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No Sex in the City
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Kolumne von Ana Marija Milkovic
 

Kolumne von Ana Marija Milkovic

Verrat, Tod, Auferstehung und Freude. Nun Anästhesie.

Unsere Kolumnistin Ana Marija Milkovic lässt ihren Blick von Mäcklers Bauten über das Dom-Römer-Areal und den Rossmarkt streifen und versucht, dem - in ihren Augen - Hässlichen das Schöne abzuringen.
Verrat, Tod, Auferstehung und Freude. Das ist die Chronologie der Ereignisse zu Ostern. Am fünfzigsten Tag nach Ostern, zu Pfingsten, empfangen wir Christen den Heiligen Geist. Am Ostermontag kehrt in unser christliches Leben die Freude zurück. Herrscht einmal Freude vor, fällt es schwer, Hässlichkeiten zu benennen. Auch mir. Ich könnte mich in den kommenden Tagen darum bemühen, dem Hässlichen das Schöne abzuringen, bis auch mir der heilige Geist zu Pfingsten widerfährt. Es wäre nicht der schlechteste Weg nach Rom, wenn ich bedenke, dass wir von Hässlichem umringt sind. Das sagt zumindest Gerhard Richter, einer der renommierten zeitgenössischen deutschen Künstler. Er tut es im aktuellen Monopol Magazin so: "Das Schönheit in Verruf geraten ist, liegt auch daran, dass so viel hässliche Dummheit als schön hingestellt wird. Diese Vorbildkultur, die wir in Film und Fernsehen und in dem Magazinen haben, zeigt eine Schönheit, die verlogen und verblödet ist. Vielleicht ist deshalb Hässlichkeit so sehr angesagt. Die Gesellschaft anästhesiert sich.".

Wir sind sogar vom Gesetzgeber dazu verpflichtet zu verblöden. Den Beweis liefert die GEZ. Ob das nun wahr ist oder eine ausgemachte Lüge, liegt nicht unwesentlich in der Definition des Wahren und, oder des Schönen im Guten. Was ist nun also wahr? Darüber streitet sich die Fachwelt seit der Antike. Wahrheit kann etwas sein, dass der eigenen Vorstellung entspricht. Wenn ich nun schreibe: Mäcklers Haus am Rossmarkt ist hässlich, weil es nicht meinen Vorstellungen von Schönheit entspricht, dann ist das redundant wahr. Herr Mäckler könnte nun, und davon gehe ich aus, Gegenteiliges behaupten. Er könnte behaupten, er wüsste wie Schönes festzustellen ist und schön wäre, was er dazu bestimmt. Ich gebe zu, letzteres ist seit annähernd 15 Jahren in Frankfurt der Fall. Das ist wahr. Aber ist es deswegen auch gleich schön?

Polemik aus dem Griechischen übersetzt bedeutet Streit. Polemik stand einst für Streitkunst. In Deutschland sind polemische Äußerungen nicht gut gelitten. Wir debattieren lieber. Nach einer Debatte stimmen wir gerne ab. Das Ergebnis ist dann eine Tatsache. Eine Tatsache ist zum Beispiel die Dom-Römer-Bebauung in Frankfurt. Über Jahre wurde debattiert. Dafür und dagegen. Nun ist sie entschieden und wird gebaut. Aber wird sie, weil tatsächlich nun entschieden, auch deswegen gleich schön?

Eine Gesellschaft, die sich anästhesiert, bleibt eine Antwort über das Schöne, Wahre oder Gute nicht schuldig. Eine Gesellschaft, die sich anästhesiert stellt die Frage nicht, was wahr, schön oder gut ist. Dieser Ergebnis orientierte Vorgang nennt sich Pragmatismus unserer Moderne. Es setzt Wahrheiten voraus, um sie nachträglich zu begründen. Vernunft könnte heute der Pragmatismus einer rationalisierten Utopie sein. "Eine Utopie", so der Kunsttheoretiker Bazon Brock, "ist ein Reservoir von prinzipiell nicht erfüllbaren Wünschen, das uns davor bewahren soll, zu glauben, dass wir uns je genügen könnten". Es gibt immer ein Mehr, immer ein Größer, immer ein Mäckler. Was immer man für wahr hält, führt Bazon Brock weiter aus, wird durch die Konsequenz des Dafürhaltens wahr, wahr im Sinne von wirklich. Gespenster gibt es nicht, wer aber an sie glaubt und deshalb sein Haus verrammelt, schafft damit eine wirkliche Gegebenheit."

Durch konsequentes architektonischen Dafürhalten eines einzelnen Protagonisten wurde nun die neue Bebauung am Rossmarkt wahr. Aber wird sie durch konsequentes architektonisches Schönreden damit auch gut? Andere wiederum glauben nicht an Utopien, andere glauben an Gespenster. Wie sich im Glauben an Gespenster Häuser verrammeln lassen, lässt sich ausgehend vom Rossmarkt Richtung Zeil gut betrachten.

Ich behaupte, eine anästhesierte Gesellschaft interessiert sich nicht für Schönheit. Würde ich nun behaupten, das Parkhaus Hauptwache ist schön, würde ich behaupten, das Parkhaus Hauptwache ist eine gelungene Architektur, wäre das eine Fürsprache für einen Architekturgeist, der noch nicht anästhesiert und verblödet ist.

In einer Demokratie dürfen Gerhard Richter und Bazon Brock ihre Einwände öffentlich äußern. Ich darf es auch. Die Chance auf Änderung einer Pragmatik, die verlogen ist, bleibt aber verschwindend gering. "Alter Spruch: Wer nicht an Wunder glaubt, ist kein Realist."
29. April 2014
Ana Marija Milkovic
 
 
Fotogalerie:
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