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FAZ-Bürgergespräch zur "Lügenpresse"
Die Macht und Ohnmacht der Medien
Am Mittwochabend haben drei Journalisten und ein Medienwissenschaftler über die Kritik an den Medien gesprochen. Während sich die Podiumsteilnehmer gegen den Vorwurf "Lügenpresse" verteidigten, kam Kritik aus dem Publikum.
Wolfgang Donsbach begann mit einem Bekenntnis: "Ich komme aus dem Land der Lügenpresse - aus Sachsen." Der Kommunikationswissenschaftler und Professor an der TU Dresden spielte damit auf die Pegida-Bewegung an, die dort ihren Ursprung hat, und die sich "Lügenpresse" zu einem ihrer Kampfbegriffe gewählt hat, um gegen die "Systemmedien" zu wettern, die ihre Weltsicht nicht teilen - und deshalb, so die Unterstellung, die Wahrheit verdrehen, auslassen oder einfach nur Lügen im Dienste der Machthaber verbreiten.
Beim Bürgergespräch im Holzfoyer der Frankfurter Oper, veranstaltet von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ), diskutierten am Mittwochabend drei Journalisten diese Frage mit dem Medienwissenschaftler: FAZ-Mitherausgeber Werner D'Inka, Medienkritiker Stefan Niggemeier und ZDF-Chefredakteur Peter Frey. Letzterer kritisierte Donsbach dafür, den Begriff "Lügenpresse" benutzt zu haben: "Wir dürfen uns nicht ins Bockshorn jagen lassen", sagte Frey. Es handle sich um ein Nazi-Vokabular mit antisemitischen Untertönen. ("Lügenpresse" wurde unter anderem deshalb zum Unwort es Jahres 2014 gewählt.)
Donsbach referierte, es gebe mehrere Gründe für die Medienskepsis: Eine allgemeine Verdrossenheit gegen alles und jeden (wie Politiker, Unternehmer und Journalisten), die mangelnde Bereitschaft, sich zu informieren und dadurch eine Inkompetenz, Ereignisse zu beurteilen. Die gängigen Vorwürfe gegen die Medien lauten, sie seien zu mächtig, zu sensationalistisch, unethisch und korrupt. Dazu komme, dass besonders junge Menschen immer weniger Qualitätsmedien von anderen unterscheiden könnten. Andere wiederum fühlten sich nicht von den Medien repräsentiert, weil diese nicht die Wirklichkeit der Bürger abbildeten.
Werner D'Inka sagte, dass die Skepsis gegenüber den Medien schon immer da gewesen sei, aber jetzt, da jeder die Möglichkeit habe, eine Weltöffentlichkeit zu erreichen, die Kritik deutlicher wahrnehmbarer geworden sei. Auch Niggemeier machte den Medienwandel der vergangenen Jahre für die Medienkritik verantwortlich, da man sich über das Internet aus vielen Quellen informieren könne. Der Journalist wies auch auf die Verantwortung der Bild-Zeitung hin: Paradoxerweise distanziere sie sich von Pegida, obwohl sie der Bewegung selbst die Argumente für ihre Vorwürfe liefere.
Für das ZDF sah Frey in dem Vorwurf, der "Lügenpresse" anzugehören, offenbar kein Problem: "Uns bleiben die Zuschauer treu." Die Nachrichtensendung "heute" habe in den vergangenen Jahren an Zuschauern gewonnen und die öffentlich-rechtlichen Sender erlebten eine "Renaissance der Akzeptanz". Stefan Niggemeier kritisierte eine mangelnde Selbstkritik. Auf heute.de gebe es zwar eine Rubrik, in der Fehler korrigiert werden, sagte er, aber der letzte Eintrag sei bereits Wochen alt. Frey wandte ein, dass die Redaktion jedem Hinweis auf Fehler nachgehe.
