Beim Gang in die Braubachstraße gerät unsere Kolumnistin ins Träumen. Über Löcher in der Stadt und in der Stadtkasse, über Erneuerung, wo sie keiner braucht und dann gerne mit dem Antlitz des Reichs.
Ana Marija Milkovic /
Es ist wieder kalt geworden. Die Gangschaltung meines Kuwahara krächzt. Ich will in die Braubachstraße. Steht sie doch für Kulturwandel. Danach ist mir jetzt. Auch ein paar anderen in der Stadt. Unserer Monarchin ein Schnippchen geschlagen. Nimmt sie's doch mit Humor und schüttelt ein wenig den Kopf. Das Volk ist weitergezogen. Ein bisschen unartig, nicht in die vorgegebene Richtung. Kann passieren.
Auch an der Braubachstraße ist so manche Entwicklung vorbeigezogen. Hier startete einst die Kulturmeile. Mit großem Erfolg sind heute junge Galerien weg. Haben ganz aufgegeben oder die Kulturmeile verlassen. Zuerst war der politisch Verantwortliche weg. Dann das fördernde Interesse. Heute repräsentieren wir uns gesetzt. Wir schwören auf die Ewigkeit, Stein auf Travertin. So lustig wie die Postmoderne sind wir lange nicht mehr. So uneitel ausdrucksstark wie der Brutalismus auch nicht. Heute besuchen wir Altherrentreffen, gefallen uns selbst, teilen den Kuchen an immer wieder den selben Stellen.
Moderne, was geht? Besser ist das! Was? Biederkeit, rückwärtsorientierte Behaglichkeit! Die Revolutionäre von gestern durch die Instanzen planmässig im Ziel Ihrer Väter. Und das Gegenüber? Gesetztes konservatives Establishment - in Frankfurt gerne auch auf Zeit! Konservativer war nie! Beliebiger auch nicht!
Auch Udo hat den Kittel schon gepackt. Der Bär tobt nun in Berlin. Da bleibt nicht viel. Die letzten Bierflaschen vor dem alten Portikus, beseitigt! Der Portikus zieht vom Container in den Turm. Verzerrte Perspektive in der Skyline: Von mancher Stelle gleichauf dem Dom! Ein Hoch auf unsere Stadtplanung und die Suggestivkräfte des Architekten. Wir reparieren die Stadt an jenen Stellen, die keiner Reparatur bedarf und ziehen Zitate, ein bisschen geschummelt und wenn's doch niemanden stört?
Die Stadt verändert ihr Gesicht. Hier ein Block, da ein schneller Abriss, dort ein Ehrenhof. Vorherrschend: Gestaltungsmittel des tausendjährigen Reiches. Nicht doch! Dennoch: Merkwürdige Entwicklung! Und plötzlich dann drückt's und erschlägt's. Nicht nur ein Turm die Alte Oper!
Auch die Braubach probt den Aufstand und hebt ihren Pegel. Bringt Baustellen zum Erliegen. Diskussionen um Kulturpaläste im Geiste der 90er plätschern so vor sich hin. Geduldig warten wir auf das Loch in der Kasse. So kreativ waren Löcher noch nie. Verhindern sie doch einigen reaktionären Unsinn. Wir wählen ab. Die Motive von gestern sind von gestern. Ich erreiche die Braubachstraße, gehe in die Margerete, trinke einen Tee. Das Loch gegenüber lässt träumen. So groß war Frankfurt schon lange nicht mehr.