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Corona-Krise in der Kulturszene

„Wir sind der festen Überzeugung, dass wir einen Bildungsauftrag haben“

Bis mindestens Ende November müssen Theater, Opern, Museen und Konzertsäle geschlossen bleiben. Die Bundesregierung hatte sie als „Freizeiteinrichtung“ gelistet. Dagegen wehren sich nun Vertreter:innen aus der Frankfurter Kulturszene.
Bereits im Frühjahr waren sämtliche Kultureinrichtungen geschlossen. Nach einem kurzen Aufatmen kam dann Ende Oktober die Entscheidung über eine erneute Schließung. Voraussichtlich bis Ende November sind Theater, Opern, Museen und Konzertsäle noch geschlossen. Sicher ist diese Frist aber nicht, auch eine Verlängerung ist denkbar. Und wie bereits während des ersten „Lockdowns“ leidet die Kulturlandschaft immens – allen voran die freie Szene. Am Freitagvormittag sprachen Kulturdezernentin Ina Hartwig (SPD), Markus Fein, Intendant und Geschäftsführer der Alten Oper, Jan Gerchow, Direktor des Historischen Museums, Sarah Kortmann, Regisseurin, Schauspielerin und Vorstandsmitglied des Vereins Paradiesvogel sowie Bernd Loebe, Intendant der Oper, über die aktuelle Situation.

Die Enttäuschung über den Lockdown in der Szene sei verständlich, sagte Hartwig. Nach den langen Monaten der Stille sei die Kultur gerade erst wieder angelaufen; die Hygienemaßnahmen seien sehr gut und hätten sich bewährt: Denn, so betonen es alle Beteiligten dieser Diskussion am Freitag, ist deutschlandweit kein Infektionsgeschehen aus dem Kulturbereich bekannt. „Wir glauben, dass wir zu den sichersten öffentlichen Orten Deutschlands gehören“, so der Direktor des Historischen Museums Jan Gerchow. Anders als beispielsweise in den öffentlichen Verkehrsmitteln oder Kirchen, werde „in aller Regel“ nichts angefasst und es werde nicht gesungen oder getrunken; zudem könnten sich die Besucher:innen in Museen besser verteilen. Auch die Zuschauerinnen und Zuschauer hätten sich offensichtlich nicht unsicher gefühlt, sagt Opern-Intendant Bernd Loebe; die Vorstellungen im September und Oktober seien immer ausverkauft gewesen.

Es gebe aber durchaus auch gute Gründe, die für diese Maßnahmen sprechen, da sie dazu beitragen könnten, das gesamte gesellschaftliche Leben einzudämmen, erklärte Markus Fein. Auch Hartwig betonte noch einmal, dass das Infektionsgeschehen in Deutschland ernst zu nehmen sei und die Maßnahme selbstverständlich mitzutragen sei. Dennoch: „Wir müssen Wege finden, Kultur auch in Corona-Zeiten zu ermöglichen“, so Hartwig.

Besonders viel Kritik äußerten die Kulturschaffenden daran, dass ihre Einrichtungen vom Bund als Freizeiteinrichtungen eingeordnet wurden. Sie fühlten sich dadurch nicht akzeptiert und repräsentiert. Gerchow nannte es eine „krasse Missachtung“, dass Museen im Bund-Länder-Beschluss nicht erwähnt wurden – nicht, weil sie nicht betroffen sind, sondern weil sie vergessen wurden. Museen seien kein „nice to have“, betonte der HMF-Direktor. Kultureinrichtungen dürften nicht auf den Freizeitbegriff reduziert werden, erklärte Hartwig. „Sie erfüllen auch einen Bildungsauftrag wie beispielsweise Schulen. „Warum Volkshochschule oder Bibliothek öffnen dürfen und Museen nicht, wird nicht begründet – und es ist auch nicht begründbar“, so Gerchow.

Auch Sarah Kortmann, die die freie Szene vertrat, kann die Einordnung als Freizeiteinrichtung nicht nachvollziehen: „Wir sind der festen Überzeugung, dass wir einen Bildungsauftrag haben.“ Der erneute Lockdown habe in der freien Theaterszene eine große Unsicherheit ausgelöst. Die finanziellen Unterstützungen vom Staat im Frühjahr hätten vor allem in der freien Szene nicht richtig gegriffen. Dazu komme, dass November und Dezember „hochfrequentierte Monate“ seien. „Die Frage ist auch, wie es in den kommenden Monaten weitergeht. Die Stücke, die wir weiterhin proben und produzieren, müssen auch irgendwann und irgendwo aufgeführt werden. Das sind wichtige Fragen für uns.“ Vor allem organisatorisch sei dies eine Herausforderung, erklärte Markus Fein. „Wir planen gleichzeitig, dass wir im Dezember auftreten können und damit, dass der Lockdown verlängert wird.“

Die Pandemie, so Kortmann, verändere einiges in der Theaterszene. Es werde viel Stoff zum Verarbeiten geben. Auch ästhetisch sei dies eine Herausforderung; der Blick der Zuschauer:innen werde sich noch einmal ändern: „Eine Berührung die vorher auf der Bühne nur eine Berührung war, ist nun viel mehr.“

Schaden in Millionenhöhe

Auch die finanziellen Ausfälle sind enorm, trotz Hilfe vom Bund. 75 Prozent der Einnahmeausfälle im November werden vom Bund ersetzt. Für die Museen rechnet Hartwig mit einem Ausfall von einer Million Euro, bei dem Zoo mit zwei Millionen Euro. Auch für die Alte Oper schätzt Intendant Markus Fein den Schaden bereits in Millionenhöhe.

Der von Kulturdezernentin Ina Hartwig (SPD) im März initiierte Notfallfonds soll auch während des zweiten „Lockdowns“ die Arbeit von Kulturschaffenden und Vereinen finanziell unterstützen. Wie die Stadt am Mittwoch bekannt gab, konnte der Fonds um 60 000 Euro aufgestockt werden. Laut Hartwig sind bereits rund 220 000 Euro an 150 Antragsstellende und ihre Projekte ausgezahlt worden, weitere 150 000 Euro stünden in diesem Jahr noch zur Verfügung.

Ein Gutes hat die Pandemie dann nach den Worten von Bernd Loebe doch: „Selten waren wir in der Kultur so eine große Familie wie in dieser Krisenzeit.“
 
6. November 2020, 14.01 Uhr
Elena Zompi
 
 
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