Auch D'Inka behauptete das für die FAZ-Redaktion und buhlte um Verständnis für den enormen Zeitdruck, unter denen Nachrichten und Berichte entstehen. Während Journalisten von Tageszeitungen immerhin einen Tag für ihre Arbeit hätten, müssten die Kollegen elektronischer Medien "in Sekunden weitreichende Entscheidungen treffen". Wie in jedem Handwerk passierten auch im Journalismus "Patzer", die man auch anschließend korrigieren müsse. Viele Leser allerdings hätten allerdings den uneinlösbaren Anspruch, dass man in einer Zeitung die Welt erkläre.
Im Laufe der Diskussion wurde klar, dass die Welt ist nicht so einfach ist, dass sie in eine Zeitung passt. Das liegt auch an der Entideologisierung, die in den 90ern eingesetzt hat und sich nun darin bemerkbar macht, dass eine Linken-Politikerin wie Sahra Wagenknecht ganze Seiten in der einstmals als erzkonservativ geltenden FAZ bekommt. "Die Leser wollen die Kampfpresse nicht mehr", sagte D'Inka und belegte das damit, dass auch die dezidiert "linken" Zeitungen wie die "Junge Welt" keine signifikanten Auflagenzuwächse verzeichneten. Niggemeier wandte ein, dass man es sich damit zu bequem mache. Ein Großteil der Nachrichten sei nicht nur einseitig, sondern berichte auch oft dasselbe. Es entstehe der Eindruck: "So komplex wie die Welt ist, sind die Medien nicht." Zudem werde auch häufig berichtet, ohne etwas zu berichten zu haben - wie etwa als nach dem Germanwings-Absturz wild über die Ereignisse spekuliert wurde.
Die Stimmen aus dem Publikum fielen sehr medienkritisch aus - vor allem bezogen auf die öffentlich-rechtlichen Anstalten. Da war von "steuerfinanzierter Desinformation" die Rede, aber auch von Zwangsgebühren für ein langweiliges Programm. Die Nachrichten wurden als zu monoton kritisiert. "Muss es immer einen Wetterbericht und Lottozahlen geben?", fragte eine Frau. Frey rechtfertigte sich: Man versuche, die Nachrichten lebendiger zu machen, aber die Zuschauer erwarteten Rituale. Es sei eine schwierige Gratwanderung zwischen Tradition und Innovation. Frey: "Wenn wir das Wetter oder die Lottozahlen wegließen, würden wir mehr wütende Briefe bekommen, als wenn wir etwas falsch über die Ukraine berichten."
Beim Bürgergespräch im Holzfoyer der Frankfurter Oper, veranstaltet von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ), diskutierten am Mittwochabend drei Journalisten diese Frage mit dem Medienwissenschaftler: FAZ-Mitherausgeber Werner D'Inka, Medienkritiker Stefan Niggemeier und ZDF-Chefredakteur Peter Frey. Letzterer kritisierte Donsbach dafür, den Begriff "Lügenpresse" benutzt zu haben: "Wir dürfen uns nicht ins Bockshorn jagen lassen", sagte Frey. Es handle sich um ein Nazi-Vokabular mit antisemitischen Untertönen. ("Lügenpresse" wurde unter anderem deshalb zum Unwort es Jahres 2014 gewählt.)
Donsbach referierte, es gebe mehrere Gründe für die Medienskepsis: Eine allgemeine Verdrossenheit gegen alles und jeden (wie Politiker, Unternehmer und Journalisten), die mangelnde Bereitschaft, sich zu informieren und dadurch eine Inkompetenz, Ereignisse zu beurteilen. Die gängigen Vorwürfe gegen die Medien lauten, sie seien zu mächtig, zu sensationalistisch, unethisch und korrupt. Dazu komme, dass besonders junge Menschen immer weniger Qualitätsmedien von anderen unterscheiden könnten. Andere wiederum fühlten sich nicht von den Medien repräsentiert, weil diese nicht die Wirklichkeit der Bürger abbildeten.
