Nach großen Protesten hat sich die ARD nun doch dagegen entschieden, den Xavier Naidoo als Kandidat zum Eurovision Song Contest zu schicken. In Frankfurt regte sich daraufhin Solidarität mit dem Sänger.
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Der Konzertveranstalter Marek Lieberberg, der Xavier Naidoo seit Jahren freundschaftlich wie geschäftlich verbunden ist, schrieb auf Facebook: "Ich bin zutiefst erschüttert über die unglaubliche Hetze, die widerliche Heuchelei und den blinden Hass, für die es keinerlei Berechtigung gibt! Als Mensch und deutscher Jude, der den Vorzug hatte, mehr als 20 Jahre in seiner Nähe zu sein, habe ich noch nie das Gefühl gehabt, dass auch nur der Hauch eines antisemitischen, rassistischen, xenophobischen oder nationalistischen Sentiments existiert." Überschrift des Einwurfs: "Unglaubliche Hetze gegen Xavier Naidoo." Die Musikindustrie und die überwältigende Mehrzahl der Künstler stehe zu Xavier Naidoo und daran werde "die giftige Propaganda einzelner gehässiger Agitatoren" nichts ändern, so Lieberberg weiter.
Der Frankfurter Musiker Chima schreibt: "Ich kenne Xavier jetzt seit über fünfzehn Jahren persönlich und kann euch sagen, dass es im Musikbusiness wenige Charaktere gibt, die so geerdet, so konstant im Persönlichen, so positiv sind. Was wollt ihr von ihm? Der ESC ist eine riesige Musik-Show. Xavier ist einer der renommiertesten Musik-Künstler dieses Landes und handwerklich ein absolutes Ausnahmetalent. Die Aussagen, die jetzt den Sturm der Entrüstung auslösten, (sind) oft völlig aus dem Zusammenhang gerissen und einseitig beleuchtet." Der "Triumph des Gutmenschenmobs" nerve ihn total, die "nicht-existente Haltung" des NDR-Programmdirektors in dieser Angelegenheit sei "schlicht widerlich".
Die Nominierung von Herrn Naidoo als ESC-Kandidat währte kaum 48 Stunden. In dieser Zeit wurde gar nicht so sehr über das Für und Wider seiner Musik gestritten, wozu es ja auch Anlass gegeben hätte, trennt sie doch die Geschmäcker. Nein, der Sänger wurde von einem Teil der Öffentlichkeit unter anderem für homophobe und antisemitische Äußerungen kritisiert, Petitionen wurden gestartet und spätestens als die internationale Presse mit Schlagzeilen wie "Singer whose lyrics deride Jews to represent Germany at Eurovision" aufmachte, war irgendwie klar, dass die ARD einknicken würde; was natürlich Wasser auf die Mühlen derjenigen war, die schon immer der Meinung waren, dass man hierzulande nichts mehr abseits des Mainstreams sagen dürfe.
Die Homophobie lasen die Kritiker aus Zeilen des Liedes Wo sind sie jetzt mit Kool Savas heraus – beide Künstler stellten in einem Post vor drei Jahren klar, dass in dem Lied mitnichten Homosexuelle auf eine Stufe mit Pädophilen gestellt würden und das auch der Ruf nach "unseren Führern" keineswegs einen Diktator meint.
Hintergrund für den Vorwurf des Antisemitismus sind Textzeilen aus dem Song Raus aus dem Reichstag von 2009. Darin führt Xavier Naidoo recht pauschal Verquickungen zwischen Politik und Wirtschaft an und singt unter anderem: "Baron Totschild gibt den Ton an, und er scheißt auf euch Gockel / Der Schmock ist'n Fuchs und ihr seid nur Trottel." Auch wegen dieses Verweises auf die Familie Rothschild wird der Song gern in antisemitischen, rechtsradikalen und verschwörungstheoretischen Kreisen verlinkt. Nachdem er eine Demonstration von sogenannten Reichsbürgern besucht hatte, distanzierte er sich in einem Interview mit dem stern zwar von diesen Umtrieben, sagte aber, er sei überzeugt davon, dass Deutschland kein souveräner Staat sei. In dem Gespräch sagt er außerdem: "Mein Image war eh schon immer etwas verdreht. Man bezeichnete mich als homophob, als esoterischen Spinner und als religiösen Fanatiker. All das bin ich genau so wenig wie rechtspopulistisch."
Die Entscheidung der ARD, aus dem Vertrag mit auszusteigen, sei für ihn ok, schreibt Xavier Naidoo auf seiner Website. Und weiter: "Meine Leidenschaft für die Musik und mein Einsatz für Liebe, Freiheit, Toleranz und Miteinander wird hierdurch nicht gebremst."
Derzeit arbeitet Naidoo zusammen mit dem Frankfurter Musik-Produzenten Moses Pelham an der Fortsetzung seines Albums "Nicht von dieser Welt", das im kommenden Jahr erscheinen soll.