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Barock am Main

Karneval mit Schorsch

Michael Quast und Rainer Dachselt im Gespräch über die Neuproduktion Schorsch Dandin, tierische Maskeraden und die Arbeit an Barock am Main nach Wolfgang Deichsels Tod.
Journal Frankfurt: Herr Dachselt, haben Sie sich gleich zugetraut, in Wolfgang Deichsels Fußstapfen zu treten? Er war ja als Mitbegründer und Autor von Barock am Main quasi der Vater des hessischen Molière.
Rainer Dachselt: Dass ich das drauf habe war mir schon klar. Aber das ganze ist ja nun eine Idee und auch über lange Jahre ein Teil von Deichsels Werk gewesen. Es war mir sehr wichtig, dass ich sein Einveständnis habe. Deshalb haben wir ihn auch besucht, und ich bin sehr froh darüber. Wir haben mit ihm übers Stück geredet, und dass war sozusagen der Startschuss für den Schorsch Dandin.

Deichsel hat Ihnen also seinen Segen gegeben…
R. D.: …er hat mir seinen Segen gegeben und danach hatte ich auch keinerlei Bedenken mehr, es zu machen. An diesem Abend ist auch schon die Idee für die Besetzung entstanden.

Seit wann arbeiten Sie schon zusammen?
Michael Quast: Wir haben schon viel zusammen gemacht, darunter die fünf Operetten des Offenbach-Zyklus. Die erste Kooperation war 1998 fürs Theater in Heidelberg. Und dann folgte Stück auf Stück. Ich kenne Rainer Dachselt noch vom Hessischen Rundfunk aus Zeiten, in denen es dort noch eine Unterhaltungsredaktion gab. Damals hab ich viele seiner Programme bestritten. Und verbindet auch eine lange Zusammenarbeit für spezielle Projekte, die mit Stadtgeschichte zu tun haben. Zum Goethe-Jahr 1999 gab es etwa eine Performance im Plenarsaal des Römer. Für den evangelischen Kirchentag haben wir etwas zum Thema Reformation in Frankfurt gemacht, aber auch zu 800 Jahre Römer und zu Stadtjubiläen in Heusenstamm und Sulzbach – alles Themen, zu denen man sich mit historischen Stoffen beschäftigen muss und die wir dann auf eine möglichst unterhaltsame Art präsentiert haben. Dafür sind wir quasi Spezialisten, er als Hauptautor und ich als Performer.

Herr Dachselt, Sind Sie selbst ein waschechter Hesse?
R. D: Eigentlich bin ich in München geboren, aber schon als Kleinkind mitten reingekommen ins hessische Stammland. Meine ersten Hessisch-Lehrer waren die Mitschüler aus der Klasse. Die haben ein derbes Bauernplatt gesprochen, so habe ich den Dialekt richtig gelernt.

Ist es unabdingbar, als Autor bei Barock am Main hessischer „Native Speaker“ zu sein?
M. Q.: Das ist sehr wichtig beim Schreiben. Ich als Kurpfälzer hätte da Skrupel, auf so einer bestimmten Ebene, wo es um Redewendungen und Sprüche geht, die einem nur im Heimatdialekt zur Verfügung stehen.

Was haben Sie als Autor von Wolfgang Deichsel übernommen, und wo haben Sie sich von ihm abgesetzt?
R. D.: Übernommen habe ich die hessische Verssprache, was man manchmal gar nicht merkt, weil die Verse ja so schön laufen. Das sind nicht unbedingt Reime, das ist einfach eine wunderbare Sprache, da geht alles. Da können die Figuren derbes Hessisch sprechen und plötzlich sprechen sie wie im großen Theater, wie bei Schiller. Im Original ist der Dandin gar nicht in Versen geschrieben, sondern in Prosa. Das ist im Grunde genommen also ein Vermächtnis vom Wolfgang.

Und was unterscheidet Sie vom Meister?
R. D.: Es gibt keine Stelle wo ich mich bewusst absetze, um etwas anders zu machen. Das entsteht, das Anderssein. Natürlich schreibe ich anders, die Leute merken das sicher auch.

Schorsch Dandin ist ja ein Bauer, der durch seine Hochzeit mit einer Adligen gesellschaftlich aufsteigen will. Kann der auch Hochdeutsch?
Der spricht fließend Hessisch. Hochdeutsch kann er net. Gekleidet ist er zwar wie ein reicher Mann, aber er kann seine Herkunft nicht verleugnen.

