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Foto: Stadt Frankfurt
Foto: Stadt Frankfurt

Milieuschutzsatzungen gegen teures Wohnen

Mit der Fußballtaktik gegen Gentrifizierung

Ab Ende 2015 soll eine Milieuschutzsatzung für acht Stadtteile gelten. Damit sollen Bewohner der besonders gefragten Viertel vor Verdrängung geschützt werden. Ob diese Abwehrtaktik aufgeht, ist fraglich.
„Frankfurt ist in den vergangenen zehn Jahren um die Einwohnerzahl einer Kleinstadt wie Fulda gewachsen. 70.000 Frankfurter mehr, sei es durch Zuzug oder Geburtenüberschuss, bedeuten auch einen starken Druck auf den Wohnungsmarkt“, sagt Bürgermeister Olaf Cunitz (Grüne). Die Wohnungssuchenden hätten einen etwas eingeschränkten Blick auf die Stadt und würden einzelne Stadtteile bevorzugen, auch das trage dazu bei, dass die hohe Nachfrage die Mieten und Wohnungspreise stark ansteigen lasse. „Da sehen wir Handlungsbedarf!“ Mit Förderprogrammen unterstütze man die weniger zentralen Stadtteile, um sie für Wohnungssuchende attraktiver zu machen. Dennoch: Der Markt sei ein Stück weit dysfunktional, es werde überproportional hochpreisiger Wohnraum geschaffen und weniger im günstigen Bereich. Die Stadt stelle verstärkt Bauland zur Verfügung, neue Bebauungsgebiete sollen künftig immer zu 30 Prozent für geförderten Wohnungsbau bereitstehen und auch die kommunale Wohnungsbauförderung habe man auf 50 Millionen Euro verdoppelt. „Dabei ist soziale Wohnungsbauförderung eigentlich Bund- und Ländersache“, sagt Planungsdezernent Cunitz. Zudem wandele man immer mehr Fläche um in Wohnraum. Es gebe also unterschiedliche Strategien zur Sicherung des preisgünstigen Wohnraums.

Ein weiteres Instrument sei der Milieuschutz. Dieser soll künftig für acht besonders gefragte Stadtteile gelten, wobei man bei Bockenheim mit der Vorbereitung schon weiter fortgeschritten sei, aber auch im östlichen Westend, im Nordend und der Innenstadt, in Bornheim und im Ostend sowie im nördlichen Sachsenhausen und im Bahnhofsviertel soll der Milieuschutz frühestens Ende 2015 verhindern helfen, dass angestammte Bewohner ihren Stadtteil verlassen müssen, weil sie sich das Leben inmitten luxussanierter Wohnungen nicht mehr leisten können.

Ab wann spricht man von „Luxussanierung“?
Grundsätzlich könne eine Kommune durch Milieuschutzsatzungen Gebiete benennen, in denen zur Erhaltung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung der Rückbau, die Änderung und die Nutzungsänderung baulicher Anlagen einer besonderen Genehmigung bedürfen. Doch erst mal müsse untersucht werden, wie ein bestimmtes Bewohnermilieu aus soziologischen Gesichtspunkten definiert werde. Derzeit sei ein Stadtteilmonitoring zu Aufwertungs- und Verdrängungsprozessen in Arbeit und müsse noch überprüft werden. Auf eine übermäßige Aufwertung, eine „Luxussanierung also“, könnte hindeuten, wenn etwa mehrere Wohnungen zusammengelegt würden zu einer Fläche von mehr als 130 Quadratmetern, wenn Balkone von über acht Quadratmetern angebracht würden, Dachterrassen entstünden, Wohnungen in Büros umgewandelt würden oder wenn Personenaufzüge, die einzelne Geschosse erschließen, also fürs Penthouse dienen sollen. „Wir wollen natürlich keine Modernisierungen verhindern. Ein zeitgemäßer Ausstattungsstandard ist gewünscht und die Verbesserung der Barrierefreiheit und der Energieeffizienz sind ausdrücklich gewollt“, stellt Cunitz klar.

