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Der Letzte macht das Licht aus

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Vor dreieinhalb Jahren war ich das erste Mal im sechsten Stock der Zeil im Redaktionsbüro der Welt und der Welt Kompakt. Zum Vorstellungsgespräch. Obwohl ich das gar nicht so wusste, dass es ein Vorstellungsgespräch war, weshalb ich noch meine lockeren Uni-Klamotten anhatte und sowieso recht unvorbereitet den Aufzug bestiegen hatte, der mich nach oben, in die heiligen Hallen, bugsieren sollte. Wie auch immer: ich ahnte nicht, dass eine schöne Zeit vor mir liegen sollte. Mit ziemlich viel Autonomie, was selten ist im Mediengeschäft. Und ziemlich viel Spaß, was nicht so selten ist, jedenfalls nach dem, was ich bislang darüber sagen kann. Die Welt Kompakt, frisches Gewächs im Axel-Springer-Konzern, ward noch nicht lang geboren, da wurden ich und Jan in ihre Dienste gestellt, auf dass wir die beiden Lokalseiten über Frankfurt bereicherten. Dabei war auch noch Philipp, damals Volontär. Und Herr Scherer, Peter, der einst 3Sat mit aufgebaut hatte, der den Friedman-Skandal mitaufdeckte, kurzum ein verdienter Welt-Redakteur, der nun die kleine Welt, die kompakte, die tabloide mit aufbauen sollte. Das alles ist lange her, ich habe beim Journal Frankfurt volontiert und bin nun Redakteur. Philipp ist längst auch übernommen, und Jan macht seinen Doktor an der Columbia in New York und Peter Scherer ist im Ruhestand. Nun aber hat sich der Axel-Springer-Verlag entschieden, am 31. Dezember 2007 die letzte Regionalausgabe der Welt Kompakt Frankfurt erscheinen zu lassen, auf dass künftig nur noch Bundesausgaben erscheinen, weil das wahrscheinlich viel günstiger ist, und sowieso niemand den Lokalteil gelesen hat, was ich allerdings bezweifle. Und aus eben diesem Grund galt es Abschied zu feiern. Davon möchte ich erzählen.

Philipp wird nach Berlin gehen, das ist schon klar. Zum Feuilleton. Und Jan war nur aushilfsweise da, um die Redakteurin zu vertreten, deren Vertrag nicht mehr verlängert wurde, und die ihren Urlaub über den letzten Tag hinausgelegt hatte, so dass sie nur kurz vorbeischaute. Schade eigentlich. Jan und Philipp hatten eigentlich also schon alles erledigt, als ich um kurz nach Sieben das Redaktionsgebäude betrat und die Ehre hatte, am letzten, allerletzten Artikel dieser Welt-Kompakt-Lokalausgabe Anteil haben zu dürfen, bevor der letzte das Licht ausmachen würde, sechs Stockwerke über der Zeil.

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Philipp, Redaktionspraktikantin Alice (mit Freundin) und Jan


Wir haben in den ersten Monaten viel zusammen gelacht. Über Überschriften, die meist eindeutig-zweideutig waren, über Texte, die das Lokale feuilletonistisch begriffen, weniger bierernst als die doch manchmal noch reaktionär und ernst daherkommende FAZ, die lakonische und dennoch spießige Rundschau, die karnevaleske, boulevardische Frankfurter Neue Presse, von der Bild Frankfurt gar nicht zu reden. Wir hatten unseren Freiraum, wir konnten Themen setzen und Überschriften dichten, die sich die anderen nicht trauten oder gar nicht erdachten. Wir waren größenwahnsinnig, ein bisschen zumindest, und es war gut so.

Warum nun der Lokalteil mit der heutigen Ausgabe, der Silvesterausgabe, der letzten im Jahr (welcher Zynismus!) eingestellt wird, das können wir nur vermuten. Finanziell ist es bestimmt ein Gewinn gewesen. Aber verlegerisch?

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In dieser Ausgabe vom 31. Dezember gibt es ein paar Zwischentöne, die sich nicht verkneifen lassen, wenn der Verlag ein Projekt (, denn mehr war diese Lokalausgabe der Welt Kompakt nie), sang- und klanglos verenden lässt. Die Leser werden sich wohl wundern, wenn sie am 2. Januar keinen Lokalteil mehr vorfinden. Oder auch nicht. Bei der gewohnt gut informierten Associated Press wusste man schon Bescheid und überraschte den Springer-Vertrieb mit einer Salve von Abo-Kündigungen.

Wir haben jedenfalls noch eine Ausgabe gemacht und es hat Spaß gemacht wie immer. Die Überschriften sind bestimmt lustiger und lyrischer als die der Rundschau und die der FAZ und die der FNP. Eine Auswahl: "Beinbruch bei Einbruch", "Zeder, die auf Wohnhaus fällt" oder auch über den Artikel zum Rauchverbot mit leicht selbstbezogenem Unterton: "Man geht, wenn man gegessen hat."

Wir jedenfalls gingen erstmal zum Italiener essen, mit Jans Familie, denn dieser hatte auch noch Geburtstag an dem Tag, an dem Axel Springer beschloß, die letzte Lokalausgabe der Welt Kompakt produzieren zu lassen. Es war eine gute Zeit, jetzt und damals vor drei Jahren am Ende des Novembers, als ich mich entschloss beim Journal anzuheuern und die pauschal-bezahlte Zeit bei der Welt hinter mir zu lassen. Philipp machte das Licht aus, wir gingen zum Italiener. Und dann gingen wir ins Café Größenwahn. Welch besseren Ort gäbe es auf der Welt, der geeigneter wäre, unseren Welt-Schmerz zu lindern und die eigenen Taten größer erscheinen zu lassen.

Was für Taten das waren, lässt sich heute nachlesen. In der Welt Kompakt. Also kauft sie schön und lest zwischen den Zeilen und denkt Euch Euren Teil. Und dann kauft sie nicht wieder, auf dass der Springer-Verlag merkt, welchen Verlust er angerichtet hat und warum er Frankfurt nicht allein mit diesen vier anderen Lokalblättern lassen darf.
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31. Dezember 2008, 02.34 Uhr
Nils Bremer
 
 
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