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Der Mann mit dem Porsche

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Der Raum ist nicht ganz so gut gefüllt, wie Bodo Kirchhoff das gewöhnt ist. Außerdem ist es nicht seine Zeit, das betont er immer wieder: Zwei Uhr nachmittags, da hat er normalerweise seine Mittagspause zwischen dem morgendlichen Schreiben und Lesungen zu späterer Stunde.
Und so begrüßt Bodo Kirchhoff sein Publikum auch erstmal mit „Guten Abend“.
Die Zuhörer, zum allergrößten Teil sind es Zuhörerinnen, nehmen ihm den kleinen Patzer nicht übel.
Unter 20 ist hier kaum einer. Das mag für eine Veranstaltung mit Kirchhoff nicht ungewöhnlich sein, für eine, die in einer Schule stattfindet hingegen schon. In der Schillerschule in Sachsenhausen nämlich, die einen Tag lang ganz im Zeichen des berühmten Namensgebers steht.

Büste nah 500
Die ganze Schule hat sich am Morgen in einem bunten Festzug aufgemacht, ihre nachgebaute Schillerbüste aus Gips auf der Hauptwache zu platzieren. Damit zollen sie dem Dichter anlässlich seines 250. Geburtstages am 10. November Respekt. Außerdem wollen sie darauf aufmerksam machen, dass sein vielleicht noch einen Tick berühmterer Zeitgenosse Goethe mittlerweile seinen ganz eigenen Platz hat, während der arme Schiller immer noch an der unprominenten Taunusanlage sein Dasein fristen muss.
Wie dem auch sei, alle Schüler sind wieder zurück im Gymnasium, wo sie hingehören und von einem Vortrag mit Bodo Kirchhoff und Stefanie Zweig, der im Rahmen dieses Schillertages hier irgendwo stattfinden soll, weiß kaum einer. „Da ist, glaub ich, irgendwo ein Schild, wo sowas draufsteht“, sagt ein Junge.
Glücklicherweise werden wir unterwegs in den Gängen von Dieter Wittbrodt aufgegabelt. Der Mann ist zuständig für die Öffentlichkeitsarbeit der Schule und somit auch für die ganze Veranstaltung hier. Er bringt uns in ein Klassenzimmer im obersten Stockwerk, von dem man bei besserem Wetter einen herrlichen Blick über die Skyline hat.
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Das erinnert den Herrn Kirchhoff an sein Arbeitszimmer in einem Hochhaus am Main, wo die Aussicht ganz ähnlich ist. Er soll jetzt also hier für alle Interessierten vom Schreiben im Allgemeinen und von den Seminaren, die er mit seiner Frau in ihrem Domizil am Gardasee anbietet, im Besonderen erzählen.
Man (Ich bin)ist mit gemischten Erwartungen gekommen. Anhand seiner Romane hatte ich ihn mir als maßlosen Egomanen vorgestellt. Besonders irritieren mich diese komischen „Erinnerungen an meinen Porsche“, die ich nie gelesen habe, weil mir die Zitate in der JOURNAL-Titelstory vom Anfang diesen Jahres mehr als gereicht haben. Kleine Kostprobe gefällig? „Es gab kein Entrinnen, ich war Selmas Gefangener, als sie meinen Porsche nur mit den Fingernägeln, ihren ovalen, gepflegten, auf einmal ganz nach oben brachte.“ Ich glaubte, noch nie eine unglücklichere Metapher vorgesetzt bekommen zu haben.
Wie dem auch sei, Herr Kirchhoff erzählt also vom Schreiben und wird mir sofort symphatischer. Er hat, wie er sagt, nie etwas anderes gemacht und auch nicht gewollt. Dabei sei weniger ausschlaggebend gewesen, das Gefühl ein guter Schriftsteller zu sein, als vielmehr „nichts anderes zu können“. Das mag Koketterie sein, aber trotzdem muss jemand, der sein Leben komplett dem Schreiben widmet, doch einer von den Guten sein, oder?
Er philosophiert über das Schreiben heute, das “nicht mehr das ist, was es zu Schillers Zeiten war.“ Er sagt, mit Literatur könne heute keiner mehr die Welt verändern. Man müsse sich klarmachen, dass man hauptsächlich für sich selbst schreibt, „selbst ich muss das, auch wenn ich ein großer Autor bin.“ Da blitzt er doch hervor der Porschefahrer. Apropos teure Autos. Kirchhoff erwähnt natürlich auch die finanziellen Schwierigkeiten in seinem Metier. Man habe eben nicht „jeden Monat einen Vorausscheck im Briefkasten.“ Das wirft durchaus die Frage auf, wie er das macht. Im Laufe des Vortrags erwähnt er sein Arbeitszimmer am Main, mit Blick auf die Skyline, das Domizil am Gardasee und ein eigenes Boot auf demselben. Eine Menge Holz für jemanden, der schon mal acht Jahre lang an einem Roman schreibt und „sonst nichts kann.“
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Dann erzählt er von den Schreibseminaren in Italien, beschreibt ausführlich, wie man dort mit den Teilnehmern zusammen esse, trinke, diskutiere. Wie er jedem Text seine ganz persönliche und konstruktive Kritik angedeihen lasse und sich auch traue mal zu sagen „Das ist Scheiße!“. „Aber Herr Kirchhoff, wie können Sie, wenn Sie den Text von jemand anderem kritisieren, sicher sein, ob Sie recht haben?“ fragt einer der wenigen Männer im Raum. Das mache die jahrelange Schreiberfahrung, antwortet der und „außerdem bin ich auch keiner, der sich übertrieben zurückhält.“ Welche Überraschung…
Ach so, Frau Zweig war übrigens krank.
 
1. November 2009, 07.29 Uhr
Alicia Lindhoff
 
 
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