Die Sinnhaftigkeit öffentlicher Architektur-Wettbewerbe erschließt sich unserer Kolumnistin nicht. Denn sie macht aus Verlierern Gewinner, wie sie bei der Gestaltung des IG-Farben-Campus erfahren musste.
Ana Marija Milkovic /
Sonntag. Kalt. Irgendwie ein bisschen raus, denke ich. Werfe den Pelz über. Ziehe den Hut verwegen ins Gesicht. Nun könnte ich auch als Räuber durchgehen. Im Fahrradraum hieve ich mein Fahrrad vom Haken. Streife meine Handschuhe über. Fahre los. Nicht ohne meinen griechischen Nachbarn etwas Freundliches, je nach Laune auch mal was Böses zuzurufen. Sie haben sich als Griechen der Dorade verpflichtet. Was soll's.
Ich will in den Westen. Ich weiß, mich erwartet da nicht wirklich etwas Neues. Auch wenn große Erwartungen geweckt wurden. Ich erinnere mich. 2002. Das Land wollte einen Campus bauen. Modern sollte er sein. Eine europäische Hochburg. Die Welt blickt auf uns. Das dachten zumindest ein paar Irrlichter. Die sollten nicht fehlen, in Goethes Stadt. Es kam anders. In einem intellektuellem Vakuum, das uns immerhin schon seit Jahren eint, ist die Zeit der Populisten groß. Wenn sie dann noch charmant um ihre Vorzüge wissen und das Gegenüber ihnen glauben mag, haben wir im Ergebnis ein Phänomen, das Poelzig seit ein paar Jahren unaufhaltsam im Grab drehen und Berlusconi Wahlen gewinnen lässt. Wer hier mit dem Finger auf seine Nachbarn zeigt, kennt seine eigene Stadt nicht!
War Poelzig, der Architekt des ehemaligen IG-Farben Verwaltungsgebäudes noch ein moderner unter seinesgleichen, sieht es heute nicht ganz so rosig aus. Wir hatten eben auch nur eine grossartige Chance, als entschieden wurde, diesem Ort akademischen Geist einzuhauchen. Europa sollte auf uns blicken und tut es nicht. Sind Ihnen busseweise Architekturinteressierte entgegengekommen, denen sie den Weg weisen mussten? Weit gefehlt! Ein Ort der Kontemplation wählt die Retrospektive. Unsere intellektuellen Fragen sind, wieviel Fenster verträgt ein Haus und wie schmiegt sich der Stein in welcher Verlegung um die sinnliche Öffnung? Wir streichen über den geflammtem Stein und denken uns, was für eine Eleganz, welch Schwere drückt uns hier ekstatisch nieder. Hier muss ein Teufel am Werk sein.
Ich erinnere mich, wir Architekten, die wir uns damals dem Wettbewerb stellten, mussten zu Beginn, denn Tradition in dieser Stadt verpflichtet, ihren vor die Nase gesetzten Mephisto fragen: "Willst du dich nun, um uns hier einzuführen, Als Zaubrer oder Teufel produzieren?" Mephistos Antwort: "Du glaubst zu schieben und du wirst geschoben". Des Architekten Mephisto Reputation: Eine vorausgegangene internationale, städtebauliche Campus-Niederlage, im ersten Rundgang. Und hier nun der teuflische Trick: Wie konnte Mephisto, hier noch Anonymus, haushoch aus dem Wettbewerb fliegen und durch welchen Zaubertrick durch die Hintertür wieder Einzug halten als Gestaltungssatzung Beauftragter für den Hochbaulichen Realisierungswettbewerb des Campus Westend? Zuvor baute er ein paar Häuser. Nach dieser Auszeichnung dann die ganze Stadt. Viel Feind, viel Ehr und gewusst wie, dankt Mephisto allen Beteiligten. Ein Hoch auf die Elite und "Dem Wahren Schönen Guten".