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Foto: Jüdisches Museum Frankfurt
Foto: Jüdisches Museum Frankfurt

Corona: Jüdisches Museum

Mirjam Wenzel: „Die Gesellschaft von morgen wird eine andere sein“

Das Jüdische Museum in Frankfurt hat aufgrund der Corona-Pandemie sein digitales Angebot ausgeweitet. Direktorin Mirjam Wenzel erklärt im Gespräch, welche Folgen das Coronavirus für die Kulturbranche hat und welche Möglichkeiten sie in der Krise sieht.
JOURNAL FRANKFURT: Frau Wenzel, das Jüdische Museum ist seit rund vier Wochen geschlossen. Wie haben Sie auf die Schließung reagiert?
Mirjam Wenzel: Das digitale Museum liegt mir sehr am Herzen und wir haben umgehend gehandelt, unser digitales Angebot umgestellt und neue Reihen mit thematischen Beiträgen begonnen. Zunächst ging es mit Blick auf die Corona-Krise um Hygiene und Reinheit in der jüdischen Tradition, nun geht es weiter mit dem jüdischen Umgang mit Katastrophen und Krankheiten. Wir veröffentlichen die einzelnen Beiträge zunächst bei Facebook, danach erscheint ein zusammenhängender Text auf unserem Blog. Darüber hinaus haben wir einen Schattentheater-Wettbewerb gestartet, der noch bis Ende des Monats läuft. Hier können Familien mit ihren Kindern kreativ werden und ein eigenes Handyvideo einreichen. Aus aktuellem Anlass haben wir auch einzelne Objekte unserer Sammlung, wie etwa die bedeutende Pessach-Haggada aus dem Jahr 1786, digitalisiert und online zugänglich gemacht.

In dem neusten Projekt werden Sie selbst aktiv.
Genau, unser neustes Projekt ist „Tachles – Videocast zur Krise“. Dabei spreche ich vier bis fünf Minuten lang mit einem Experten oder einer Expertin über die Auswirkungen der Coroona-Pandemie. Es geht um ethische und kulturelle Fragen sowie um sozialwissenschaftliche und politische Perspektiven auf die Gegenwart. Aber auch darum, was diese mit der Psyche insbesondere von Menschen macht, die ohnehin labil sind. Darüber habe ich mit Nargess Eskandari-Grünberg gesprochen. Heute erscheint mein Gespräch mit Michel Friedman über Europa in der Krise auf unserem Youtube Kanal.

Wirkt sich die Krise auch auf die Neueröffnung des Jüdischen Museums aus?
Auf der Baustelle wurde in den vergangenen Wochen unheimlich viel und intensiv gearbeitet. Was die bauliche Seite angeht, bin ich daher sehr zuversichtlich. Wie sich die Schließung der Grenzen auf die Finalisierung unserer Ausstellungen auswirkt, ist im Moment noch nicht abzusehen, denn wir operieren international und die Objekte für unsere Sammlung kommen aus vielen Ländern. Nichtsdestotrotz denke ich, dass wir das Haus wie geplant im Herbst aufmachen können. Im Mai beginnen wir schon einmal mit „Zukunftsmusik“, einer Video-Serie, die Einblicke in das neue Museum geben wird.

Was bedeutet die Krise generell für die Kulturbranche?
Die Corona-Pandemie führt auch zu einer wirtschaftlichen Krise, die die Kulturbranche nachhaltig verändern wird – und das schon jetzt tut. Konzerte, Lesungen, Theateraufführungen wurden abgesagt, alle Kultureinrichtungen geschlossen. Insbesondere privat finanzierte Häuser, die von einzelnen Trägern abhängig waren und sind, trifft die Situation hart. Sie mussten ihre Mitarbeiter in Kurzarbeit schicken und werden sich zum Teil nicht erholen können. Einige werde die Krise nicht überdauern. Wir alle werden weniger Geld für unsere Programme zur Verfügung haben.

Halten Sie eine zeitnahe Wiedereröffnung der Kultureinrichtungen für möglich?
Es ist eine herausfordernde Zeit, doch ich hoffe sehr, dass die Museen bald wieder öffnen können. Wir haben jahrelange Erfahrung im Besuchermanagement vor Ort. Wir können die Türen für Einzelbesucherinnen und -besucher oder Familien öffnen und garantieren, dass die Hygienevorschriften und Abstandsregeln bei dem Besuch eingehalten werden. Wir werden anders agieren müssen, doch als Orte der historischen und kulturellen Selbstvergewisserung sind Museen gerade in Krisenzeiten von großer Bedeutung.

Was braucht es aktuell Ihrer Meinung nach noch?
Es ist unheimlich wichtig, dass jetzt Diskussionen darüber stattfinden, was gerade in und mit unserer Gesellschaft passiert. Die Welt von morgen wird eine andere sein und das gilt es zu thematisieren. Ich sehe unser Museum als einen Ort der Reflexion in der Gegenwart, als einen Ort des Dialogs. Es ist unsere Aufgabe als Kultureinrichtungen, Räume für Debatten zu schaffen und Fragen aufzuwerfen wie: „Was passiert hier gerade?“ oder „Was macht das Ganze mit uns?“. Eben diese Fragen sollten vielerorts diskutiert werden – auch in den Medien. Wir erleben gerade eine einschneidende Veränderung unserer Lebensgewohnheiten und unserer gesellschaftlichen Ordnung. Es ist wichtig für eine Demokratie, dass gerade, wenn Grund- und Freiheitsrechte eingeschränkt werden, zugleich intensiv über die Gründe und die Folgen gesprochen wird. Diese Debatten könnten das Potential der jetzigen Krise sein.

Also sehen Sie auch Positives?
Ja, ich sehe Potenzial. Derzeit wird auch in anderen Ländern etwa das bedingungslose Grundeinkommen konkreter diskutiert. Darüber hinaus sind auch die großen Unterschiede in der Gesundheitsvorsorge deutlich geworden, was die Frage nach einer neuen Form europäischer Kooperation im Gesundheitswesen aufwirft. Ein weiterer, großer Aspekt ist die digitale Transformation. Der digitale Raum spielt momentan eine ganz andere Rolle und die digitalen Konzerne sind die größten Gewinner der Krise. Doch auch hier gilt es, die Prozesse mit einem kritischen Auge zu begleiten. Führt die Krise zu einer Verselbstständigung der digitalen Überwachung? Können sich die digitalen Angebote der Startups neben denen der Monopolisten behaupten? Auch im digitalen Raum muss die Pluralität gewährleistet bleiben. Last but not least verstehe ich das derzeitige Innehalten des öffentlichen Lebens auch als einen kreativen Moment, den es zu nutzen gilt.
 
17. April 2020, 13.22 Uhr
Sina Eichhorn
 
Sina Eichhorn
Geboren 1994 in Gelnhausen. Nach einem Studium der Germanistik an der Justus-Liebig-Universität Gießen seit Oktober 2018 beim Journal Frankfurt. Zunächst als Redakteurin, seit 2021 Chefin vom Dienst. – Mehr von Sina Eichhorn >>
 
 
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