“Hast du gesehen, was für schöne Haare der hat?” Dieses Statement eines jungen männlichen Zuschauers nach dem ersten Deutschlandkonzert des britischen Popkünstlers Mika zeigt deutlich: Michael Holbrook Penniman, wie er mit vollem Namen heißt, ist ein szene- und geschlechtsübergreifender Entertainer. In die Höchster Jahrhunderthalle gekommen sind Teenager, Paare Mitte 30, Single-Frauen und jede Menge Gays - eine bunte Mischung zwischen 13 und 43, die irgendwie ja auch zur Musik des 24-jährigen passt.
Aber der Reihe nach. Zuerst durfte das französische Trio Yelle das Publikum mit seinem elektronischen Plastic-Bertrand-Achtzigerpop für die Techno-Generation anheizen, dann folgten erst einmal 45 Minuten Umbaupause. Das Publikum murrte bereits, als Mika schließlich seine Deutschlandpremiere mit einer fulminant inszenierten Eröffnung zelebrierte, bei der ein erotischer Engel von der im Stile eines Zirkuszeltes dekorierten Bühne herabstieg. Wie ein hyperaktiver Flummi hüpft der schlaksige Sänger über die Bretter, erste schrille “Mikaaaaa!”-Schreie minderjähriger weiblicher Fans werden hörbar (vielleicht sind auch ein paar männliche darunter). Natürlich hat er alle Songs seines Debütalbums “Life in Cartoon Motion” dabei, “Relax”, “Big Girls”, “Grace Kelly” - fette Ohrwürmer, die auch vor kindlichen “Ladida”-Refrains nicht zurückschrecken. Schnell und etwas hektisch wirkt das alles, ein wenig erinnert es an eine Fernsehshow, die von einer Nummer zur nächsten sprintet, Mika joggt über die Bühne, rennt, hüpft, parliert zwischen den Stücken charmant auf Deutsch. Das hat er einige Jahre studiert, und sein damaliger Lehrer hieß “Norbert”.
Natürlich bleiben die Freddie Mercury-Assoziationen nicht aus, denn der Sänger hat nicht nur Glitzer am Hemd, sondern spreizt sich auch gerne in choreographierten Gesten, von weiter weg könnten man ihn aber auch mit einer dauerlächelnden jungen Ausgabe von Thomas Anders verwechseln. Seine weißen Zähne blinken bis in die letzte Reihe. Der Spaßfaktor wächst mit jedem Vortrag, es wird fleißig geklatscht, das Publikum singt eifrig mit und gerät bei jedem Showeffekt mehr aus dem Häuschen. Es gibt aufblasbare Puppen, eine überdimensionale Marionette mit Totenschädel stakst auf die Bühne, Mika steht bibbernd unter einem Regenschirm, während der Schnee von oben fällt. In der Zugabe dann ein Schattenspiel mit kopulierenden Tierchen, die von einem Karate-Hasen in die Flucht geschlagen werden, bis dieser von einem Krokodil erschossen wird. Mika ist das Krokodil und singt im Kuscheltierkostüm “Lollipop”, es regnet große Luftballons von der Decke, den Rest besorgen mächtige Konfettikaskaden. Vielleicht hat der Kerl ja einen Sandmännchen-Komplex - jedenfalls war das wohl der größte Kindergeburtstag, den die ehrwürdige Jahrhunderthalle seit langem gesehen hat. Und ja, der Mika hatte schöne Haare. Und prima gesungen hat er. Und toll sah er aus. Und gefreut hat er sich. Wir auch - und schütteln uns das Konfetti von den Klamotten. Andreas Dosch