Fünf Streetartkünstler aus Frankfurts Partnerstadt Guangzhou gestalten seit Dienstagvormittag gemeinsam mit Justus Becker eine Wand in der Freiluftgalerie auf der innerstädtischen Seite der Friedensbrücke.
Nicole Brevoord /
Als wir die Künstler unter der Friedensbrücke besuchen, geht draußen die Welt unter. Doch der prasselnde Regen und das Unwetter lassen die fünf chinesischen Sprayer und den Frankfurter Justus Becker völlig unbeeindruckt, die Streetartists konzentrieren sich lieber auf ihr großflächiges Projekt. Insgesamt vier Wände auf der innenstädtischen Seite der Friedensbrücke bilden die sogenannte Freiluftgalerie. Die Stadt erlaubt hier Graffitikunst, allerdings an dieser Stelle nur in Absprache. Seit Dienstagmorgen entsteht an einer Wand ein Gemeinschaftswerk. In der Mitte prangt das farbenfrohe Gesicht einer asiatischen Schönheit. Das hat Justus Becker schon mal vorgelegt, dazu hat er ein kleines Bild als Vorlage benutzt. Links und rechts davon entstehen bis Mittwoch noch vier ganz andere Motive, übrigens ohne Vorlage, die am Ende miteinander verbunden werden sollen. Justus Becker schwärmt von dem Erfahrungsaustausch und von der gegenseitigen Inspiration. Neulich war er erst in der Frankfurter Partnerstadt Guangzhou und hat dort eine Straßenbahn „bemalen“ dürfen. Er spricht von Malen, auch wenn er genaugenommen sprayt. Jetzt seien im Austausch vier junge Männer und eine Frau aus China angereist, die meisten sind zwischen 20 und 25 Jahre alt, um mit ihrer Kunst Spuren in Frankfurt zu hinterlassen, wenn auch nur für drei bis vier Monate. Nur so lange bleibt das Kunstwerk erhalten. „Wir wollen eine Botschaft der Gastfreundschaft und Begegnung gestalten“, sagt Justus Becker.
Wer in Frankfurt legal sprayen wolle, könne das am Ratswegkreisel tun, da habe man freie Gestaltungsmöglichkeiten, oder nach Absprache mit der Naxoshalle oder dem Sprayerladen Canpire in der Schulstraße eben auch an der Friedensbrücke, bei der man eine höhere Qualität voraussetze und ein Konzept, die Sprayerfläche sei etwas mehr „elitär“, sagt Becker. Ansonsten werde für Graffitikünstler mittwochnachmittags auch freies Sprayen an der Naxoshalle angeboten.
„Für sie ist es ein großes Ding nach Europa fliegen zu dürfen und hier zu malen“, sagt Becker über seine chinesischen Kollegen. „Während wir hier mehr mit Buchstaben anfangen, haben sie diese Phase übersprungen und malen gleich ganz figürlich. Dafür gibt es ja auch mehr Anerkennung in der Bevölkerung“. CER etwa bewegt seine Spraydose nur ganz leicht, nimmt nur ein Stück Pappe zu Hilfe, um den Sprühnebel zu lenken und schon entstehen Bäume, beziehungsweise gleich ein Wald an der Wand. Wu San wird ein Baby mit Blume sprayen und Rexchl eine Comicszene mit Flugzeug.
Indes ist die Sprayerin SATR schon mit dem Kopf eines deutschen Schäferhundes weit gediehen. Mit entspannten Schwüngen hat sie per Spraydose dem Hund Kontur verliehen, es sieht so leicht aus und ist doch: Kunst.
Dickid nennt sich ein sehr lässig wirkender 36-jähriger Chinese mit Dreadlocks. Er hat den Künstleraustausch organisiert und sprayte am Dienstag selbst nicht. Normalerweise organisiert Dickid Hiphop-Events und managt einen Rapper. Er berichtet, dass die Graffitiszene in China nicht so groß sei, wie in Deutschland, aber sie sei dennoch rege. Man male eher stimmungsvolle Bilder, bringe Emotionen rüber, es gehe dabei weniger um Meinungsäußerung oder Systemkritik. Die meisten der chinesischen Künstler seien das erste Mal in Europa, es sei eine wunderbare Gelegenheit. Und nun entstehe sogar das erste chinesische Kunstwerk in Frankfurt. Dickid erhofft sich von der Städtepartnerschaft künftig einen weiteren Austausch der Frankfurter und Guangzhouer Künstler. Wie fruchtbar und farbenfroh eine solche Verbindung ist, kann man von Mittwochnachmittag an an der Friedensbrücke bestaunen.