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Foto: Edo Bertoglio, courtesy of Maripol
Foto: Edo Bertoglio, courtesy of Maripol

Ausstellung in der Schirn Kunsthalle

Wie Jean-Michel Basquiat Frankfurt ein New-York-Gefühl gibt

Die Schirn zeigt Werke eines Weggefährten Andy Warhols – und bringt den New Yorker Underground der 80er ins Museum. Das ist überraschend und abseitig – inklusive eines kleinen Clubs.
"Ich bin nie an einer Kunstschule gewesen … ich habe einfach geschaut … ich glaube, so habe ich etwas über Kunst gelernt – indem ich sie mir angeschaut habe."

Mit diesem Zitat beginnt das sehenswerte Digitorial zu Basquiat. Und es ist wohl auch die beste Anleitung für die neue Schirn-Ausstellung. Einfach schauen. Zu sehen gibt es einiges. Notizzettel. Graffiti. Selbstporträts. Großformatige Arbeiten. Zeitungsschnipsel. Ein ganzer Strauß wilder Ideen. Und zugleich ist man als Besucher der Vernissage, die am Donnerstagabend gefeiert wurde, ein bisschen irritiert, dass sich manche Angehörige der Frankfurter Hautevolee mit Begeisterung jenen Arbeiten nähern, die sie – wenn sie sie an Frankfurter Hauswänden wiederfinden würden – wohl verdammen würden. Aber so ist der Kunstbetrieb. Längst haben die Werke Basquiats Dimensionen erreicht, die es notwendig machen, sie hinter Glas zu stellen und Abstandsmarkierungen auf den Boden des Museums zu kleben.

Am Anfang seiner künstlerischen Laufbahn schuf Basquiat politisch aufgeladene Graffitis. Im Jahr 1978 taggte der damals 17-Jährige mit seinem Highschool-Freund Al Diaz unter dem Pseudonym Samo© kryptische Statements in schwarzen Großbuchstaben an New Yorker Hauswände. Der Fotograf Henry Flynt dokumentierte einst jene ersten Schritte, die Bilder sind in der Schirn zu sehen. Für den Erfolg von Samo© war die Inszenierung in dem damals neuen Künstlerviertel SoHo entscheidend. Medien wie die SoHo Weekly News oder die Village Voice starteten Aktionen, um die Identität hinter den Pseudonym zu lüften.

Humorvoll reflektierte Basquiat seinen Status als Künstler. Er war Autodidakt, ging mit 16 Jahren von der Schule ab und erhielt nie formalen Kunstunterricht. Mit seiner Familie besuchte er regelmäßig die New Yorker Museen. Er besaß eine umfassende Sammlung von Künstlermonografien, die er als Quellen nutzte. Schon in den frühesten Gemälden und Zeichnungen zeigte Basquiat, dass er souverän mit dem visuellen Vokabular der westlichen Malerei des 20. Jahrhunderts umzugehen wusste, und entwickelte zugleich sehr früh einen höchst eigenständigen Stil. 1981 gelang ihm mit seinen Werkpräsentationen in der Gruppenausstellung New York/New Wave im P.S. 1 der Durchbruch. Arbeiten wie Untitled (1980) – eine über zwei Meter hohe Metallplatte mit „NEWYORK NEWAVE“-Schriftzug – oder eine umfassende Werkgruppe können in der Schirn erstmals wieder als größeres Konvolut betrachtet werden. Die Begeisterung der Zeitgenossen und der Zuspruch, den der Künstler von Kollegen und Kritikern erhielt, lässt sich bis heute nachempfinden. Auch die Werke seiner ersten US-Einzelausstellung im Jahr 1982 waren voller explosiver Energie – Farbschichten in intensiven Tönen und hingekritzelten, eingeritzten Schwüngen, die Bewegungsstrichen in Action-Comics gleichen. Die Schirn präsentiert aus dieser Zeit u. a. Untitled (1982) – einen siegreichen Boxer mit erhobenen Fäusten und dornigem Heiligenschein.
Basquiat war nicht nur Maler und Zeichner, sondern auch Performer, Schauspieler, Dichter, Musiker und DJ. Er folgte damit unmittelbar der in der internationalen Kunstszene der 70er- und frühen 80er-Jahre verbreiteten Tendenz multidisziplinär zu arbeiten. Zusammen mit Michael Holman, Vincent Gallo und Nicholas Taylor spielte Basquiat in der Band Gray Klarinette und
Synthesizer. In seinem Œuvre nimmt die Jazz- und Bluesmusik eine wichtige Rolle ein. In vielen Gemälden befasste er sich mit der Geschichte schwarzer Jazzmusiker.

Die Ausstellung in der Schirn lässt diese Zeit mit dem Film New York Beat (1980– 81), mit Interviews, Mitschnitten von Basquiats Fernsehauftritten in der Sendung TV Party sowie Fotografien heute berühmter Akteure der Downtown-Szene wie Madonna, Debbie Harry, Grace Jones, Maripol oder Andy Warhol wieder aufleben. In Zusammenarbeit mit Keith Haring, Jennifer Stein, John Sex und weiteren Künstlerinnen und Künstlern entstanden in den frühen 80er-Jahren zudem zahlreiche Collagen, Postkarten und Objekte. Die Ausstellung zeigt u. a. einen Kühlschrank Untitled (Fun Fridge) oder eine Vase – ebenfalls Untitled aus dem Jahr 1982. Auf Initiative von Bruno Bischofberger lernte Basquiat Andy Warhol kennen – mit Francesco Clemente sollten sie eine Serie von Gemeinschaftsarbeiten realisieren. Basquiat und Warhol setzten ihre Zusammenarbeit in den Jahren 1984 und 1985 fort. Die Schirn zeigt u. a. Arm and Hammer II (1984) von Basquiat und Warhol und das Doppelporträt Dos Cabezas (1982), das Basquiat unmittelbar nach der ersten Begegnung mit Warhol anfertigte.

Bei der Ausstellung feiert die New Yorker Underground-Clubszene ein Revival: Jeden Donnerstag ab 19 Uhr öffnet der Crown Club seine Türen. Inspiriert durch den New Yorker Mudd Club finden in teils stilechter und neu interpretierter Clubatmosphäre Talks, Partys, Filmvorführungen und Lesungen statt. Der ursprüngliche Mudd Club war ein Ort, an dem die Kreativszene Lower Manhattans zusammenkam: Jean-Michel Basquiat traf dort Musiker und Bands, wie Madonna, Lou Reed, DNA oder die Talking Heads, Designer und Performer, wie Betsey Johnson und Klaus Nomi oder junge Independentfilmer wie Glenn O’Brien. Es entstand ein Austausch, der im Werk des Künstlers bis heute sichtbar ist. Und der Crown Club sah schon zwei Stunden nach der Eröffnung so aus, als stünde er schon zehn Jahre in der Schirn. Ein gelungener Beginn – auch weil die verwinkelte Ausstellungsarchitektur zum Gesamtbild passt, was umso überraschender ist, da die Übernahme der Schau aus dem Barbican Centre in London schwierig erschien.

Foto oben: © New York Beat Film LLC, By permission of The Estate
of Jean-Michel Basquiat, Licensed by Artestar, New York
 
16. Februar 2018, 11.25 Uhr
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Fotogalerie:
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