Welche Art Hessisch bekommen wir von Michael Quast als Schorsch Dandin zu hören?
R. D.: Der Schorsch spricht eher derb. Das ist eine Kunstsprache, das funktioniert nicht nach dem Motto „Wie sacht mer in Friddbersch, wie sacht mer in Frankfodd“. Es ist wie bei Deichsel letztendlich auch eine Theatersprache. Aber grundsätzlich benutzt der Schorsch Wörter und eine Sprache, die eher vom Land ist. Seine Schweigereltern, die ja glauben was besseres zu sein, die sprechen dann eher das was man so in Frankfurter Bürgerkreisen spricht. Wo man sich auch bisschen bemüht, Hochdeutsch zu babbeln, was dann auch net werklisch funktioniert. Der Schorsch babbelt einfach druff los, der hat’s so gelernt.

Sie haben bereits angekündigt, dass Sie sich mit Schorsch Dandin noch stärker der barocken Aufführungspraxis annähern als in früheren Barock-am-Main-Inszenierungen. Wie realisieren Sie das?
M. Q.: Das musikalische Element ist sehr viel stärker. Es gibt von Jean-Baptiste Lully eine kleine Oper, eine Rahmenhandlung zum Dandin, Molière hat dafür den Text geschrieben. Das ist eine aufwendige Geschichte mit kleinem Barockorchester und mit Sängern, die sind sogar doppelt besetzt. Acht Schauspieler, acht Sänger und sechs Musiker mit dem ganzen Apparat drumrum, das kostet schon einen Haufen Geld, und das muss auch irgendwie wieder reinkommen.

Was kostet die Produktion?
M. Q.: Insgesamt hat das Festival einen Etat von rund 400 000 Euro, zwei Drittel davon müssen durch Eintrittsgelder eingespielt werden. Das ist ein sehr hoher Anteil. Wir haben keinen städtischen Etat. Wir kriegen zwar Unterstützung von der Stadt, aber die ist nicht sehr hoch. Wir haben hier in Höchst einige Sponsoren, auch Stiftungen unterstützen uns und zum zweiten Mal auch der Kulturfonds.

Dieses Jahr gibt es zehn Vorstellungen mehr als 2010, um dem Besucheransturm gerecht zu werden. Was ist ihr Erfolgsrezept?
M. Q.: Wir haben uns diesen Ruf mit diesen Deichselschen Stücken erarbeitet, die sind einfach super. Der Kniff ist, dass man Volkstheater macht ohne das Niveau zu senken, man muss sich nicht herabbegeben, um die Leute zu erreichen. Wir machen große Stoffe, die durch die Mundart volksnah sind, und Molière ist ja sowieso universell. Das ist eine tolle Mischung.

Warum ergänzen sich Molière und die hessische Mundart so gut?
M. Q.: Diese hessische Mentalität passt gut mit den Molière-Typen zusammen. Die Protagonisten haben so was Kauziges und einen Hang zum Pathos, was in der südhessischen Mentalität auch sehr präsent ist. Dieses Pathos in Kombination mit der Komik, die in der Mundart liegt, das ist schon was Besonderes, besonders in dieser literarischen Qualität. Wir merken, dass die Leute das unheimlich genießen und schätzen. Und die freuen sich. Bei unseren Vorstellungen herrscht immer gute Laune.

Was Ihnen dieses Jahr ganz besonders am Herzen liegt, ist ihre Familienproduktion „Karneval der Tiere“.
M. Q.: Ja, wir haben bei diesem Festival noch nie ein Stück für Familien angeboten. Der Karneval der Tiere wird an den Wochenenden gezeigt. Die Caterer haben für diese Produktion auch ein spezielles Angebot, und schon vor Beginn gibt es im Park ein Programm für Kinder mit Künstlern und Jongleuren.

Ist hier auch das Ensemble vom Schorsch Dandin mit von der Partie?
M. Q.: Es sind einige Schauspielkollegen beteiligt, die man nicht unbedingt erkennt, weil sie als Kartoffelkäfer oder als Schwein auf die Bühne kommen. Oder als Kuh, zu zweit unter einem Fell. Aber es sind auch Kinder dabei.

Sie zweifeln ein wenig am Zuspruch der Zuschauer?
M. Q.: Die Leute strömen zwar zum hessischen Molière. Aber wir haben schon auch anderes hier versucht, zum Beispiel Barockopern oder Liederabende, und das war immer schwierig. Deshalb müssen wir die anderen Produktion ganz besonders bewerben.