Ab Ende 2015, wenn die Milieuschutzsatzung für die ausgewählten Stadtteile greifen kann und sichergestellt ist, dass sie rechtssicher ist, will die Stadt, speziell das Liegenschaftsamt, von der Möglichkeit der Ausübung von Vorkaufsrechten Gebrauch machen. Die Stadt will also Luxussanierungen zuvorkommen, notfalls auch Gebäude erwerben – dafür gebe es ein Budget –, um die Verdrängung der Bewohner aus Objekten mit günstigem Wohnraum zu verhindern. Andere Städte wie Hamburg oder München hätten damit gute Erfahrungen gemacht. Die Ausübung des Vorkaufsrechts könne aber dadurch abgewendet werden, dass ein zukünftiger privater Eigentümer sich vertraglich gegenüber der Stadt verpflichtet, den Zielen der Milieuschutzsatzung besonders Rechnung zu tragen. Das Vorverkaufsrecht sei eine Abschreckungsmaßnahme, sowie die soziale Erhaltungssatzung einer 4er-Kette ähnele, sagt Fußballfan Cunitz metaphorisch. „Das Abwehrpotenzial lässt sich schwer messen, wie bei einem Abwehrspieler, bei dem man auch nicht sagen kann, wie viele Tore er jetzt verhindert hat.“ Man wolle mit dem Instrumentarium des Milieuschutzes die schwarzen Schafe einschränken, die sich am Rande der Legalität bewegten. Gleichzeitig dämpfte Cunitz die Erwartungen: „Auf Mieterhöhungen und Mietsteigerungen hat das Instrument des Milieuschutzes keinen Einfluss.“ Mit baurechtlichen Instrumenten könne man die Regeln des Marktes nicht ausser Kraft setzen.

Das Land Hessen ist in der Pflicht
Olaf Cunitz sieht aber auch den Bund und insbesondere das Land Hessen in der Pflicht, bessere Handlungsmöglichkeiten zum Erhalt von bezahlbarem Wohnraum zu gewährleisten. „Deswegen bleiben die Themen eines Genehmigungsvorbehalts bei der Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen durch eine Landesverordnung, die Fehlbelegungsabgabe, die Wohnraumzweckentfremdung und eine wirksame Mietpreisbremse für mich weiter auf der Tagesordnung“, so Cunitz, der sich in diesem Punkt der Unterstützung durch Oberbürgermeister Peter Feldmann (SPD) sicher sein kann. „Das ist ein Signal, auf das viele Menschen lange gewartet haben. Es ist ein wichtiger Schritt, dem nun weitere klare Entscheidungen folgen müssen: Konkret muss das Land Hessen eine Rechtsverordnung erlassen, damit in Milieuschutzgebieten die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen in begründeten Fällen gestoppt werden kann“, fordert auch Feldmann.

Wenn aus der Abwehrtaktik ein Eigentor wird
Doch eine Abwehrkette allein macht noch kein gewonnenes Spiel: Seit April 1990 ist eine Milieuschutzsatzung für das Westend I in Kraft. Von einem Vorkaufsrecht habe die Stadt bislang noch nicht Gebrauch gemacht und während die Aktionsgemeinschaft Westend die fortschreitende Gentrifizierung anprangert, kann die Stadt die Erfolge der Milieuschutzsatzung fürs Westend nicht in Zahlen oder Worte fassen. Was die Euphorie für weitere Gebiete mit Milieuschutz bremsen dürfte. Auch ein Missbrauch des Vorkaufsrechtes durch einige gewiefte Hauseigentümer, ist nicht auszuschließen. Und so könnte die Ankündigung der Milieuschutzsatzung ähnliche Effekte haben wie die Debatte um eine Mietpreisbremse, die einer Studie für die Bundesfraktion der Grünen zufolge die Mieten in städtischen Ballungsräumen künstlich in die Höhe getrieben habe. Eine ähnliche Entwicklung ist bis zum Inkrafttreten der Milieuschutzsatzung auch nicht für die ausgewiesenen Stadtteile ausgeschlossen. Dann also wäre, um im Fußballbild zu bleiben, ein Eigentor nicht ausgeschlossen.
 
14. November 2014, 12.02 Uhr
nb
 
 
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