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No Sex in the City
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Kolumne von Ana Marija Milkovic
 

Kolumne von Ana Marija Milkovic

Dubai, eine Reise (Teil 2)

Im zweiter Teil ihres architektonischen Reiseberichts glaubt unsere Kolumnistin Europa und Frankfurt in der Geschichte verloren. Die Moderne entsteht längst anderswo, hier regieren nur noch Anlageberater.
Dem Grundriss nach ist der Khalif-Tower auf dem Buchstaben Y aufgebaut. Die drei Achsen des Gebäudes sind konstruktiv mit der tragenden Mitte verbunden. Das Gebäude verjüngt sich nach oben. Dieser windableitend aufstrebenden spiralförmigen Bewegung verdankt der Khalif Tower seine Höhe. Zitiert wird in der Fachliteratur eine Konstruktion, die als Wüstenblume ihres gleichen sucht. Das sind die Momente, die bei allem gebotenen Respekt, Sex um gefühlte hunderte von Stockwerken hinter sich lässt.

Stellte Tishman Speyer Frankfurts Phallus-Symbol 1991 in einer Höhe von 256,5 Metern fertig, ist in Dubai seit 2010 eine 830 m hohe arabische Wüstenblume zu sehen. Ein konstruktiver, wabenartiger Schulterschluss vertikaler Pfleiler und horizontaler Flächen, dem die Konstrukteure noch einige 100 Meter Umbauten Raum hätten aufsetzen können. So ist sich die Fachwelt heute jedenfalls sicher. Was hätte ich dafür gegeben, der Präsentation der amerikanischen Architekten und Ingenieure vor der Elite der Vereinigten Arabischen Emirate folgen zu dürfen: Die Ankündigung 1001 Nacht voll waghalsiger Ingenieurskunst inmitten von Nichts! "Das ist Nichts"' sagt der Europäer. "Und ist das Nichts", fragt die Abenteuerin? Das ist die architektonische Weiterentwicklung der Hochhausarchitektur der jüngeren amerikanischen Geschichte Mies van der Rohes, entgegne ich aller gebotenen Skepsis. Here we are again: form follows function.

Form folgt Funktion in Deutschland schon lange nicht mehr. Technik ist längst nicht mehr das konstruktive Wunderwerk. Vielleicht schwebt Ihnen noch die Dach-Konstruktion Frei Ottos im Münchener Olympiastadion vor Augen? Statt konstruktiver Erlebnisse setzen wir heute auf technische Anlagen, die im Gebäudeinneren, gerne in Zwischengeschossen oder auf Dächern verpackt, verschwinden.

Wir hatten in Frankfurt eine wirklich gute Zeit. Wir haben noch immer eine Hochkultur der Hochhauskultur, die in der Vergangenheit Zeichen setzte: in der Nachkriegsmoderne beispielhaft das Hochhaus in der Neuen Mainzer Straße 1, die BHF-Bank an der Bockenheimer Landstraße, die Olivetti Türme. Gefolgt von dem heute noch futuristisch anmutenden Baukörper des Silberturms, ehemals Dresdner-Bank-Turm, der im Stadtbild weiterhin signifikant wirkende Messeturm, die Zwillingstürme der Deutschen Bank, die lange Zeit in Ihrem Zusammenspiel die Skyline der Stadt vorrangig bestimmten.

Gegenwärtig sind wir hier im Herzen Europas unlängst auf die Idee gekommen Coco Chanels kleines Schwarzes, da ein Irrtum der Zeitgeschichte, zu verlängern. Ein aus der Proportion gerückte Haltung lässt auch hier Blüten wachsen. Mir fällt die sagenumwobene langjährige Chefin der Vogue Anna Wintour ein, die an dieser Stelle ihre Stimme heben und allen Beteiligten reinen Wein einschenken wird: "Bitte meine Herren, mit dieser Kollektion haben sie vor, Geld zu verdienen? Sie mögen Ihre Fonds so füllen und einen kleinen, Nickelbrille tragenden Anlageberater davon überzeugen, aber mich und meine Leser NICHT!" Beim Schreiben dieser Zeilen setze ich bereits in Gedanken eine Online-Petition auf: Anna Wintour for Investor-Related Functions.

Während nun Dienstleister die Entwicklung einer Immobilie vordringlich bestimmen, mutet das auf die Modebranche zum besseren Verständnis übersetzt so an, als hätten Dienstleister der Finanzindustrie Yves Saint Laurents Kollektionen entwickelt. Welcher Endabnehmer hätte der Marke YSL noch das Vertrauen entgegen gebracht? Sind es nicht Charaktere, die uns binden?

Auch Staatsleute entwickeln gelegentlich Visionen. Helmut Schmidt ist dafür bekannt Visionäre zum Arzt zu schicken. Französische Präsidenten und ihre Kultusminister sahen das differenzierter. Sie waren die Ärzte! Dank Pompidou entstand das Centre Pompidou. Er wollte die Kunstmetropole Paris gegenüber New York stärken. Mitterand setzte in den 80ern weiter auf die Moderne und gab Paris die Möglichkeit sich baulich zu erneuern. Vielleicht hat er seinem Freund Helmut Kohl geraten, es gleich zu tun. Charlotte Frank und Axel Schultes entwarfen in seiner Amtszeit das Bundeskanzleramt. Lang ist's her. So lang, dass gerne vergessen wurde den zweiten Teil der Bundeskanzleramt-Spree-Spange zu realisieren. Rabiat schade darum.

Staatsleute interessieren sich längst nicht mehr für Architektur. Investments reiten Wellen bis sie brechen und Europa hat Geschichte und ist vielleicht schon Geschichte. Deswegen bauen wir Geschichte. Nun stehe ich hier, auf der Welt höchsten Aussichtsplattform, und denke an einen der drei legendären Filme von James Dean "Denn sie wissen nicht was sie tun."
3. September 2013
Ana Marija Milkovic
 
 
Fotogalerie:
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