Das Konzert am 12. Mai in der Festhalle ist fast restlos ausverkauft. Trotzdem kamen die Scorpions zu einer Pressekonferenz nach Frankfurt. In die „Gudd Stubb“ wie Sänger Klaus Meine und Gitarrist Rudolf Schenker ganz unamerikanisch und wohl wissend, wo sie sich hier befinden, freudig bemerkten. Denn die Zwei mögen die Festhalle, „eines der schönsten Venues“, in dem sie je gespielt haben. Die 1965 als Schülerband aus Sarstedt ist auf Abschiedstournee. Weil ihr sechster Mann, ein Hesse, ihnen das suggeriert hat. Peter F. Amend, Rechtsanwalt und Manager aus Gießen hatte die Idee und seine Schützlinge ziehen es jetzt durch – zwei Jahre lang und einmal um die Welt.
Ein bisschen – sorry – blasiert wirken sie immer in ihrer Wortwahl und ihrem Ausdruck (ich erinnere mich da vor allem an Rudolf Schenker, als vor nicht all zu langer Zeit bei Stefan Raab sein „Lebe Deinen Traum“-Buch „Rock Your Life“, auch ein wenig ein Hilfe-zur-Selbsthilfe-Beitrag neben einer Autobiografie beinah dozierend vorstellte – das wirkte ein wenig wie gelernt in einer Manager-Schulung). Ist das echter Stolz wenn sie von ihren – zugegeben erstaunlichen und auch hart erarbeiteten (hats off, ernsthaft und ehrlich...) – Erfolgen rund um den Globus mit ausverkauften Hallen- und Stadionkonzerten von Moskau bis Manaus erzählen. Meine ist in Plauderlaune, Gitarrist Matthias Jabs, auch schon seit 1978 (mit kurzer Unterbrechung) dabei, assistiert ihm. Rudolf Schenker wirkt noch abwesend, schaut sich um, sondiert das Terrain, taxiert seine Gegenübers, kommt erst langsam aus der Reserve, wie aus einer Abwehrhaltung heraus.
40 Jahre Rock’n’Roll, eine mit allen Wassern gewaschene, erfolgreiche Mannschaft – da erwartet man Souveränität, Spaß, Lockerheit. Aber mit Fortdauer der Plauderrunde, bei der man u.a. erfährt, dass das Tragen von schwarzem Leder – auf der Bühne wie privat – halt praktisch ist, wenn man zum Beispiel im Flieger mal kleckert („Abwischen, fertig“, so Jabs – Forensiker hätten ihre wahre Freude an den Klamotten), man bei der letzten Tour endlich auch mal in Australien spielen will, ganz sicher keine Lust verspürt, den Lebensabend (Meine und Schenker sind im Rentenalter, wenn die Tour vorüber ist) auf dem Golfplatz zu verbringen, kommen immer mehr Kränkungen zu Tage. Es wirkt ein bisschen wie „in der 5. Klasse wollte eine Mitschülerin nicht mit mir gehen – das trage ich ihr immer noch nach...“... In Deutschland, so hat es den Anschein, fühlen sich die Musiker, die von den Kollegen bis hin zu ACDC geschätzt werden (ein Trailerfilm vor der Fragerunde verdeutlichte das), nicht wirklich anerkannt. Der Stachel (das neue, gerade erschienene Album heißt übrigens „Sting In The Tail“ was immer uns das sagen will) sitzt tief.
„Man schreibt ja immer noch über uns, dass unsere englischen Texte falsch und grausam sind – dabei sind viele der letzten von amerikanischen Songschreibern verfasst worden – die werden ja wohl Englisch können“, kommt da in beleidigten Ton ein Vorwurf über die Tonanlage. Da nutzt es auch nicht, wenn Bassist und Drummer unisono betonen, nicht zu wissen, wie sie ihren Job „bei der besten Rockband“ der Welt noch toppen sollen, wenn nach dem letzten Gig mit den Scorpions neue Arbeitgeber gesucht werden müssen. Doch, ein wenig schmunzelt es dann doch, das Triumvirat in der Mitte des Tisches. Fast bekomme ich ein schlechtes Gewissen bei dem Gedanken, die Musikern könnten meine Gedanken lesen. 1975(!) hatte ich sie einmal wirklich freiwillig sehen wollen – ein Versuch, um das da schon existierende Phänomen Scorpions zu ergründen – und fuhr deshalb in die tiefste Wetterau in die Discothek Heaven, um die Scorpions live zu sehen. Ich beschloss danach, genau gesehen zu haben, aber das Schicksal meinte es nicht gut mit mir in diesem Festivalsommer. Denn wo immer wir (die Musiker der Band, in der ich sang...) mit zwei klapprigen Käfern auch hinfuhren, selbst bis nach Rottweil am Neckar – die Gruppe, auf die ich mich freute, ob Caravan oder die Kinks, fiel aus. Ersatz waren jedes Mal die Scorpions. Kein Wunder, dass ich mich verfolgt fühlte und eine regelrechte Scorpions-Paranoia aufbaute, die nachhaltig wirkte.
Irgendwann fotografierte ich die Fünf noch mal vor einem Abflug hinaus in die weite Welt am Flughafen Rhein-Main. Das war die Deutschland-Repräsentanz ihres US-Managements in Mühlheim-Lämmerspiel. Irgendwann diskutierten wir mal den immensen Erfolg der Jungs aus der Hochburg des Hochdeutschen, gerade auch in den USA. Ich vertrat die da gar nicht gern gehörte These, das müsse auch mit an ihrer Exotik liegen, kein sauberes th (höre „Se Wind Of Change“) sprechen/singen zu können... Auch das ging mir durch den Kopf, all die Frage und Antwortrunde fast den Charakter einer Rechtfertigung seitens der Musiker bekam. Wie gesagt – wie gut, dass sie meine Gedanken nicht lesen konnten. Ich Ignorant hätte sie nicht in ihrer verfestigten Wahrnehmung bestätigt. Ach ja – bevor ich´s vergesse. Wir sollten noch darauf hinweisen: wer kein Ticket mehr für Frankfurt ergattern konnte – am 12.11. gibt es eines von drei Zusatzkonzerten in Deutschland.