Die Saisonpremiere unter dem neuen Trainer ist schon einmal gelungen. 2:0 gewonnen beim „Angstgegner“ in Freiburg. Am Sonntag folgt das erste Heimspiel gegen Essen am Brentanobad und eine hoffentlich erfolgreiche Saison.
Detlef Kinsler /
Drei wichtige Entscheidungen haben Colin Bell früh auf den Weg und schließlich nach Frankfurt gebracht. Der Umzug von der Insel auf den Kontinent nach Deutschland. Der Wechsel von Spieler zum Trainer und schließlich vom Männer- zum Frauenfußball. „Der damalige neue Trainer von Leicester City wollte mich nicht mehr haben“, erinnert Bell an sein Engagement in seiner Heimatstadt. Da war der Verteidiger erst 21. „Ich hatte dann verschiedene Angebote aus der 3. und 2. Liga in England, auch aus Australien, Neuseeland, Finnland, dann Deutschland. Ich dachte die Deutschen können auch ordentlich Fußball spielen“, lacht er. „Ich hatte vorgehabt ein Jahr, höchstens 2 Jahre hier zu bleiben, dann ist alles anders gekommen. Inzwischen lebe ich 31 Jahre in Deutschland, bin länger hier als ich in England gelebt habe.“ Zu seinen Stationen gehörten als Spieler VfL Hamm/Sieg, TuS Schloß Neuhaus, FV Bad Honnef, Eintracht Trier und Mainz 05, als Co-Trainer und Trainer dann TuS Koblenz, 1. FC Köln, Dynamo Dresden, SV Waldhof Mannheim, VfL Hamm/Sieg, Preußen Münster. „Es war schon als Kind mein Traum Trainer zu sein“, erzählt Bell warum er schon mit knapp 30 die Seiten wechselte. Sein Vorbild als Spieler war Namensvetter Colin Bell, der Mann mit dem Pilzkopf bei Manchester City. „Johan Cruyff war mein absoluter Lieblingsspieler, als Trainer bin ich geprägt von Bill Shanky von Liverpool, Matt Busby, Alf Ramsey, Don Revie von Leeds United, und vor allem auch Brian Clough, den habe ich geliebt.“ Zwei Jahre spielte er noch bei Mainz 05. „Dann bekam ich die Möglichkeit TuS Koblenz zu übernehmen. Ich wollte aber kein Spielertrainer sein. Ich war ja erst 29, noch fit und hätte auch spielen können.“ Aber wenn Trainer, dann nur Trainer sagte er sich. „Manchmal habe ich mich noch aufgestellt, aber ich war kein Spielertrainer. 89/90 habe ich meine Trainerlizenz in Köln gemacht, als erster Engländer in Deutschland.“
Der Wechsel vom Männer- zum Frauenfußball funktionierte nicht so smooth wie die beiden just beschriebenen Übergänge. „Das war so nicht geplant, kam durch die prekäre Situation damals bei der TuS, Zwangsabstieg, finanzielle Probleme, keiner wusste wie es weitergehen sollte“, bekennt Bell. Bei einem Trainerlehrgang lernte der Brite den damaligen Präsidenten SC 07 Bad Neuenahr, Bernd Stemmeler kennen. „Er hat mich dann gefragt, ob ich mir vorstellen könne, Bad Neuenahr zu trainieren und meine Antwort war direkt und deutlich: Nein! Aber er ist am Ball geblieben, hat nicht locker gelassen, ich habe mir ein paar Spiele angeschaut und dachte, da kann man etwas machen.“ Dass er sich bei seiner Premiere im Publikum in Duisburg hinter der Currywurstbude versteckte, um sein Incognito zu wahren, gibt er unumwunden zu. Ein Grund warum er sein anfangs striktes Nein revidiert, lag auch im Reiz, dem Frauenfußball weiter auf die Spur zu helfen. „Denn da war noch viel Luft nach oben.“ Da konnte man auch gut gemeinte Warnungen von „Freunden“ überhören, die zu bedenken gaben: Einmal Frauenfußball, immer Frauenfußball. Bell erlebte das anders: „Nach zwei Jahren Bad Neuenahr kamen wieder Angebote aus dem Männerbereich, sogar von einem Traditionsverein, aber dann kam der 1. FFC und für mich war klar, das will ich.“
Am 6. Juni wurde Colin Bell bei einer Pressekonferenz im Relexa Hotel als neuer Trainer des 1. FFC vorgestellt. Nach einer tubulenten Saison am Brentanobad mit zwei Trainerentlassungen (Sven Kahlert und Philipp Dahn) schaffte der Club nach einer Aufholjagd fast noch die Champions League-Qualifikation, verspielte sie dann aber im letzten Match doch noch durch eine Niederlage gegen den FC Bayern München, Eine weitere Saison ohne Titel und die nächste ohne Europa – ein Topmann musste her und da deuteten Manager Siegfried Dietrich und Präsident Bodo Adler Colin Bell aus. Denn der entspräche dem „Anforderungsprofil“ des 1. FFC voll und ganz wie das Führungsduo betonte. „Colin Bell ist die starke Trainerpersönlichkeit, die wir für die Herausforderungen der nächsten Saison gesucht haben.