"Der alte Tänzer" in Darmstadt

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esther boldt /

Eigentlich kommt das Alter im Theater nicht vor. Doch die zunehmende öffentliche Debatte zeitigt ihre Spuren: So schrieb Tankred Dorst jüngst „Ich bin nur vorübergehend hier“, das derzeit vom Laiensclub im schauspielfrankfurt gespielt wird. Und Tomo Mirko Pavlovic, Stuttgarter Autor, Journalist und Literaturwissenschaftler, begann bereits in den 90er Jahren seine Dramen-Trilogie. „Ich bin über das Theatersehen zum Schreiben gekommen, da fällt einiges auf – beispielsweise, dass das Alter keine Rolle spielt. Dabei kann die Beschäftigung mit dem Alter sehr produktiv sein.“ Der erste Teil der Trilogie, „Elternzeit“, widmet sich dem ‚Kinderschwund’, der zweite, „Der alte Tänzer und ich haben Liebe gemacht“ dem Generationenkonflikt. Im dritten wird es um Sicherheit gehen.
Mit „Der alte Tänzer“ wurde Pavlovic 2006 zum Stückemarkt des Berliner Theatertreffens eingeladen, nun folgt die Uraufführung am Staatstheater Darmstadt. Im Stück lässt er in einer nahen Zukunft einen forcierten Clash der Generationen stattfinden: Wer keine Kinder hat und eine große Wohnung, muss alte Menschen aufnehmen. So findet der wohltrainierte Yuppie Björn, als er von einer Geschäftsreise zurückkommt, in seiner Wohnung drei Alte vor: Maier, der geistig an der Westfront hängen geblieben ist, Trude, die sich gerne erotischen Phantasien widmet und Alfons, den alten Tänzer. „Am Anfang steht ein Experiment“, so Pavlovic, „Was passiert, wenn der Staat aussteigt? Für mich ging es darum, über einen dreifachen Tod zu schreiben: über den gesellschaftlichen, bevorstehenden Tod, über den körperlichen Tod der Alten und den Tod einer Beziehung.“ Dieses dreifache Sterben durchlaufen seine Figuren hochkomisch, in ihnen prallen Stereotype aufeinander, konfrontieren sich mit ihren Lebensmodellen und springen wieder auseinander. „Indem ich es überzeichne, kann ich vielleicht darüber lachen und nicht dem negativen Verfall anheim fallen. Ich wollte auch nicht den Unsterblichkeits-Angeboten folgen, die das Leben gerade macht: Kinderkriegen, Sport treiben.“ So bietet „Der alte Tänzer“ auch keine Lösung an, bringt eher Figuren und Klischees
auf Kollisionskurs. Die Generationen versöhnen sich nicht, sie lernen auch nicht voneinander. Und doch erzählt Pavlovics Text mehr als jeder Feuilletonartikel darüber, was verloren geht, wenn uns die Alten mit der Geschichte und den Geschichten, die sie tragen, aus dem Visier rutscht.


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