Baumärkte haben eine neue Klientel für sich entdeckt: Frauen. Daher bietet die meisten mittlerweile, wenn auch in unregelmäßigen Abständen, kostenlose Heimwerker-Workshops für Frauen an. Wir haben mitgemacht.
Nicole Brevoord /
In den meisten Frauenhaushalten heißt die Devise „Der Mann im Haus ersetzt den Zimmermann“. „Ich will aber nicht immer meinen Freund oder den Nachbarn um Hilfe fragen, wenn ich ein Ikearegal an die Wand dübeln will“, sagt Silke, eine junge Studentin, die mit mir und 78 anderen Frauen an dem Workshop „Women at work“ von Hornbach teilnimmt. Nach dem erfolgreichen Workshop im vergangenen Jahr bietet der Baumarkt nun eine zweite Auflage an. Frauen konnten sich für zwei kostenlose Workshops am Freitagabend anmelden und hatten die Wahl zwischen kreativ Wände gestalten, Tapezieren, Fliesen oder auch Laminat verlegen, den Hitachi-Werkzeugführerschein oder Dübeln und Wandbefestigung. Zähneknirschend habe ich mich nur für Wandgestaltung und das Dübeln entschieden, zwei Kurse jedoch, die aufgrund der hohen Nachfrage gleich doppelt angeboten wurden.
Es ist Freitagabend 20 Uhr, im Hornbach in Fechenheim werden die Lichter gedimmt und während die meisten Frankfurter auf die Piste gehen, versammeln sich 80 Frauen zwischen 18 und 68 Jahren um zehn Bierzeltgarnituren und schlürfen ein Gläschen Sekt. Was Hornbach „Women at Work“ nennt, heißt bei Bauhaus „Women’s Night“ und bei Obi „Hammerfrauen Workshop“. Allen gemeinsam ist, dass die Baumärkte erkannt haben, dass immer mehr Frauen nicht nur mit Wimpernzange und Zehenspreizer hantieren können, sondern auch mal lästige Reparaturen in der Wohnung selbst erledigen oder kleine Heimwerkerprojekte ohne männliche Hilfe stemmen wollen. „Unser Ziel ist es Kunden zu gewinnen und zu motivieren, Projekte selbst zu machen. Letztlich ist es Werbung und Marketing. Die Damen wollen testen wie vieles funktioniert, sie können Fragen stellen und alles ausprobieren. Das wäre in einem gemischten Workshop ganz anders. Nur weil wir die Kurse getrennt nur für Frauen anbieten, sind sie so erfolgreich“, sagt Marktleiter Waldemar Hein.
Der Ansturm ist riesig 200 Anmeldungen habe es gegeben, sagt Hein, in Nieder-Eschbach seien es sogar 400 gewesen. Man habe der Hälfte der Interessentinnen aber absagen müssen. Denn im Hauptgang des Baumarktes sind für jeden Workshop Stationen aufgebaut worden, woran jeweils immer nur um die 15 Personen üben können. Nach ein paar einführenden Worten sagt Hein: „Haut rein Mädels!“ und voller Tatendrang erstürmen wir die Stationen.
Bei der kreativen Wandgestaltung erklärt uns Herr Engelhard wie man Struktureffektfarbe mit einem Erbslochroller aufträgt. Allein das Vokabular muss man drauf haben! Aus großen Eimern nimmt er mit dem schwammigen Roller zuerst eine graue und später eine teracottafarbene Maße auf, die er jeweils ziemlich dick auf ein Sperrholzbrett aufträgt, während er erklärt, dass es sich dabei um Farbe handelt, die mit Sand und Kunststoffen versetzt wurde und Wänden eine sehr effektvolle Optik verleiht. Man könne sich also für die graue Betonoptik, die sich Loft nennt oder für die mediterrane Variante entscheiden. „Die Angaben für die benötigten Mengen sind immer etwas blauäugig. Steht 12 Quadratmeter drauf könnte es letztlich für nur 10 reichen“, sagt Engelhard und glättet die breiige Oberfläche auf der Holzplatte mit den geschickten Schwüngen seiner Kelle.
Alles eine Frage von Geduld Als nächstes erlernen wir die Schablonentechnik, mit der man etwa Schmetterlinge auf die Tapete aufbringen oder die Wände mit Blumenborten verzieren kann. „Die Farbe muss mit mit einem Schablonierpinsel aufgetupft und darf nicht gerollert oder gestrichen werden, sonst läuft die Farbe runter“, mahnt Engelhard und ergänzt: „Mit Schablonen arbeiten ist einfach, aber zeitaufwendig.“ Wir Damen merken, als wir selbst Motive aufbringen, dass da ordentlich Geduld gefragt ist. Puuh! Wir helfen uns gegenseitig und geben Tipps, etwa dass man lieber mit der Farbe sparsam umgeht, weil das eine viel schönere Wirkung erzielt. Es folgt eine Führung durch die Rollputzabteilung im Baumarkt, wo uns verschiedenen Putzsorten gezeigt werden. Für Begeisterung sorgt die durchsichtige Farbe mit Glitzerpartikeln, mit der man den Putz veredeln kann. Oh wie schön! Irgendwie ist man dann doch ein Mädchen! Auch ein Finnish mit Perlmut-/Seideneffekt gefällt sofort.
Nach der Pause geht’s weiter Nach einer Stunde gibt es eine Pause, jeder knabbert an seiner Brezel, dazu werden kostenlos Getränke gereicht und danach geht es gestärkt zum zweiten Workshop. Beim Dübeln erklärt uns Herr Senger, dass sogenannte Bizepsdübel für 60er- Jahre-Hohlraumsteine perfekt sind. Manche aus meiner Gruppe halten danach zum ersten Mal eine Bohrmaschine in der Hand und durchlöchern mit wachsender Begeisterung Rigipswände, Beton und Ytongsteine. Die Vielfalt an Dübeln ist verblüffend, für jede Wandart oder Decke gibt es eine andere ideale Variante. So ermöglichen, wie uns Herr Senger erklärt, Akrobatdübel es, sogar Küchenschränke an Rigipswände zu befestigen, weil sich die Metalldornen sternförmig in die Oberfläche krallen.
Es wird viel gelacht beim Workshop, etwa als eine der Teilnehmerinnen die Bohrmaschine abpustet als wäre es ein rauchender Colt oder als eine Frau die Frage ihres Mannes ausrichtet, weil er selbst noch einiges zu lernen hätte. Ein paar Tricks und Kniffe nimmt jeder an diesem Abend mit nach Hause und sei es nur der, ein Pappkartönchen mit Kreppband unter die Bohrstelle zu kleben, in der der Staub aufgefangen wird. „Das ersetzt prima teure Bohraufsätze“, erfahren wir. Und als Herr Senger uns über den Glasbohrer aufklärt, mit dem man Kacheln durchbohren könne, kommt meiner Mitstreiterin gleich eine Idee: Damit kann ich ja auch Omas Geschirr durchbohren und daraus Blumentöpfe oder Etageren machen! Zum Abschied bekommt jeder noch ein paar Werbeartikel und eine Urkunde in die Hand gedrückt. Darauf steht: „Das handwerkliche Rüstzeug für Deine künftige Projekte hast Du Dir heute erworben. Jetzt ist es Zeit, dass Du die Welt veränderst.“ Okay, dann fange ich gleich mit einer Blumenborte in Schablonentechnik im Gästeklo an.
Jahrgang 1974, Publizistin, seit 2005 beim JOURNAL FRANKFURT als Redakteurin u.a. für Politik, Stadtentwicklung, Flughafen, Kultur, Leute und Shopping zuständig