein Künstlerkollege, der nicht von Nena schwärmte, Tenor: Alle waren damals in sie verliebt. Jetzt outeten sich sogar jene, die es früher aus intellektuellen Gründen nie getan hätten. Überrascht? „Genau. Die, die in den Konzerten immer ganz hinten standen, weil sie nicht erkannt werden wollten“, lacht Nena. „Ne, gewundert habe ich mich darüber nicht. Ich hab‘s einfach so wahrgenommen. Ich treff‘ immer mal Leute, die mir das dann auch gestehen, heute noch. Aber das ist doch auch schön.“

Die Liebe. Es konnte schon mal vorkommen, das morgens um Neun das Telefon klingelte und man sich total verpennt mit der Frage konfrontiert sah: „Sag‘ mal – Du bist doch älter und lebenserfahrener. Kann man in zwei Typen gleichzeitig verliebt sein?“. „Na klar geht das“, hörte man sich dann antworten ohne in diesem Moment zu ahnen, dass davon „Gib Gas...“-Markus profitieren könnte. Als ihr alles über den Kopf zu wachsen drohte, die Nerven längst blank lagen, war ein Kurzausflug nach Florida das Thema. „Lohnt es sich denn, für eine Woche da hin zu fliegen. Soll ich das denn machen?“ Auch hier ein „Na klar“. Wenig später kam ein Ansichtskärtchen. Mit dickem fetten Lackstift – gerade in Mode gekommen – geschrieben. Und mit einem aus Begeisterung über das tolle Klima kreierten Plural, den sie gleich wieder korrigierte, in dem sie das n in Sonnen ausxte. Außerdem gab’s als Dankeschön ein kleines Geschenk aus Amiland. Einen Coca-Cola-Aroma-Radiergummi. Als ich ihn kürzlich nach 22 Jahren beim Aufräumen fand, suggerierte der etwas angefressene Schriftzug noch den Brausegeruch.

Als im Juli ’98 meine Großmutter starb, entschloss ich mich spontan, zum Nena-Konzert beim Dieburger Schlossgartenfest zu fahren. Der Kontakt war nach dem Aus der Nena Band eingeschlafen. Obwohl ein Konzert 1993 davor in der Hugenottenhalle in Neu-Isenburg eher ein frustrierendes Erlebnis war. Da kam Nena alles andere als authentisch rüber. Wie in einer Revue schien sie sich selbst zu spielen, ihre Karriere Revue passieren zu lassen, Requisiten wie der rote Mini, den sie sich zu „Nur geträumt“, umschnallte inklusive. „Das war Varieté, eine ganz komische Zeit“, bestätigt Nena den Eindruck einer Desorientierungsphase. Dafür war in Dieburg die alte Energie wieder da. Mit einer rotzig agierenden Band punkig spielender New Yorker Rabauken. Mit typisch deutschen Studiomuckern hätte sicher alles richtig und perfekt, aber eben wie Pur geklungen. Das wäre der (endgültige) Tod von Nenas Hits gewesen. „Ja, genau. Das stimmt. Genau so hab ich das auch erlebt. Ich habe mal bei Udo (Lindenberg) im Konzert gesessen und da spielte Joan Jett im Vorprogramm. Die Musiker, die will ich. Da hab ich sie gefragt und sie wollten dann auch.“ In New York erarbeitete sie sich Schritt für Schritt wieder eine richtige Liveband.

So war sie gewappnet, als Deutschland schließlich noch mal die Neue Deutsche Welle zelebrierte, die alten Kollegen auf 20 Jahre NdW-Partys den verblassten Ruhm und die verwaisten Bankkonto aufbessern wollten. „Ich hatte auf keinen fall das Gefühl, dass das jetzt eine neue NdW-Zeit ist. Diesen Begriff habe ich ja damals schon nicht locker über die Lippen gekriegt. Das ist immer noch so was ganz komisches für mich“, nahm Nena für sich keinen Schwung aus diesem Revival mit. Auf Carlos Beerdigung traf sie ihren alten Keyboarder Uwe Fahrenkrog-Petersen wieder. Da wurde die Idee des „Nena featuring Nena“-Albums geboren. „Ich hatte dabei ganz sicher nicht im Hinterstübchen, dass jetzt die Achtziger wieder im kommen sind. Ich nehme das so nicht wahr, sondern nur über das Gefühl wahr. Ich hatte diese neue Version von den ,Luftballons´ – die war ja in einem Konzert entstanden, ganz plötzlich. Ich stand da mit einer Gitarre und hab das so gemacht mit dem Publikum. Und das war eigentlich der Start für das Ganze. Und ich fand das einfach schön, diesen Songs auch noch mal die Gelegenheit zu geben, sich neu auszudrücken.“ Songs, die längst von drei Generationen von Fans verinnerlicht wurden, und – im positivsten Sinne des Wortes – zu Volksliedern geworden sind. Das kann man weder von Lindenbergs, noch Westernhagens oder Grönemeyers Œuvre sagen. „Ich finde das gut“, bekennt Nena nicht ohne Stolz.

Im Gegensatz zu Robbie Williams begriff sie die Millionen verkaufter CDs als Chance. Nicht, den Ruhm und somit die Barschaft zu mehren, sondern sich die Freiheit zu nehmen, das neue Album ganz anders anzugehen, in lockeren Sessions in den Bergen im Norden von Mallorca aufzunehmen. „Ich muss gar nichts“, ist Nenas simples Credo, Erwartungshaltungen aus dem Weg zu gehen. „Ich bin nach Mallorca gegangen mit meinen Jungs, weil ich einfach mal Späßchen haben wollte und in Ruhe Musik machen wollte. Das war das einzige Motiv. Und dass das dann alles so daraus entstanden ist, das ist wunderschön. So werde ich das ab jetzt immer machen.“ Und sie wird damit weiter Erfolg haben. Weil ein Satz aus dem Interview von 1993 noch immer Gültigkeit zu haben scheint: „Ich kann immer nur so sein, wie ich bin, wie ich im Moment fühle.“

Und wie sieht sie all die jungen Bands, die im Moment Hochkonjunktur haben, und deren Sängerinnen sich alle gefallen lassen müssen, sich mit ihr vergleichen zu lassen, obwohl sie mit 45 mehr Energie rüberbringt als die Youngsters? „Ich sag‘ Dir, wer meine Lieblingsband ist. Klee mit Suzie als Sängerin. Die spür‘ ich und die gehen auch mit mir auf Tournee und darüber bin ich sehr froh. Seeed spüre ich auch. Die teile ich mir mit meinem kleinen Sohn Simeon, der ist absoluter Fan. Die Söhne Mannheims finde ich auch noch gut. Silbermond, Juli – die sind alle klasse, aber die spüre ich nicht so wie eine Band wie Klee.“ Detlef Kinsler

(erschienen im JOURNAL FRANKFURT 24/2005)
 
14. April 2010, 07.59 Uhr
Detlef Kinsler
 
 
Fotogalerie:
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