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Ein Besuch im Puff



Anlässlich der Buchpräsentation „Rotlicht im Kopf – Das Sudfass. Über das berühmteste Bordell der Welt und warum Männer in den Puff gehen“ von Peter Zingler hatte ich die Gelegenheit ein Blick hinter die Kulissen zu wagen. Gespannt war ich. Immerhin war es mein erster Besuch in solch einem Etablissement. Und weil auch meine männlichen Kollegen noch nie im Bordell waren und wissen wollten, wie es dort ist, nahm ich zwei von ihnen mit. So machten wir uns auf den Weg.



Im Sudfass angekommen, ging es hinab in einen holzvertäfelten Raum – der Barbereich. Stickige, schwüle Luft kam uns entgegen. Es war kaum ein Durchdringen – Journalist drängte sich an Journalist, Kamera drängte sich an Kamera. Plötzlich strömten alle in einen Nebenraum. Buchautor und Ex-Knacki Zingler positionierte sich mit seinem Buch vor einem Riesen-Penis – der legendäre Penis-Brunnen.

Zurück in der Bar berichtete Zingler vom Buch – beobachtet von all den nackten Frauen und Männern in verschiedenen Stellungen, die von zahlreichen Gemälden herablächeln.



„Mit dem Buch will ich dem Haus und seinem Gründer Dieter Engel ein Denkmal setzen“, so Zingler. „Vierzig Jahre Sudfass ist ein kulturgeschichtliches Ereignis.“ Engel eröffnete 1971 das Edelbordell, das fast vierzig Jahre lang als das berühmteste seiner Art in Deutschland galt. Die Prostitution sollte aus zugigen Straßenecken, geheimen Etablissements oder dunklen Absteigen in ein gehobenes Ambiente verlagert werden. Das nackte Leben einer Saunawelt mit der ebenso nackten Welt der Prostitution sollte verbunden werden. Revolutionär für die damalige Zeit war auch, dass sich die Freier und Frauen kennenlernen konnten, bevor sie in eines der Zimmer verschwanden. Bezahlt wurde erst beim Verlassen des Vergnügungstempels. Vor allem die Touristen, egal ob Australier oder Japaner, liebten das Bordell. Unter ihnen, so heißt, erzeugte es mehr Interesse als das Goethehaus. Und nun erzählt das Buch vom Aufstieg und Verblassen des Mythos – viele Geschichten aus dem Puff, von den Frauen, der Freier und des Gründers werden verraten. Und da ist so einiges passiert, 216 Seiten konnten gefüllt werden. Klar, denn 950 Frauen haben dort in den vergangenen vierzig Jahren gearbeitet. Eine von ihnen war Angelika, der Wunderfick. Sie sei eines Kunstgriffes mächtig gewesen und habe die Männer "schachmatt auf den Liegen" zurückgelassen. Das habe ihr 2000 Mark pro Nacht eingebracht – mehr als die anderen Damen verdienten. Heutzutage soll sie kurz vor der Rente im Schuldienst tätig sein – dies wird zumindest gemunkelt.

Auch viele Promis haben den Weg ins Sudfass gefunden. Die Namen werden allerdings auf Anraten des Rechtsberaters Torsten Schiller nicht verraten, nur Beschreibungen sind zu finden. Ein „Boxweltmeister“, ein „Bundesminister und Parteivorsitzender“, ein „erfolgreicher deutscher Fernsehmoderator, vielleicht der erfolgreichste überhaupt?“ und 28 deutsche Fußball-Nationalspieler, aber nie Franz Beckenbauer.
Doch lange wird es das legendäre Bordell wohl nicht mehr geben. Der Neubau der Europäischen Zentralbank auf dem benachbarten Gelände der Großmarkthalle steht vor der Tür. Über kurz oder lang, werde das Gebäude verkauft und abgerissen, prophezeite der Autor. In drei bis vier Jahren entstehe dort etwas Neues – eine Frankfurter Institution wird verschwinden.

Aber all dies war für uns eher nebensächlich. Immerhin haben wir bereits in unserer aktuellen Ausgabe des Journal Frankfurts über das Buch und seine Hintergründe berichtet. Viel spannender war für uns der Rundgang durch das Sudfass. Ein Blick hinter die Kulissen verrät so einiges mehr. So durften wir uns die verschieden eingerichteten Zimmer, in denen die Prostituierten ihre Dienste anbieten, anschauen – und wir waren schockiert. Unvorstellbar, dass sich dort Männer freiwillig beglücken lassen. Nichts gegen die Frauen, aber die Zimmer sahen wirklich schmuddelig aus. Seit Jahren wurde dort nichts mehr verändert – geschweige denn renoviert. Was auch die Telefone aus vergangenen Zeiten verrieten.



Schlagartig fühlt man sich in die siebziger Jahre zurückversetzt. Befleckte Teppichböden mit Fußpilzgefahr und verblichene Polstersofas dominieren das Bild. Außerdem roch es unangenehm nach abgestandener Luft, Sex und Desinfektionsmittel. Deshalb standen wohl auch in jedem Zimmer billige Raum-Erfrischer in Plastikbehältern rum.



Kitsch wohin man sieht. Wohlfühlcharakter gleich null. Sogar meine beiden männlichen Begleiter fühlten sich unwohl und wären am liebsten sofort geflohen. Unter einem Edelbordell haben wir uns etwas anderes vorgestellt.

Aber viel zu entdecken gab es trotzdem. Hier ein paar Eindrücke:

Das Zimmer à la Oma





Das Sado-Maso-Zimmer…



…und seine Accessoires









Der Frauenarzt-Stuhl



Das orientalische Zimmer



Der Saunabereich, den es heute selbstverständlich immer noch gibt und der auch wirklich, im Gegensatz zum restlichen Erscheinungsbild, sauber war – es gab sogar Desinfektionsmittel für die Füße.





Ist noch die Frage zu klären: Warum gehen Männer eigentlich in den Puff? Was uns nach dem Besuch unverständlich war. Antwort von der Sexualtherapeutin Monika Büchner, die an dem Buch mitgeschrieben hat: „Die Gründe dafür sind vielfältig und individuell höchst verschieden. Für den einen geht es um die Befriedigung seiner sexuellen Impulse, dem unkomplizierten erotischen Kick, welchen er sich gönnt wie die Frau ein Wellness-Programm. Für den einsamen Mann geht es um die Erfüllung emotionaler Bedürfnisse wie Nähe, Anerkennung, Freude, Wohlbefinden oder Entspannung. Manchmal jedoch geht es auch darum, die Bestätigung zu erhalten, dass man männlich ist, potent und stets willkommen – auch wenn man ein paar Euro dafür bezahlt. Denn leicht ist es für die Männerwelt heutzutage nicht, wo Frauen die Bohrmaschine selbst bedienen. Männer geben in festen Beziehungen ihre sexuellen Wünsche selten preis, da sie die Ablehnung und die womöglich anschließende Verachtung fürchten.“ Deshalb gehen sie ins Bordell.

Fazit: Es war eine Erfahrung wert, aber so schnell werden wir wohl keinen Fuß mehr in einen Puff setzen...
 
17. April 2010, 10.00 Uhr
Julia Lorenz
 
 
Fotogalerie:
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