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Strafvollzug in Deutschland

„Knast macht Menschen kaputt“

Über den Sinn und Unsinn von Gefängnissen haben ein Jurist, ein Filmemacher und ein Knastleiter im Museum für Kommunikation diskutiert. Der Befund ist ernüchternd: Haft schadet offenbar mehr als sie nützt.
„Uli Hoeneß in Haft zu bringen, ist völlig unsinnig und nicht nützlich“, sagt Cornelius Prittwitz. Der Jurist von der Goethe-Universität findet, dass man stattdessen den Steuerhinterzieher an der Stelle treffen sollte, wo es ihm am meisten wehtun würde: beim Geld. „Finanziell die Hosen runter“, sagt Prittwitz. Sein Befund: „Wir wollen was Nützliches machen und machen zu viel Unnützes.“

Dass Strafe sein muss, darüber waren sich die Diskutanten auf dem Podium im Museum für Kommunikation einig. Cornelius Prittwitz sprach am Mittwochabend mit Michael Skirl, dem Leiter der JVA Werl, und dem Filmemacher Dieter Fahrer über den Strafvollzug in Deutschland. Fahrer hat einen Dokumentarfilm über die schweizerische Haftanstalt Thorberg gedreht, den das Museum zum Anlass für eine laufende Ausstellung genommen hat.

Der Film allein bietet viel Anlass zu Diskussion und er wirft Fragen auf, die auch auf dem Podium besprochen wurden: Ist Freiheitsentzug der richtige Weg der Bestrafung? Ist Resozialisierung möglich? Wie steht es um die Schuld und Gerechtigkeit? Der Befund ist ernüchternd: „Knast hilft nicht, sondern macht es noch schlimmer“, sagte Prittwitz. Haft sei ein kriminogener Faktor, das heißt sie führe zu weiteren Straftaten. „Strafvollzug führt in der Regel nicht zu einer Verbesserung.“ Man werde eher entsozialisiert statt resozialisiert.

Und auch Dieter Fahrer befand: „Langjähriger Freiheitsentzug macht die Menschen kaputt.“ Es handle sich um einen „massiven Eingriff“, bei dem einem Menschen das „Wesentliche im Leben“ genommen werde. „Gefängnisse sollten Orte der Gesellschaft sein“, so der Filmemacher. Dort sollten Menschen Würde, Wertschätzung und Anerkennung finden. Er plädierte für mehr Lockerungen, die nach einem Belohnungssystem bewilligt werden sollen. Auch Prittwitz äußerte sich ähnlich, da die Insassen so besser den Übergang in die Freiheit lernten. Wichtig, so der Jurist, sei für die Insassen ein Silberstreif am Horizont. Und auch Fahrer meinte, dass man in die Gefängnisse die Möglichkeit bringen müsse, eine Perspektive zu haben.

Der Knastleiter Michael Skirl wollte trotz dieser Erkenntnisse keine Resignation aufkommen lassen und sagte, dass Resozialisierung möglich sei. Er gab zu Bedenken, dass Knäste zwar totale Institutionen seien, doch fremdbestimmt werde man auch in Krankenhäusern, bei der Bundeswehr, als Teil einer Schiffsbesatzung oder im Kloster. Skirl berichtete, dass in der JVA Werl bereits viele Lockerungen realisiert werden würden: Bis zu zwölf Ausführungen pro Jahr, ein kontrollierter Zugang zum Internet, eine höhere Anzahl der Telefonate. Die in dem Film dargestellten Restriktionen des Gefängnisses Thorberg erschienen so als Extremfall.

Ein schwieriger Grenzfall ist die Sicherheitsverwahrung. Prittwitz gab zu Bedenken, dass diese nichts mit Schuld und Strafe zu tun habe, sondern nur Menschen davon abhalten solle, „etwas Schreckliches“ zu tun. Daher dürften die Umstände der Sicherheitsverwahrung auch nicht denen in Gefängnissen entsprechen. Er schlug vor, dass die Betroffenen, die ein „Sonderopfer zugunsten der Gesellschaft“ brächten, ein „hotelähnliches Leben“ führen müssten.

Skirl sprach sich dafür aus, den Freiheitsentzug von der Schuld abzukoppeln. Die Voraussetzung für den Vorsatz werde von der Neurobiologie infrage gestellt. Denn häufig fehle Straftätern aufgrund von neurophysiologischen Defekten ein Gewissen oder Mitgefühl. Diese Erkenntnisse zu berücksichtigen würde das Strafrecht „vom Kopf auf die Füße stellen“.

Und wo bleiben dabei die Opfer? Fahrer und Prittwitz sind nach eigenen Angaben selbst Opfer von Gewalt. Sie stellten den Sinn nach Gerechtigkeit infrage. Fahrer prangerte den archaischen Instinkt des „Auge um Auge“-Prinzips an: „Es wäre ein großer Schritt, wenn die Gesellschaft diesen Instinkt ablegen zu können und den Schuldgedanken abzulegen.“

>>> Der Dokumentarfilm "Thorberg" wird am Donnerstag, 8. Mai, im ehemaligen Polizeigefängnis Klapperfeld, Klapperfeldstraße 5, gezeigt. Anwesend wird auch der Filmemacher Dieter Fahrer sein, der im Anschluss mit dem Publikum über sein Werk diskutieren wird. Beginn: 19.30 Uhr.

(Bild: Szene aus dem Film "Thorberg" von Dieter Fahrer.)
 
8. Mai 2014, 10.10 Uhr
Lukas Gedziorowski
 
 
Fotogalerie:
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