“ Bell seinerseits freute sich riesig auf diese neue Aufgabe und war sehr glücklich über diese Chance. Der Erwartungshaltung der Vereinsführung sei er sich voll bewusst. „Diese Herausforderung ist für mich aber eine zusätzliche Motivation", betonte Bell. „Das sind Topmädels in der Mannschaft. Ich will da ansetzen, dass sie ihr volles Potential abrufen und umsetzen können." Die glücklich verlaufene EM in Schweden spielt ihm da trotz dadurch kurzer Vorbereitungszeit mit der ganzen Mannschaft in die Karten. „Aber die Wahrheit liegt auf dem Platz", zitiert er Otto Rehhagel. „Es gibt eben Dinge, die bleiben in 100 Jahren gleich. Und die Leistung muss Woche für Woche überprüft werden." Zur Philosophie des 52-Jährigen gehört auch, dass „Fußball eigentlich ganz einfach ist." Es geht darum, Tore zu verhindern und Tore zu erzielen. So far, so good, käme da nicht noch der Mensch ins Spiel. Denn der ist komplex, ein Mannschaftsgefüge noch komplexer. Was er selbst verkörpert, erwartet er auch von seinem Team: „100% Einsatz, 100% Leistung, 100% Leidenschaft.“ Dabei habe er aber immer zuerst den Menschen im Blick. Das Zwischenmenschliche muss stimmen, Vertrauen aufgebaut werden. „Ich muss im Herz ankommen.“ Und niemand soll das Gefühl haben, er werde allein über den Erfolg definiert. „Wenn man ein Spiel verliert, muss man sich deshalb nicht wertlos fühlen", erklärt Bell und baut auf ein gesundes Selbstwertgefühl, macht aber keinen Hehl daraus: „Ich bin Fußballer durch und durch und will immer gewinnen!“
In Frankfurt trifft er auf viele erwachsene Frauen, die eine klare Meinung haben und fest im Leben stehen. „In Bad Neuenahr wurden noch viele Spielerinnen vom Papa zum Training gebracht", spielte er im Gespräch auf seine junge Mannschaft im Rheinland an, mit der er wunderbar harmonierte und die ihn nur ungern ziehen ließ. „Ich muss sehen, wie ich die Frankfurterinnen erreichen kann. Jede hat ihr Ego, das muss man manchmal auch streicheln. Aber die Mannschaft steht über allem", bezieht er klar Position und baut auf Teamspirit. Wenn ein Ego größer als die Mannschaft ist, wird es Gespräche geben müssen, vielleicht auch mal einen dezenten Tritt in den Hintern. Bell hat in Frankfurt – und das unterstreicht auch Dietrich – „den Hut auf". „Wir haben keinen Zweifel daran, dass er die richtigen Stellschrauben finden wird", versichert der Manager. Für die Champions League-Quali 2014.b Auch wenn die Konkurrenz größer geworden ist. Denn mit Potsdam und München gibt es weitere Wolfsburg-Jäger, und auch andere Mannschaften könne sich als Stolpersteine erweisen. „Lassen Sie die Glocken läuten, Mr. Bell", konnte sich Dietrich einen Scherz zum Ende der ersten gemeinsamen Pressekonferenz nicht verkneifen. Ich setze einen drauf. Wenn dann die Saison am 8.6.2014 erfolgreich beendet wird, könnte man „Saved By The Bell" über die Boxen am Brentanobad laufen lassen. Nur ob Robin Gibb den Geschmack des Trainers treffen würde? Der war am Vorabend seiner Vorstellung zur Einstimmung bei Depeche Mode in der Commerzbankarena („Fantastisch!") und Ende Mai bei Rammstein in Berlin. Ein echter Rock'n'Roller.
Denn Musik, das ist für den Engländer Bell ein wichtiger Ausgleich im Leben. „Musik ist ganz wichtig für mich. Ich liebe Musik, natürlich auch unterschiedliche Musikrichtungen. Aber Gary Numan aus England ist mein absoluter Liebling, ein persönlicher Freund sogar. Ich habe ihn der Batschkapp gesehen, 1998, eine Woche später lernte ich ihn persönlich kennen im Kölner Prime Club. Da war ich Co-Trainer beim 1. FC Köln, ich schenkte ihm ein Trikot mit seinem Namen drauf. Bis morgens um 4 saßen wir im Hotel zusammen, haben geredet geredet geredet. ich war mit in Amsterdam, in Basel, Berlin, backstage, bei den Proben, habe auf den Keyboards mitspielen dürfen, wurde zur Playlist befragt, was sollen wir spielen...? Eine geile Sache“, schwärmt er. „Ich liebe einfach diese Atmosphäre.“ Aber Bell ist nicht nur liebend gern auf Live-Konzerten, sondern nimmt auch Unterricht beim Gitarristen der Rammstein-Coverband Völkerball im Westerwald. Beim Original in Berlin regnete es übrigens nonstop während des Open Airs. „Aber das war total egal“, ließ sich Bell vom Wetter nicht abschrecken. „Du saugst das alles auf, um auf andere Gedanken zu kommen und Ideen zu entwickeln. Was mich an Musik total begeistert: es bringt Menschen zusammen und verbindet Menschen. Man kann so vieles ausdrücken durch die Musik, sein Herz öffnen, seine Ideen preisgeben, experimentieren, ein paar verrückte Dinge machen. Ich liebe auch Kraftwerk, die fast klischeemäßig das Deutsche, das Genau, das Pünktliche, Robotermäßige verkörpern. Dieses Bild hatte ich früher von den Deutschen.“