Der Karneval der Tiere ist in den vergangenen Jahren in vielen unterschiedlichen Fassungen gezeigt worden. Was macht ihre Version so besonders?
M. Q.: Bisher habe ich den Karneval der Tiere immer als Konzert mit Textvortrag ohne Action aufgeführt, jetzt passiert auch was. Da wird jetzt eine richtige Geschichte erzählt, von Tieren, die sich verkleiden und die selbst Theater machen wollen. Die Tiere treten also nicht nur als sie selbst auf, sondern maskieren sich. Die Enten möchten Löwen sein, Pinguine kommen als Kängurus, und alle treiben ihren Schabernack in einer anderen Figur. Insofern entspricht es auch dem barockem Gestus der Kulisse, des Sich-Verkleidens und des Seins und Scheins.

Wie sieht das konkret auf der Bühne aus?
M. Q.: Wir bedienen uns einer einfachen Maschinerie, verwenden etwa Seile, an denen Sachen über Bühne gezogen werden, oder Planen, die bewegt werden. Das entspricht ganz den barocken Theaterelementen. Die Fassaden werden belebt, Tiere erscheinen im Fenster. Der Palast wird auf ganz neue Weise benutzt, wie wir es bisher noch nicht gemacht haben.

Nochmal zurück zu Ihrer Arbeit, Herr Dachselt. Was genießen Sie denn ganz besonders an der Zusammenarbeit mit dem Barock-am-Main-Ensemble?
R. D.: Das Tolle hier ist dass ich ja ins gemachte Nest komme, insofern, als hier eine wunderbare Schauspieltruppe mit dem Michael probt, die diese Sprache wunderbar drauf hat und schon eingespielt ist. Das ist wie wenn man auf einem sehr teuren Instrument spielen darf.

Was haben sie persönlich gelernt?
R. D.: Ich habe unglaublich viel Neues entdeckt, auch über das Hessische. Das ist ja nicht das Hessisch von Badesalz, die machen die Ohrn auf und gucken den Leuten aufs Maul. Da würde man völlig durcheinander kommen, wenn die Leute beim hessischen Moliere plötzlich so babbeln wie in der S-Bahn. Dass man eine Mischung hinkriegt, dass es nicht zu altertümlich klingt, aber eine gewisse Distanz da ist, das war eine interessante Herausforderung.

Wie geht es weiter mit Barock am Main?
M. Q.: Wolfgang Deichsel hatte noch einiges in der Schublade. Er plante die Bearbeitung von mehreren Stücken und hatte schon mit einigem angefangen. Der „Bürger als Edelmann“ gehört dazu, und es gibt auch viel Material zum „Geizigen“. Autoren arbeiten ja oft über Jahre hinweg oft an einem Projekt. wir wissen noch nicht, ob wir das Material für Barock am Main nutzen können, wie weit die Pläne gehen. Die muss man jetzt erst mal sichten.

2012 soll es mit der Sanierung des Bolongaropalastes losgehen. Gibt es schon eine neue Spielstätte für Barock am Main?
M. Q.: Wir wissen noch nicht genau wie es hier weitergeht. Wenn klar werden sollte, dass wir einen neuen Ort brauchen, dann auf jeden Fall in Höchst. Das Festival ist so eng mit Höchst verkuppelt, vor allem auch was die Sponsoren betrifft, also werden wir nirgendwo anders auftreten. Möglicherweise würden wir ein anderes Programm spielen, weil wir dann nicht mehr an das Thema Barock gebunden sind, aber das weiß man noch nicht, das ist alles noch Zukunftsmusik. Denn bei der Stadt drehen sich die Mühlen ja ziemlich langsam.

>> Möchten Sie vor der Vorstellung mehr über die Geschichte des Bolongaropalastes erfahren? Dann ist eine Führung mit “Frau Bolongaro” alias Silke Wustmann genau das Richtige!

Diese können mit dem “Barock am Main”-Ticket gebucht werden, sie beginnen 15 Minuten nach Einlass. Die Teilnahmegebühr beträgt 4 Euro. Es empfiehlt sich, rechtzeitig da zu sein - die Teilnehmerzahl ist begrenzt.
 
4. August 2011, 11.12 Uhr
Jasmin Takim
 
 
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