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Kolumne von Ana Marija Milkovic
 

Kolumne von Ana Marija Milkovic

Im Westen nichts Neues

Foto: Harald Schröder
Foto: Harald Schröder
Unsere Kolumnistin stellt sich die Frage, ob die handwerklich schlecht gemachte Politik der vergangenen Jahre zur Verunsicherung in der Bevölkerung beiträgt. Sie hat zwei "unpopuläre Beispiele" aufgeschrieben.
Das erste Mal kam mir der Gedanke nach dem Reaktorunfall in Fukoshima. Das war 2011. Als sich in Japan eine Erdplatte über die andere schob, die Erde bebte und ein Tsunami ausgelöst wurde, brach in Folge im Reaktor in Fukoshima ein Brand aus. Während die Nation ihr Schicksal demütig ertrug und besonnen reagierte, entflammte die Atomdebatte in Deutschland heftig.

Das geschah zu einer Zeit, da unser Parlament die Laufzeitverträge unserer Reaktoren bereits verlängert und eine Rechtsgrundlage für eine weitere Nutzung geschaffen hatte. Da nun aber in Fukushima das Atomkraftwerk brannte, beschloss die Regierung die Stilllegung einiger Atomkraftwerke sowie die Generalüberprüfung aller in Deutschland. Die Maßnahme wurde "Gefahrenabwehr" genannt und als solche auch begründet. "Wir haben eine neue Lage", sagte die Bundeskanzlerin, "wir können nicht einfach zur Tagesordnung übergehen."

Der rechtsstaatlich gebotene Weg hätte aber darin bestanden, eine Gesetzesänderung anzustreben. Ein durch die Bundesregierung geschaffenes Atom-Moratorium beschloss hingegen die Abschaltung auf Grundlage eines Verdachtes, der sich darin begründete, dass auf einem anderen Kontinent ein Reaktor brannte. Bundestagspräsident Lammert hatte starke Bedenken bei diesem Vorgang, die der Vizepräsident des Deutschen Anwaltskammerkammer wie folgt zusammen fasste: "Merkel übergeht das Parlament als Gesetzgeber mit einem konstruierten Hinweis auf das Atomgesetz."

Um Stromausfälle zu kompensieren wurde nun Atomstrom aus angrenzenden Ländern wie Frankreich und Tschechien importiert. Weder war zu diesem Zeitpunkt bekannt, ob die ausländischen Reaktoren unseren Sicherheitsstandards genügen, noch wurde begründet, wie durch den Import von ausländischen Atomstrom die Gefahrenlage für uns Deutsche gebannt werden konnte. Bekannt ist lediglich, dass unsere Kohlekraftwerke wieder verstärkt genutzt wurden. Das wiederum hatte einen Anstieg von Kohlenstoffdioxidemissionen in ganz Europa zur Folge, der durch den ins Leben gerufenen Emissionsrechtehandel ursprünglich limitiert werden sollte.

So fand durch die erhöhte Förderung von Strom durch deutsche Kohlekraftwerke eine künstliche Verknappung der Emissionsrechte auch eine Preiserhöhung dieser statt, weil andere Unternehmen ihre Emissionsrechte weltweit für uns ausschöpfen mussten und Dritte damit gut Geld verdienten. Nicht nur das kostete viel, auch der den Unternehmen entstandene Schaden wird auf Milliarden geschätzt. Der Fall ist vor Gericht gelandet. Das Urteil darüber wird im März diesen jahres erwartet.

Ein weiteres Mal dachte ich anlässlich deutscher Asylpolitik über die jüngste Kritik europäischer Mitgliedsstaaten nach, die der Bundeskanzlerin vorwarfen, Verträge im Alleingang zu brechen. Die Außerkraftsetzung der Nichtbeistands-Klausel des Maastricht-Vertrages unserer Regierung möchte ich nur nebenbei erwähnen. Aktueller ist der Verstoß gegen den Dublin-Vertrag. Dieser regelt das Verfahren über Asylanträge in Europa. Es oblag den europäischen Ländern, in denen die Flüchtlinge zuerst ankamen, die Asylanträge auch zu bearbeiten.

Frau Merkel setzte 2015 diesen Vertrag ohne Absprache mit ihren europäischen Kollegen außer Kraft, indem sie die Zuständigkeit für syrische Anträge auf Deutschland im Alleingang deutschen Verwaltungen übertrug und den flüchtigen Menschen keine Obergrenze zusagte. Diese Botschaft kam Dank der Smartphones bis in den letzten Winkel der Welt an. Ursprünglich als europäische Entlastung gedacht, gingen daraufhin deutsche Verwaltungen im Flüchtlingsstrom regelrecht unter.

Getragen werden diese Vorgänge von vielen Bürgern, gerne mit der Begründung, die aktuelle Lage legitimiere die Ausnahme. Dabei wird meines Erachtens verkannt, dass durch den Alleingang Einzelner, sicherlich durch Emotionen und Sympathie vieler getragen, auch durch die Erfordernisse zu handeln, das demokratische Regelwerk ad absurdum geführt wird.

Recht, das sich emotional begründet, ist Ausübung von Willkür durch eine Interessengemeinschaft gegen die Interessen Dritter. So etwas wird auch Diktatur genannt. Ob das Procedere einem guten Zweck dient, ist dabei erst einmal zweitrangig, denn vorausgesetzt die Angst vor Rechtsnationalen ist begründet, haben jene, die Verstöße gegen das demokratische Regelwerk legitimieren, auch Rechtsnationalen das Tor weit aufgemacht mit Emotionen, zu denen auch Ängste gehören, Politik zu gestalten. Nicht einmal ein Notstandsgesetz scheint für solches Procedere heute erforderlich. Schuld sind natürlich aber immer die Anderen, die gegenseitig weniger gut gelittenen. Wer solche Mittel rechtfertigt, der schafft sich ein Volk von Denunzianten und Hasspredigern.
18. Februar 2016
Ana Marija Milkovic
 
 
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