Matthias Winzen (Hochschule für Bildende Künste, Saarbrücken), Elisabeth Schweeger (schauspielfrankfurt), Albert Weis (Künstler), Dieter Bartetzko (Architekturkritiker der FAZ).
Fantasie braucht Raum. Und so ist es kein Wunder, dass die Intendantin des schauspielfrankfurt dieses Riesenaquarium am Theaterplatz in seiner nachkriegslichen Sachlichkeit, "die meine Fantasie beflügelt", lobt. Doch es soll gar nicht so sehr um Theater gehen, sondern um Raum und Stadt und wie die Architektur dort Tatsachen schafft, mit denen sich die Menschen zu arrangieren haben. Der Künstler Albert Weis sagt: "Architektur ist ein Ausdruck ihrer Zeit" und vielleicht sind so die Spiegelflächen zu verstehen, die er im Glashaus des Theaters angebracht hat, in denen schimmern die Gebäude der Nachbarschaft und auch das Tonnenhimmelsgewölbe. Das Schauspielhaus, sagt Weis, sei einst ein utopischer Bau gewesen, sehr monumental und zugleich einladend und offen und somit demokratisch. "Es gab in der Architektur gemeinsame Utopien, die gibt es heute nicht mehr, die sind verlorengegangen." Das hört sich düster an, doch an diesem vernieselten Sonntagmorgen schwang sich Dieter Bartetzko von der FAZ empor, den Ruf der Architekten zu retten. Gewiss, es gebe keine Zusammenarbeit der Künste mehr, wie noch in der Antike, doch zugleich fänden sich in Frankfurts Hochhausarchitektur Zitate und Überlegungen, die nicht so einfach von der Hand zu weisen seien. "Architektur ist nicht ein notwendiges Übel, sie ist die Mutter aller Künste."
Matthias Winzen, Ko-Rektor der Saarbrücker Hochschule für Bildende Kunst, entgegnet: "Also, wenn die Architektur die Mutter ist, dann war sie in den 70er- und 80er-Jahren eine wildgewordene, sie ist postmodern fremdgegangen." Was kann da die Kunst noch ausrichten, die mehr zu einer Kunst am Bau degradiert wurde? "Im 19. Jahrhundert", sagt Bartetzko, "begannen die Künstler für sich stehen zu wollen."
Paradoxerweise, möchte man hinzufügen, entstand nach dem Zweiten Weltkrieg der Zwang, den neuen Menschen durch neue Sachlichkeit zu formen. Das Schauspielhaus ist mit seiner 120 Meter langen Glasfront vielleicht eines der wenigen gelungenen Beispielen, dieser minimalistischen Monumental-Architektur. Und den Architekten von heute möchte man raten, weniger künstlerisch und mehr dienstleisterisch im Sinne der Bürger einer Stadt zu walten. Der Gedanke mag verlockend sein, sich in Gebäuden menschlich verewigen und künstlerisch verwirklichen zu können. Doch Bartetzko hat recht, wenn er Professor Winzen darin widerspricht, Architektur sei nicht heilbar. Selbst NS-Gebäude können mit neuem Leben, mit anderer Architektur gefüllt werden. Und auch ein DDR-Plattenbau taugt zum Wohnquartier, wenn er dekonstruiert und wiederaufgebaut wird. So gesehen ist es schade, dass die Deutsche Bank mit der Modernisierung ihrer Zwillingstürme keine Transparenz einhergehen lässt. Was hinter Glasfassaden passiert, das kann man nur im Schauspiel beobachten – ausgerechnet dort, wo Abend für Abend der Vorhang fällt. So blieben auch nach gut eineinhalb Stunden Sinnieren fast alle Fragen offen. Aber: es wurde drüber gesprochen, immerhin. Diese Reflektion nimmt sich ja kaum einer mehr in Frankfurt, wo Schlag auf Schlag abgerissen und neugebaut wird.