Hätten Sie's gedacht? So sehen Deep Purple heute aus.
Für mich war die letzte Woche – außer der vom JOURNAL empfohlenen, sanften und leisen Marianne – „Alte-Männer-Woche“ und dementsprechend laut-laut-laut. Das Rest-Testosteron wird offensichtlich in Schallwellen umgesetzt. Zuerst Johnny Winter. Vor ihm hat Eric Sardinas mit seiner Gruppe gespielt, der sich auch als Bluesrocker versteht, aber es ist ehrlich mehr Rock als Blues und ziemlich laut. Die Jungs machen sich auch recht gefährlich zurecht: sie tragen auf der Bühne Lederhüte. Das erinnert in Deutschland irgendwie an Erich Mielke, obwohl Eric Sardinas natürlich nicht so ein Mielke Hütchen trägt, sondern selbstverständlich einen schwarzen Cowboy-Hut aus Leder. Aber so richtig Schweiß und Pferdeäppel symbolisiert das einfach nicht.
Ach noch was: An der Kasse vom Mainzer KUZ war ein Schild: „Die Veranstaltung ist heute auf Wunsch der Künstler unbestuhlt“ (was ich gut finde, denn diese Musik kann ich im Stehen besser genießen). Kommentar der Herren vor mir an der Kasse, die auch nicht mehr ganz taufrisch sind: „Macht nix, ich brauch keinen Stuhl, habe die Stützstrümpfe an...“ Soviel zum Publikum.
Die Bühne war dann allerdings doch bestuhlt, denn Johnny Winter kann offenbar nur noch im sitzen spielen. Er macht einen völlig entrückten Eindruck: die Augen geschlossen, auf den Lippen ein ganz merkwürdiges nach innen gekehrtes Lächeln. Wie der alte Indianerhäuptling, der sich zum Sterben auf den Berg zurückgezogen hat. Gitarre spielt er aber noch sehr flott und auch in den ruhigeren Passagen immer noch sehr ausdrucksstark, die Finger funktionieren offenbar noch und er hat noch Feeling für seine Musik. Schön ist es, wenn er alte Bluesnummern spielt. Aber schon „Johnny Guitar“ gerät ihm zu laut und zu rockig und dann auch zu verschwommen und undifferenziert für meinen Geschmack. Das Publikum bleibt auch seltsam reserviert, es gibt einfach keinen Funken, der zwischen Künstler und Publikum überspringt. Der Mann, der Johnny Winter auf die Bühne führt und ihm auch von der Bühne runter hilft, versucht zwar das Publikum zu animieren, von wegen Johnny würde noch ein paar Stücke spielen, wenn wir ordentlich Johnny,Johnny rufen, aber es stellt sich keine Verbindung her und ich fürchte, das liegt daran, dass der Mann auf der Bühne ziemlich abgedreht ist und vor allem mit sich selbst zu tun hat.
Freitag dann Deep Purple. Das Konzert fing auch mit Jüngeren an. Gotthart. Über die hatte ich zwar schon was gehört (also mir war der Name bekannt und dass sie Hard Rock machen), aber ich hatte noch nie Musik von ihnen gehört. Sie sind natürlich auch ganz schön laut. Der Sänger ist ja sehr knuffig und sexy und der Gitarrist kann jede Menge tolle Tricks zum Beispiel hinter dem Rücken die Gitarre spielen und so Sachen. Ansonsten haben die Jungs die ganz alten Rockstar–Attitüden drauf: die Gitarren hängen ungefähr auf Kniehöhe, das Schlagzeug besteht aus geschätzten siebentausend Einzelteilen und man wundert sich, dass es all das überhaupt immer noch gibt. Es ist also nicht gerade super – innovativ was die Jungs machen, aber eins muss man ihnen dann auch lassen: was sie machen, machen sie gut. Sie sind gute Rocker und sie beherrschen ihren Job. Der Sänger kann schön singen, der Gitarrist spielt gut Gitarre und die beiden zusammen: Hut ab. Gotthart könnten au ch mehr als das, wenn sie wollten.
Deep Purple kommt mit vergleichsweise wenig Equipment aus. Das Schlagzeug ist ein klassisches Teil von Pearl, nicht einmal die Hälfte der Einzelteile wie die Vorgruppe. Die Musik: eben Deep Purple. Für meinen Geschmack ist das einfach zu viel Orgel und zuviel durcheinander. Gut gefallen hat mir der Bassist der sehr sauber spielt und gut mit dem Schlagzeuger harmoniert. Der Gitarrist kann’s natürlich auch. Aber das darf man wohl auch erwarten. Irgendwie hatte ich das Gefühl: nichts neues. Als letztes Stück „Smoke On The Water“ und ehrlich gesagt, die Zugaben habe ich mir gespart. Ich bin direkt von der Festhalle zur Ü-50 Party im alten Literaturhaus und du glaubst es nicht: das erste Stück, das sie gespielt haben, als ich ankam war: Smoke On The Water“. Und du wirst auch das nicht glauben: in der Disco zum Tanz gespielt ist es einfach besser als in der Festhalle. So ändern sich die Zeiten. (Alles andere wäre auch blöd).