Von der Kluft zwischen Arm und Reich

Lauter gute Darsteller in "Good People"

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Das English Theatre zeigt derzeit eine Deutschlandpremiere: „Good People“ von Pulitzer-Preisträger David Lindsay-Abaire. Ein aufwendiges Bühnenbild und brillante Darsteller machen das sozialkritische Stück sehenswert.

Nicole Brevoord /

Wenn man nur hart genug arbeitet, dann kann man es ganz weit bringen, selbst vom Tellerwäscher bis zum Millionär. Der Amerikanische Traum – für Mike (herrlich snobbistisch und später cholerisch: Kevin McGowan) hat er sich bewahrheitet. Der Arzt wurde im heruntergekommenen Arbeiterviertel Southie im Süden Bostons groß und schaffte den Absprung. Jetzt lebt er im noblen Beacon Hill. Gute Arbeit, Charakterstärke und die richtigen Entscheidungen, das glaubt er, braucht es für eine solche Karriere. Seine Jugendliebe, Margie (großartig gespielt von Janet Greaves) mit dem bösen Mundwerk und der fixen Vorstellung von den anständigen Leuten, den Good People also, hatte indes nach der Trennung von ihm weniger Glück gehabt. Soeben hat sie wieder einen Billiglohnjob als Kassiererin verloren, jetzt muss sie zusehen, wie sie sich und die geistig zurückgebliebene Teenagertochter Joyce durchfüttert. Ob ihr der einstige Liebhaber aus der Patsche hilft? Und was wohl seine Frau Kate (Gracy Goldman) dazu sagt, wenn sie erfährt, dass Mike und Margie mal ein Paar waren?

Das durch Situationskomik aufgelockerte Drama des Pulitzerpreisträgers David Lindsay-Abaire ist eine bissige Milieustudie mit vielen unerwarteten Wendungen. Eine Drehbühne mit einem opulenten Bühnenbild veranschaulicht brillant die Kluft zwischen der amerikanischen Unterschicht und den Karrieristen. Unterbrochen von kurzen Musikeinspielungen wechseln die Szenerien. Wo eben noch der verwahrloste Hinterhof des „Family Dollar“-Stores zu sehen ist, in dem der unbeholfene Stevie (glaubhaft verkörpert von Will Close) der dauernd brabbelnden Margie versucht beizubringen, dass er sie entlassen muss, öffnet sich wenig später der Blick in die Küche, in der Margie ihren Freunden ihren Kummer mitteilt. Und - schwupps - befinden wir uns im noblen, mit Designmöbeln ausgestatteten, Wohnzimmer von Mike und seiner bezaubernden Frau Kate (Gracy Goldman). Diese episodenhafte Ästhetik erinnert an Fernsehsitcoms, sorgt für Kurzweile und erleichtert es dem Publikum, sich in die einzelnen Rollen hineinzuversetzen.

Das britische Ensemble hat zu großen Teilen Fernseherfahrung gesammelt, was dem Stück nur zuträglich sein kann, denn die Charaktere sind klar definiert – unfassbar lustig skizziert ist etwa Dottie (Fiz Marcus), die Bingo spielende Vermieterin Margies, die skurrile Häschen bastelt und auch mal mit Lockenwicklern im Haar herumläuft. Das ist wirklich eine Klasse für sich.

Auch gelingt es den Darstellern von Mike, Kate und Margie im Luxuswohnzimmer stehend perfekt, diese Anflüge von Peinlichkeit, die das Zusammentreffen der ungleichen Personen mit sich bringt, zu transportieren. Als Zuschauer leidet man richtig mit und Möglichkeiten zum Fremdschämen gibt es auch, weil Margie nun mal kein Blatt vor den Mund nimmt und so noch mehr sehenden Auges in ihr Unglück rennt. Selten ist der amerikanische Klassenkampf so unterhaltsam in Szene gesetzt worden.

Good People läuft im English Theatre in der Gallusanlage 7 bis zum 5. Juli. Die Tickets kosten 22 bis 34 Euro, ermäßigt zwischen 14 und 17 Euro.


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