Wenn heute um 16 Uhr Die Linke auf dem Frankfurter Kurfürstenplatz ihre Wahlkampftour startet, sind alle Parteien mittendrin im Wahlkampf. In knapp drei Monaten wird gewählt, der 27. Januar 2008 wird der große Test für die CDU-Landesregierung von Roland Koch. Schwieriger als vergangenes Mal, als Koch die absolute Mehrheit holte, wird es allemal. Das hat auch der Ministerpräsident erkannt: er warnt allenthalben vor der rot-rot-grünen Gefahr, malt das Gespenst des Kommunismus an die Wand. "Wir haben es hier mit stinknormalen Kommunisten zu tun", sagte er gestern auf dem Parteitag in Stadtallendorf in Richtung Linke. Plakativ ist dieses Bild, ganz stimmig jedoch nicht: Der Spitzenkandidat der Linken ist Willi van Ooyen, parteilos und als Organisator der Ostermärsche bekannt geworden. Dennoch schimpfte Koch: das Bündnis aus "„linkester SPD, den linkesten Grünen und den Alt-Kommunisten der Linken" sei "eine Bedrohung für unser Land."
Die CDU Hessen setzt dem aber nur ein teilweise konservatives Programm entgegen. Die Bildungspolitik, großer Aufhänger von SPD, Grünen, Linken und FDP, spielt auch bei der Union eine tragende Rolle. 2500 Lehrer will die CDU im Falle eines Wahlsiegs einstellen. Außerdem sollen Betreuungsplätze für Kindergärten nach und nach kostenlos werden. Gleichzeitig sollen Millionen in den Straßenbau fließen, der Ausbau des Frankfurter Flughafens soll vorangetrieben werden und das Atomkraftwerk Biblis länger als nach dem Atomausstieg geplant laufen. Die "Verspargelung" des Landes durch Windkraftanlagen lehnt die CDU hingegen ab. "Die oder wir", so scheint die Devise Roland Kochs bei der kommenden Wahl zu lauten.
SPD-Spitzenkandidatin Andrea Ypsilanti scheint darauf bislang noch nicht vollends einzugehen. Sie hat ein Expertenteam um sich geschart, dass es durchaus schafft Aufmerksamkeit mit Inhalten zu setzen - etwa mit dem Energieexperten Hermann Scheer, Träger des alternativen Nobelpreises und Vorsitzender von Eurosolar. "Sie reden immer von einer bürgerlichen Mehrheit", warf er Wirtschaftsminister Alois Rhiel vergangene Woche bei einer Diskussion im Frankfurter PresseClub zu. "Doch was heißt denn das: sind wir nicht alle Bürger." Im Übrigen, so Scheer, halte er durchaus noch andere Konstellationen als die von Koch verteufelte Rot-Rot-Grüne für möglich. Da gebe es schließlich auch noch die FDP. Tatsächlich äußerte sich deren Vorsitzender Jörg-Uwe Hahn vor eineinhalb Jahren durchaus aufgeschlossen gegenüber anderen Koalitionen als einer mit der CDU.
Die Linke, die laut den letzten Umfragen zwischen vier und fünf Prozent pendelt, könnte den Einzug in den Landtag jedenfalls schaffen und damit die Mehrheitsverhältnisse durcheinanderwirbeln. Und noch ein Akteur hat sich auf der landespolitischen Bühne zurückgemeldet: die Freien Wähler nehmen erstmals seit 1978 wieder an einer hessischen Landtagswahl teil - einst waren sie nicht sehr erfolgreich: sie erreichten nur 0,2 Prozent der Stimmen. 30 Jahre später sieht das freilich ganz anders aus. Auch wenn derzeit kein Meinungsforschungsinstitut den Freien Wählern Chancen einräumt, ins Parlament einzuziehen, so könnten sie doch der CDU Stimmeneinbußen bescheren. "Wir sehen uns bei fünf Prozent plus x", sagt der wiedergewählte Landesvorsitzende Thomas Braun selbstbewusst. Die Freien Wähler wollen sich insbesondere für den Abbau von Bürokratie und Privilegien einsetzen. So sollen Lehrer ihren Beamtenstatus verlieren und häufiger kontrolliert werden. Die Studiengebühren möchten sie abschaffen und auf die Durchsetzung des Nachtflugverbotes pochen.
Letzteres haben auch Grüne und SPD als Thema neu entdeckt, nachdem Roland Koch sein diesbezügliches Versprechen in den vergangenen Tagen aufweichen musste. Ob der Flughafenausbau, die Bildungs- oder die Energiepolitik das beherrschende Wahlkampfthema wird? Man weiß es nicht. Derzeit ist die Wahl bei den meisten Hessen noch nicht präsent und Politik in der Vorweihnachtszeit zu vermitteln gilt allgemein als schwierig. Zum Showdown dürfte es also erst im Januar kommen. Und wer künftig in Hessen mit wem regiert, das ist keineswegs ausgemacht. Lagerwahlkampf hin oder her: Nach der Wahl ist vor der Wahl.