Die Rockoper von The Who, „Tommy“, sorgt in der Neuinszenierung von Ryan McBryde im English Theatre für Furore. Noch vor der Premiere hat der Ansturm auf die Karten begonnen, völlig zu recht, wie sich am Samstag zeigte.
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42 Jahre sind vergangen, seit dem die britische Rockgruppe The Who das Album Tommy auf den Markt brachte, 1975 wurde die musikalische Geschichte des jungen Tommy Walker verfilmt, unter anderem mit Tina Turner als Zigeunerin. Spätestens als das Musical, der Begriff Rockoper beschreibt es besser, 1995 seine Deutschlandpremiere im Offenbacher Capitol feierte und über ein Jahr lang dort lief, war klar, dass es sich bei „Tommy“ um einen Dauerbrenner handelt, der sich auch hierzulande immer noch einer großen Fangemeinde erfreut. So ist es auch nicht verwunderlich, dass die bloße Ankündigung des English Theatres. das Musical in sein Programm aufzunehmen, zu einem noch nicht da gewesenen Ansturm auf die Tickets führte, so dass bereits am Tag der Premiere, also am vergangen Samstag, klar war, dass Tommy ein Erfolg werden wird.
Zumal die Produktion so richtig gut und - das muss man ganz klar sagen - sehr aufwändig ist, was Licht- und Animationseffekte angeht. Erzählt wird die Geschichte eines jungen Mannes namens Tommy Walker, der sich während der Behandlung durch einen Arzt erinnern soll, wie es zu seinem seltsamen Trauma-Zustand gekommen ist. Als Tommy vier Jahre alt war, musste er mitansehen, wie sein Vater, ein lange vermisster Rückkehrer aus dem zweiten Weltkrieg, den Geliebten seiner Mutter erschoss. Die Eltern beschwören den Jungen, er habe nichts gesehen und nichts gehört und solle niemandem etwas von dem Erlebten erzählen. Alsbald ist das Kind stumm, blind und taub und verursacht bei den Eltern einen großen Kummer, denn keine Behandlung scheint dem Sohn zu helfen. Der wehrlose Tommy wird herumgereicht, als Versuchskaninchen missbraucht und von seinem Cousin und seinem Onkel gepiesakt. Nur am Flipperautmaten blüht der traumatisierte Junge auf. Er schart sogar eine Fangemeinde hinter sich, und auch der Blick in den Spiegel scheint ihm eine Hilfe zu sein. Als Tommy plötzlich wieder seine Sinne zurückerlangt, wird er zu einer Art Messias, doch das währt nicht lange...
Drei Personen verkörpern Tommy, Leo Miles spielt inbrünstig und sehr bühnenpräsent den erwachsenen Charaktär, während in jeder Aufführung zwei Kinder in die Rolle des jungen Tommy schlüpfen. Insgesamt 18 Kinderdarsteller wurden für das Musical verpflichtet, die im Wechsel den herumgereichten, traumatiserten Jungen - der zur Versinnbildlichung eine Maske trägt, die seine Gesichtszüge verdeckt - verkörpern. Das von Diego Pitarchs entworfene Bühnenbild zeigt ein Ruinenszenario des von Bomben getroffenen Londons und unterstützt die beklemmende Wirkung des Musicals, dass so ganz ohne Kitsch auskommt und von der gewaltigen Musik des genialen Pete Townshend lebt. Eine sechsköpfige Band untermalt die äußerst gelungene Darstellung der 14 Personen auf der Bühne. Erstaunlich ist, wie viele der Darsteller gleichzeitig mehrere Rollen ausfüllen und in jeder Szene erneut zu überzeugen wissen. "See me, feel me, touch me, heal me" - aber gerne doch.