„Die Piraten werden ein Prozent plus X erhalten“

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Nils Bremer /

piratenfoto

Wer das Logo der Piratenpartei noch nicht kannte, der wird es vielleicht am Wochenende auf den Hochhäusern Frankfurts gesehen haben. Wer den Slogan der Partei noch nicht kannte: „Klarmachen zum Ändern“. Ihre Agenda konzentriert sich auf staatliche Transparenz, Bildung und Bürgerrechte (mehr dazu auf der Webseite der Partei). Thorsten Wirth ist Gründungsmitglied der Piratenpartei und tritt auf Platz 2 der Landesliste der noch jungen politischen Gruppierung an. Der Frankfurter Informatiker spricht im Interview über das BKA-Gesetz, den nervenaufreibenden Wahlkampf und die politische Konkurrenz durch die Grünen.

Journal Frankfurt: Pünktlich zum Jahreswechsel wurde das BKA-Gesetz eingeführt. Das dürfte der Piratenpartei doch durchaus Aufmerksamkeit bescheren, oder?
Thorsten Wirth: Dieses Argument höre ich oft, und zumindest teilweise ist es richtig: Unter anderem wegen der Pläne von Schäuble und Co. haben wir uns schließlich vor zwei Jahren zusammengefunden. Wir bekommen Aufmerksamkeit, doch das Gesetz ist äußerst bedauerlich für unsere Gesellschaft.

Sorgt denn der Wahlkampf für steigende Mitgliederzahlen?
Thorsten WirthDas ist so. In Hessen haben wir mittlerweile rund 140 Mitglieder. Um eine Landtagswahl zu stemmen immer noch nicht wirklich viel. Von den Mitteln, die allein schon die Linkspartei zur Verfügung hat, können wir nur träumen. Das zehrt nicht nur an unserem Geldbeutel, sondern auch an den Nerven – neben Familie und Beruf noch Engagement für die Piraten zu zeigen, ist nicht leicht.

Lohnt sich denn der Aufwand überhaupt? Bei der vergangenen Hessenwahl vor einem Jahr hat die Piratenpartei gerade mal 7000 Stimmen bekommen, was 0,3 Prozent entsprach.
Wir gehen eigentlich mindestens von einer Verdopplung der Stimmen aus, ich bin sogar so optimistisch zu sagen: wir knacken die Ein-Prozent-Hürde.

Es gibt aber eine Fünf-Prozent-Hürde. Wozu das alles also?
Diese Frage kann man jedem Bürgerrechtler stellen. Die Antwort ist ganz einfach: Weil wir etwas verändern möchten. Und es ist ja auch erst ein Anfang, aber einer der positiv stimmt. Viele von uns haben aus einen computeraffinen Hintergrund, mir geht’s da auch nicht anders. Doch ich sehe auch, dass gerade die größeren Parteien und auch viele Bürger das Internet immer nur als Bedrohung sehen, weniger als großartige Möglichkeit, die Welt ein kleines bisschen besser zu machen. Wir wollen die schlechten Seiten des Internets gar nicht verschweigen, doch wehren wir uns dagegen, dass es zu etwas Bösem stilisiert wird.

Lassen sich die teilweise recht komplexen technischen und juristischen Sachverhalte, die dahinterstehen, überhaupt in einem Wahlkampf vermitteln?
Vielleicht hat die taz ja recht, die neulich schrieb, unsere Gründungsidee sei etwas verkopft. Andererseits sind die Probleme ganz konkret. Ich gebe mal ein Beispiel: die Frage von Lizenzrechten, also Patenten ist unserer Meinung nach ungeklärt. Wir lehnen Patente keineswegs ab, im Gegenteil: wer etwas erfunden hat, soll davon auch profitieren. Aber eben nur, wenn er es auch vermarktet. Viele Großunternehmen horten Patente lediglich, um im Fall der Fälle Wettbewerber wegzudrücken, sie setzen ihre Patente gar nicht ein. Das verhindert Entwicklungen, das behindert Neugründungen von Unternehmen und daran hängen Arbeitsplätze. Für Gesetzesänderungen in diesem Bereich zu kämpfen, ist natürlich jemandem, der gerade arbeitslos geworden ist, schwer zu vermitteln, doch wir glauben, dass diese nachhaltige Politik eine Zukunft hat. Softwarepatente oder Patente auf in der Natur gefundene Substanzen, behindern ebenfalls die Entwicklung eins freien Marktes, verhindern öffentliche Forschung und kosten unsere Gesellschaft Arbeitsplätze.

Müsste sich die Partei nicht dennoch anderen Politikbereichen öffnen, um mehr Wählerstimmen zu gewinnen?
Ich denke Folgendes: als sehr junge Partei stecken wir mitten in einem Lernprozess. So etwas bedeutet zunächst einmal Fragen zu stellen. Und da kommen wir recht schnell auf andere Themengebiete. Von der Information kommt man zur Macht, von der Macht zum Wissen und vom Wissen zur Bildung. Die liegt, wie übrigens auch die Kulturpolitik, im Spektrum unserer Kernthemen. Davon nun zu jedem Thema Stellung zu beziehen, davon halte ich persönlich nichts. Wie Dieter Nuhr schon sagte: Wenn man keine Ahnung hat, einfach mal Fresse halten. Es gilt aber: Wir haben gewisse Standpunkte, doch keinen Status quo und vor allem: nichts zu verlieren. Das bedeutet, dass die Piratenpartei noch viele Möglichkeiten hat, sich zu entwickeln, je nachdem, welche Menschen wir für unsere Arbeit gewinnen können.

Für Datenschutz und Bürgerrechte setzen sich auch die Grünen ein. Warum braucht es da eine neue Partei?
Nun, die Grünen setzen sich für sehr viel ein, doch was Datenschutz und Bürgerrechte angeht, kann ich nur sagen: die Vorratsdatenspeicherung haben die Grünen mit ins Rollen gebracht. Ich kann mich da an eine Geschichte erinnern, wo wir in Hamburg Sankt Pauli einen Stand gegenüber der Grünen Jugend hatten. Einige von uns sind zu denen gegangen und die konnten es nicht glauben, dass ihre Partei diese Einschränkungen der Bürgerrechte mit nach vorne gebracht hat. Als sich die Grünen im vergangenen Herbst auf ihrem Parteitag als oberste Datenschützer gefeiert haben, war bei uns das Gelächter groß.

Die Grünen würden argumentieren, dass in ihrer Bundesregierungszeit die böse SPD und der böse Otto Schily diese Gesetze angestoßen haben?
Die Frage ist doch: wie konsequent ist mein Handeln? Stehe ich zu den Bürgerrechten und zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung wie sie das Bundesverfassungsgericht definiert oder nicht? Da ich in einigen Bürgerinitiativen engagiert bin, kenne ich natürlich viel tolle Menschen von den Grünen, mit denen man sehr gut zusammenarbeiten kann. Doch so eine Partei ist auch eine Organisation und die muss sich mit ihrer Vergangenheit auseinandersetzen.

Zum Schluss: Deine Prognose für die Landtagswahl?
CDU und FDP schaffen die absolute Mehrheit nicht. Hoffentlich! Grüne legen zu, SPD verliert mächtig und die Linken sind im Landtag. Die Piraten werden ein Prozent plus X erhalten.

Fotos: privat; Piraten Hessen/flickr/by-nc-nd


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