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Kunst im Bau

"Die Gegenwart ist nicht gemütlich"

Bei der Ausstellung "20 Jahre Gegenwart" zeigt das MMK ab Sonntag unter anderem gut 1000 Werke auf dem Degussa-Areal. Im Oktober endet die Schau. Dabei möchte man sie schon jetzt nicht mehr hergeben.
Kulturdezernent Felix Semmelroth versucht den Wandel schönzureden. Er spricht von den Bewahrern, von den Konservativen also, von denen, die die Vergangenheit in Weckgläser stecken möchten, auf dass die Erinnerungen nie verblassen. Zeigt die Gegenwartskunst, dass der Wandel unabdingbar ist? Der CDU-Politiker meint ja. Und fügt hinzu: "Die Gegenwart ist nicht gemütlich."

Das ist natürlich eine Spitze auf die Frage, die nicht nur dem Kulturdezernenten bei der Vorbesichtung der Ausstellung "20 Jahre Gegenwart" im einstigen Gebäude der Degussa fast schon zu häufig gestellt wird. Könnte man nicht, sollte man nicht sogar dieses 50er-Jahre-Gebäude erhalten, sollte diese wunderbare Schau, dieses Zeitfenster in die 20-jähirge Geschichte des Museums für Moderne Kunst, nicht für immer und auf alle Zeiten erhalten bleiben?

Die Chance ist vertan. Wobei man dazusagen muss: ohne den Investor, die DIC, wäre es niemals so weit gekommen. Deren Chef, Ulrich Höller, sagt: "Als mich die Direktorin des MMK, Frau Dr. Gaensheimer anrief, und fragte, ob sie das Degussa-Areal nicht vielleicht für eine Ausstellung nutzen könne, und das natürlich kostenlos, war ich alles andere als begeistert." Schließlich soll die DIC aus dem Degussa-Gelände innerhalb der nächsten vier bis fünf Jahre das Maintor-Areal machen - Wohnungen, Geschäfte und vor allem Büros sollen entstehen. Also im kapitalistischen Sinne mit Gebäuden Geld gemacht werden. Nun aber, nach Monaten der Annäherungen, der Gespräche und Vorbereitungen, sagt Herr Holler: "Ich bin von dieser Ausstellung mittlerweile mehr als begeistert."

Vielleicht hat er auch erkannt, das ein Teil des Glanzes, den die MMK-Sammlung im zum Abriss freigegebenen Gebäude entfaltet, auch auf die DIC abstrahlen wird. Vielleicht ist ihm auch etwas mulmig bei dem Gedanken daran, dass die Frankfurter die "Trutzburg", wie Ulrich Höller das Gebäudekonvolut nennt, doch noch liebgewinnen könnten.

Vielleicht tragen Gebäude ja doch menschliche Züge, vielleicht zählen da nicht nur Äußerlichkeiten, sondern auch innere Werte. Die beginnen bei der Ausstellung "20 Jahre Gegenwart" schon gleich nach dem Eingang. Die Caféteria besteht aus Versatzstücken von Tobias Rehbergers Installation einer Kantine für die ebenfalls schon verblichenen Dresdner Bank. Da knallt das Orange, da glimmen Lampen auf, je nachdem in welchem Erdteil gerade die Sonne scheint. Für Gastronomie und gute Laune sorgen Ata Macias und Simon Horn, beide Virtuosen auf ihrem Gebiet. Horn mit den Restaurants Blumen und Seven Swan's, Macias mit Plank, Robert Johnson und Club Michel. Dazu eine 600 Quadratmeter große, ebenfalls knallorange Terrasse am Mainufer - wenn Susanne Gaensheimer vom Sommer-Hotspot spricht, man glaubt es ihr sofort.

Dann die Kunst. Rund 5000 Exponate befinden sich in der Sammlung des Museums, gut ein Fünftel kann nun auf einen Schlag gezeigt werden. Im MMK selbst natürlich und auch im gegenüberliegenden Zollamt, aber eben auch auf 4500 Quadratmetern im Degussa-Gelände. 50er-Jahre-Architektur, Wahnsinnstreppenhäuser, Beamtenflure, Holzvertäfelungen, hinter jeder Tür eine Überraschung.

Sowohl im Stammhaus in der Domstraße als auch in dem Gebäude am Maintor-Areal sind bedeutende Werke zu besichtigen, die schon seit einiger Zeit im Depot schlummerten, die zwar für wichtige Ausstellungen an New Yorker oder Londoner Museen entliehen wurden, hier in Frankfurt aber schon seit Jahren nicht mehr gezeigt werden konnten. Ein Beispiel ist die „Tischgesellschaft“ von Katarina Fritsch, selbst eine Dauerleihgabe, die in den 1990er-Jahren zu einem Markenzeichen des MMK wurde. Oder Werke von Elaine Sturtevant, die die Kunst ihrer ausschließlich männlichen Kollegen – Andy Warhol, Jasper Jones oder Frank Stella – radikal wiederholte, damit sie ihnen aufs Haar ähneln: Was können ihre Arbeiten uns heute noch über den Geniecharakter des Künstlers aussagen oder über Urheberschaft?

Oder der amerikanische Videokünstler Bill Viola, der Ende der 1990er-Jahre eine große Einzelschau in Frankfurt hatte, nun aber seit Längerem aus den Blickfeld der zeitgenössischen Kunst geraten ist: Wie wirken seine Videos heute, in Zeiten von HD und Internet? Was sagen sie über die inhaltliche und technische Weiterentwicklung elektronischer Medien in der Kunstrezeption aus? Manchmal scheint es also gut zu sein, wertvolle Dinge wegzupacken, um sie nach geraumer Zeit wieder hervorzuholen.
 
17. Juni 2011, 11.04 Uhr
Nils Bremer und Grit Weber
 
 
Fotogalerie: MMK wird 20
 
 
 
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