Vor mir, mitten auf der Fressgass liegen fünf junge Frauen mit silbrigen Fischschwänzen und eisblau geschminkten Gesichtern, wie tot unter einem schwarzen Netz. Mit geschlossenen Augen und in der eisigen Kälte zitternden Gliedmaßen geben sie ein mitleiderregendes Bild ab. Leute bleiben stehen. Die armen jungen Dinger, warum machen die denn sowas? Der Mann vom Apfelweinstand nebenan bietet heiße Drinks an. Mitgefühl. Genau das ist die Reaktion, auf die die Organisatoren von der Tierrechtsorganisation PETA mit dieser Aktion setzen. Wenn nämlich die Passanten Mitleid mit den Mädchen haben, müssten sie es noch viel stärker all den Millionen von Fischen gegenüber empfinden, die tagtäglich in genau solchen Netzen qualvoll verenden. So lautet die Botschaft, die man den Menschen heute mit auf den Weg geben will. PETA macht oft mit solchen Aktionen auf sich aufmerksam. Die Message ist immer gleich: Kauft und konsumiert nichts, was mal ein Tier war, oder zu dessen Herstellung Tiere misshandelt wurden! Die Organisation ist umstritten. Vielen sind ihre Aktionen zu provokant. Da wird schon mal Frauen Farbe auf ihre Pelzmäntel geschüttet oder Scharen von Zombies und Skelette mit Plakaten „Lieber tot als bei Kentucky Fried Cruelty essen“ marschieren vor einem KFC-Restaurant auf und verschrecken die Gäste. Im Vergleich dazu ist die Aktion heute sehr unaufgeregt. Keine Farbe, kein Feuer, keine lauten Parolen. Außer den Frauen unter dem Netz sind noch drei weitere Aktivisten da, darunter der Ex-Boxchampion Wolfgang Penzler. Sie verteilen Flyer –zumindest versuchen sie es. Zwar bleiben viele Leute stehen und machen Fotos mit ihren Handykameras. Wirkliches Interesse am Sinn dieser Aktion zeigen aber wenige. Einige setzen pikierte Mienen auf und beschleunigen ihren Schritt um zu zeigen, wie unangebracht sie das hier finden. Man beobachtet das ja öfter. Sobald Menschen auf der Straße angesprochen werden, gibt es immer die, die misstrauisch einen Bogen um die Gruppe machen oder sich sogar über die Störung beschweren, selbst wenn es um „Ärzte ohne Grenzen“ geht. Alle denken eben, dass irgendjemand Geld von ihnen will. Außerdem haben viele keine Lust auf unbequeme Erkenntnisse. Zu recht: Wer einmal in ein PETA-Infoheft reingeschaut hat, wird wohl garantiert ein paar Tage kein Fleisch mehr essen können, ohne dabei die grausamen Bilder von gequälten und misshandelten Tieren vor dem inneren Auge zu sehen. Da ich selbst Vegetarierin bin und man auch Pelz in meinen Kleiderschrank vergeblich suchen würde, könnte ich sagen: Super, meine Weste ist weiß. Aber weit gefehlt. Auch bei der Produktion von Eiern und Milchprodukten werden die tierischen Produzenten gequält und zur Herstellung der meisten Kosmetikprodukte und Medikamente werden Tierversuche durchgeführt. Nix mit reinem Gewissen also! Das einzusehen ist natürlich nicht schön und auch sehr unpopulär. Tierschutz ist irgendwie out. Das wird auch deutlich durch die Zahl, die ich jüngst in einer großen Tageszeitung lesen musste: Jeder Deutsche isst durchschnittlich 1500 Tiere in seinem Leben. Wow!