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Foto: © Chris Buck
Foto: © Chris Buck

Ausstellung von HMF und BAF

Rassismus sichtbar machen, ohne ihn zu reproduzieren

Das Stadtlabor des Historischen Museum und die Bildungsstätte Anne Frank haben gemeinsam zwei Ausstellungen über Rassismus und die deutsche Kolonialgeschichte konzipiert. Mit dieser Kooperation soll auch die Art und Weise des Ausstellens hinterfragt werden.
Am 1. Oktober eröffnet das Historische Museum Frankfurt die Ausstellung „Ich sehe was, was du nicht siehst. Rassismus, Widerstand und Empowerement“ und betrachtet dabei, überwiegend aus der Sicht von Betroffenen, wie verfestigt Rassismus in der Gesellschaft ist. Dabei wirft die Ausstellung auch einen Blick auf die deutsche Kolonialgeschichte sowie auf Mikrorassismus, der für manche im Alltag so verankert ist, dass er kaum auffällt. „Wir sind mit unserer Ausstellung nie zuvor so aktuell gewesen wie jetzt“, sagt Suanne Gesser, Leiterin des Jungen Museum Frankfurt. Ausschlaggebend sei dabei auch die geteilte Expertise des Historischen Museums und der Bildungsstätte Anne Frank gewesen. „Wir wollen, dass die Besucherinnen und Besucher gestärkt aus der Ausstellung herausgehen.“

Insgesamt 60 Personen seien an der Zusammenstellung der Ausstellungsstücke beteiligt gewesen, dabei sind im vergangenen Jahr, seit September 2019, 27 aktivistische und künstlerische Beiträge entstanden. Ausgestellt sind diese im Stadtlabor des Historischen Museums. So sind die Stücke gemeinsam mit Frankfurter Bürgerinnen und Bürgern sowie Künstlerinnen und Künstlern entstanden.

Schwerpunkte der Ausstellung sind die vier Themen Rassismus, Kolonialismus vs. postkoloniale Gegenwart, postkoloniale Grenzregime und Flucht sowie Empowerement und Widerstand. Damit wurden unterschiedliche Aspekte des Lebens Schwarzer Menschen und People of Colour in Deutschland betrachtet und sowohl kritisch als auch teilweise provokant und zugespitzt hinterfragt. So hat das Frankfurter Künstler*innen Kollektiv Los Ojos mit „Das Kit: Blicke gegen Rassismus“ eine Filminstallation über Alltagsrassismus geschaffen, bei dem Mitglieder des Kollektivs mit einer Bodycam durch Frankfurts Straßen gelaufen sind, um die Blicke von Passantinnen und Passanten auf sie aufzuzeichnen.

Das Afghan Refugee Movement hat den Nachlass des afghanischen Geflüchteten Matiuallah ausgestellt, der vor einem Geflüchtetenheim in Fulda von der Polizei erschossenen wurde. In zwei Müllsäcken habe die Polizei ihnen den Nachlass überreicht, erzählt eine der Organisatorinnen. Enthalten sind unter anderem Zahnbürsten, Kleidung, Cola-Gummibärchen und ein Schreibblock, auf dem Matuallah deutsch übte.

Auch die noch immer wenig beachtete deutsche Kolonialgeschichte nimmt in der Ausstellung einen wichtigen Platz ein. So findet sich auf einer Postkarte, die neben einem Stadtplan von Frankfurt liegt– auf dem von der Kolonialgeschichte geprägte Orte eingezeichnet sind – die Information, dass das Gallusviertel im 20. Jahrhundert den Spitznamen „Klein Kamerun“ trug. Das Gallusviertel war im 18. Jahrhundert das sogenannte Galgenfeld, das seinen Namen von der damals bekanntesten Hinrichtungsstätte Frankfurts bekam. Später fungierte es als Arbeiterviertel. Vermutet wird, dass der Begriff und die Verbindung zu den Menschen in der ehemaligen deutschen Kolonie Kamerun dem Frankfurter Bürgertum dazu diente, sich abzuheben. So fanden koloniale Bilder Eingang in die lokale Sprache und verstärkten schon vorhandene Klassenunterschiede.

Das Museum selbst hat seinen Beitrag mit einem Kolonialwarenladen im Spielzeug-Format geleistet. Weitere Objekte, die damals in solchen Läden zum Verkauf standen, werden daneben in Vitrinen ausgestellt, auf deren Glasdeckeln Sprechblasen zu sehen sind. Damit wolle man „den Blick der Besuchenden brechen“ und Fragen rund um den Umgang mit Kolonialismus zu stellen. Die beiden Künstlerinnen Joana Tischkau und Elisabeth Hampe, die bereits Anfang September mit ihrer temporären Ausstellung „Museum für Schwarze Unterhaltung und Black Music“ im Museum Angewandte Kunst zu Gast waren, haben die Ausstellung über schwarze Deutsche Medienpersönlichkeiten in Form eines dokumentarischen Filmprojekts in das Historische Museum überliefert.