Werner D'Inka sagte, dass die Skepsis gegenüber den Medien schon immer da gewesen sei, aber jetzt, da jeder die Möglichkeit habe, eine Weltöffentlichkeit zu erreichen, die Kritik deutlicher wahrnehmbarer geworden sei. Auch Niggemeier machte den Medienwandel der vergangenen Jahre für die Medienkritik verantwortlich, da man sich über das Internet aus vielen Quellen informieren könne. Der Journalist wies auch auf die Verantwortung der Bild-Zeitung hin: Paradoxerweise distanziere sie sich von Pegida, obwohl sie der Bewegung selbst die Argumente für ihre Vorwürfe liefere.
Für das ZDF sah Frey in dem Vorwurf, der "Lügenpresse" anzugehören, offenbar kein Problem: "Uns bleiben die Zuschauer treu." Die Nachrichtensendung "heute" habe in den vergangenen Jahren an Zuschauern gewonnen und die öffentlich-rechtlichen Sender erlebten eine "Renaissance der Akzeptanz". Stefan Niggemeier kritisierte eine mangelnde Selbstkritik. Auf heute.de gebe es zwar eine Rubrik, in der Fehler korrigiert werden, sagte er, aber der letzte Eintrag sei bereits Wochen alt. Frey wandte ein, dass die Redaktion jedem Hinweis auf Fehler nachgehe.
Auch D'Inka behauptete das für die FAZ-Redaktion und buhlte um Verständnis für den enormen Zeitdruck, unter denen Nachrichten und Berichte entstehen. Während Journalisten von Tageszeitungen immerhin einen Tag für ihre Arbeit hätten, müssten die Kollegen elektronischer Medien "in Sekunden weitreichende Entscheidungen treffen". Wie in jedem Handwerk passierten auch im Journalismus "Patzer", die man auch anschließend korrigieren müsse. Viele Leser allerdings hätten allerdings den uneinlösbaren Anspruch, dass man in einer Zeitung die Welt erkläre.
Im Laufe der Diskussion wurde klar, dass die Welt ist nicht so einfach ist, dass sie in eine Zeitung passt. Das liegt auch an der Entideologisierung, die in den 90ern eingesetzt hat und sich nun darin bemerkbar macht, dass eine Linken-Politikerin wie Sahra Wagenknecht ganze Seiten in der einstmals als erzkonservativ geltenden FAZ bekommt. "Die Leser wollen die Kampfpresse nicht mehr", sagte D'Inka und belegte das damit, dass auch die dezidiert "linken" Zeitungen wie die "Junge Welt" keine signifikanten Auflagenzuwächse verzeichneten. Niggemeier wandte ein, dass man es sich damit zu bequem mache. Ein Großteil der Nachrichten sei nicht nur einseitig, sondern berichte auch oft dasselbe. Es entstehe der Eindruck: "So komplex wie die Welt ist, sind die Medien nicht." Zudem werde auch häufig berichtet, ohne etwas zu berichten zu haben - wie etwa als nach dem Germanwings-Absturz wild über die Ereignisse spekuliert wurde.
Die Stimmen aus dem Publikum fielen sehr medienkritisch aus - vor allem bezogen auf die öffentlich-rechtlichen Anstalten. Da war von "steuerfinanzierter Desinformation" die Rede, aber auch von Zwangsgebühren für ein langweiliges Programm. Die Nachrichten wurden als zu monoton kritisiert. "Muss es immer einen Wetterbericht und Lottozahlen geben?", fragte eine Frau. Frey rechtfertigte sich: Man versuche, die Nachrichten lebendiger zu machen, aber die Zuschauer erwarteten Rituale. Es sei eine schwierige Gratwanderung zwischen Tradition und Innovation. Frey: "Wenn wir das Wetter oder die Lottozahlen wegließen, würden wir mehr wütende Briefe bekommen, als wenn wir etwas falsch über die Ukraine berichten."
7. Mai 2015, 11.29 Uhr
Lukas Gedziorowski
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