Viele Ausstellungsstücke zeigen auch wie subtil sich Rassismus in der Gesellschaft ausdrücken kann und erst, wenn man diesen umkehrt, wirklich deutlich wird. So wird beispielsweise ein Foto gezeigt, auf dem ein weißes Mädchen vor einem Regal steht, das ausschließlich Puppen mit schwarzer Hautfarbe anzubieten hat. Auf einem weiteren Foto sind Frauen asiatischer Herkunft zu sehen, die sich von weißen Frauen eine Pediküre machen lassen.

Die Bildungsstätte Anne Frank hat neben der Unterstützung bei der Ausstellung im Historischen Museum mit „Hingucker? Kolonialismus und Rassismus ausstellen“ auch eine eigene kleinere Sonderausstellung erstellt, die bereits am Dienstag eröffnet. Koloniale Gewalt, Antikoloniale Kämpfe um Selbstbehauptung und Postkoloniale Widerstände werden in Gemälden, Tonaufnahmen und Gedichten betrachtet.

Dabei habe man sehr darauf geachtet Rassismus sichtbar zu machen, ohne ihn zu reproduzieren, so Jeanne Nzakizabandi, eine der Kuratorinnen der Ausstellung. Dieser Leitsatz zieht sich durch das gesamte Vorhaben. „Wir wollten die Frage stellen, wer Subjekt und wer Objekt ist“, so Nzakizabandi. Deshalb habe man die Ausstellung in Dresden über Kolonialismus, die man zuerst vollständig übertragen wollte, nicht eins zu eins übernehmen wollen, betont Meron Mendel, Direktor der Bildungsstätte Anne Frank. „Die Ausstellung hat nicht zu unserer pädagogischen Haltung gepasst. Wir wollten nicht auf die schlimme Zeit des Kolonialismus schauen, sondern die Menschen zeigen, die in dieser Zeit Widerstand geleistet haben.“

Diese Haltung soll direkt am Eingang der Ausstellung deutlich gemacht werden: Zu sehen ist dort eine Zeichnung von Kwelle Ndumbe, der sich ein Opernglas vor die Augen hält und die Besucherinnen und Besucher direkt anzusehen scheint. 1896 wurde Ndumbe gemeinsam mit hundert anderen Menschen sowie mit geraubten Kunstwerken aus einer damaligen deutschen Kolonie zu einer Kolonialausstellung nach Berlin gebracht. Während ihn das Publikum in der Ausstellung wie ein Objekt betrachtete, schaute er mit dem Opernglas auf sie zurück – ein Zeichen des stillen Widerstands gegen den Kolonialismus. Neben einem wandhohen Ausdruck eines Porträtgemäldes von Jean-Baptiste Belly, der in einer Kolonialuniform mit offensichtlich stereotypen Merkmalen gezeigt wird, die man damals Schwarzen Menschen zuschrieb, sind die Wände der Ausstellung immer wieder mit Zitaten vom Autor Mnyaka Sururu Mboro versehen, die die Abformung von Köpfen und Körperteilen der kolonialisierten Menschen thematisieren und auf poetische Weise verarbeiten.

Fotos sogenannter Völkerschauen, die überall in Deutschland Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts stattfanden, werden in der Ausstellung bewusst nicht auf großen Tafeln gezeigt, sondern sind hinter einigen Löchern in der Wand versteckt. Mit beiden Ausstellungen wolle man die Praxis des Ausstellens selbst zur Diskussion stellen, sagt Ismahan Wayah Ausstellungskuratorin des Historischen Museums.

Die Sonderausstellung der Bildungsstätte Anne Frank läuft noch bis zum 21. Februar 2021, die Ausstellung im Stadtlabor des Historischen Museum bis zum 28. Februar 2021. Während dieser Zeit richten die beiden Einrichtungen auch ein Veranstaltungsprogramm aus. Am 7. Oktober startet die Reihe mit einer Podiumsdiskussion zum Umgang mit kolonialer Vergangenheit und wie Museums-Ausstellungen auch rassismuskritisch sein können. Die weiteren Programmpunkte sind auf der Webseite des Historischen Museum zu finden.
 
29. September 2020, 12.53 Uhr
Johanna Wendel
 
Johanna Wendel
Jahrgang 1993, Technikjournalismus-Studium an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg, seit Januar 2019 beim Journal Frankfurt. – Mehr von Johanna Wendel >>
 
 
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