Kenneth Minor in der Brotfabrik

Aus Melancholie neuen Mut geschöpft

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2022 erschien mit „Retirement“ das neue Album von Kenneth Minor. Jetzt kommen die Wiesbadener in Bandstärke zum Konzert in die Brotfabrik. Ein Interview mit Sänger, Gitarrist und Songschreiber Bird Christiani.

Detlef Kinsler /

JOURNAL FRANKFURT: 2021 gab es neben zwei Livestreams immerhin zwei Konzerte, eines davon solo, 2022 werden es neun gewesen sein. Wie wichtig war es, gerade auch im Zusammenhang mit dem Release des neuen Albums „Retirement“ wieder mehr live zu spielen und das dann vor allem auch mit Band?
Bird Christiani: Auf einer Skala von 1-10 eine 9.8. Live-Spielen soll gut fürs Herz sein und Platten und CDs (rote Liste) verkauft man, wenn man schon tollkühn welche hat herstellen lassen, nicht über Tik Tok & Co, sondern meist nach Konzerten. Unsere Platte wurde als Band mit Gästen (weitgehend live) ohne externen Produzenten aufgenommen, deswegen liegt es nahe, die Platte auch als Band live zu präsentieren. In letzter Zeit vorwiegend im Quartett mit Freund und Multiinstrumentalist Maximilian Schneider. Spaß macht es außerdem, mal wieder als Rockband angekündigt zu werden.

Es gab u.a. drei sehr spezielle Open Airs 2022 – Stoffel und Herzberg sind ja unterschiedliche Kaliber. War es eine reizvolle Aufgabe, sich hier wie da zu präsentieren?
Ja, das dritte (nicht genannte) war übrigens das Open-Air auf dem Gelände des Wiesbadener Schlachthofs („Coron-Arts Festival“) und zugleich unser erster Live-Auftritt 2022 nach Abschluss der wilden Produktionszeit. Stoffel und Burg Herzberg. Wagen wir einen Vergleich in Bildern. Vor der Stoffel-Bühne standen oder saßen die Leute. Wir spielten zwei Stunden. Vor der Herzberg-Bühne tanzten die Leute. Wir spielten eine Stunde. Bei beiden wurde laut applaudiert. Und trotzdem war der Stoffel in diesem Jahr fast hipper und hippiesker. Das Batik-Tshirt wird nach wie vor überbewertet.

Wie kam es zum (selbstironischen?) Album-Titel „Retirement“, was will uns das sagen?
Der Titel entstand beim gemeinsamen Rumblödeln im Studio und plötzlich fanden wir ihn alle geil, da er einen Kontrapunkt setzt. „Höher, weiter, schöner, besser“ kann jeder und ist heutzutage auch viel zu einfach geworden. Da sahen wir den frühzeitigen Ruhestand als einzige Lösung. Wir wollten zudem rechtzeitig den Druck rausnehmen und den Weg frei machen für die nun folgenden, hoffentlich zahlreichen Abschiedstourneen. Dass der Plattentitel „Retirement“ neulich sogar der „3 Sat Kulturzeit“-Moderatorin über die Lippen schlich, macht uns Hoffnung darauf, mittelfristig die Verträge über die Gastrolle als Dinner-Begleitband in der Sendung „Das Traumschiff“ zu unterzeichnen, um letztendlich bei „Wetten Dass?“ (dann wahrscheinlich moderiert von Jan Böhmermann) die allerletzte Tour bekanntzugeben: „The Return Of Retirement II“.

Es war immer schon interessant zu lesen, welche Assoziationen deine/eure Platten auslösten und das Dekaden-übergreifend von den 60’s bis hinein in die 90’s. In welchen Vergleichen hast Du dich wieder gefunden, welche haben dich überrascht/verblüfft/irritiert?
Am liebsten habe ich folgende Beschreibung in einer Bonner Rezension gelesen: „Es ist Rockmusik, die ihre Wurzeln im Blues nicht verschleiert. In dermaßen hübscher Einfachheit, dass es einem die Tränen in die Augen treibt. So kann man auch ertragen, dass sowas 2022 Garage-Rock und Psych genannt wird. Die tatsächlich deutsche Band zelebriert auf ihrem aktuellen Album eine musikalische Reise durch die USA in einem Greyhound-Bus. Und zwischenzeitlich steigt doch wirklich Lou Reed zu. Das ist erfrischend Oldschool und trotzdem niemals langweilig.“ Da habe ich mich wiedergefunden. Denn ich mag Mississippi John Hurt genauso wie ich die Ramones mag. Oder auch Lou Reed. Mich irritieren Beschreibungen, in denen ich mich nicht wiedererkenne. Die gab es aber in der letzten Zeit zu selten.

In welcher „traditionsgeprägten Rockmusik“ fühlst Du Dich besonders wohl und wie kam es gerade jetzt zu den psychedelischen Farbtupfern?
Ich mochte schon immer den saftigen Klang aus einem alten Röhrenamp und es ist gerade eben gefühlt eher an der Zeit, laute Töne anzuschlagen. Dazu darf es auch atmosphärische Sounds geben, die eine gewisse Mystik unterstreichen. Auch mal Mut zur Schrägheit und zum Anderssein. Deshalb die Farbtupfer. Und das Ganze fußt eben auf der Liebe, zum Blues, Folk, Rock und Punk.

Woran machst Du die „optimistische Melancholie“ fest?
Ich mag Melancholie. Ich habe aus ihr immer wieder neuen Mut geschöpft und letztendlich auch Lebensfreude. Es ist eine lebensbejahende Melancholie, die ich mag. Ein Resultat aus hypnotisierenden Melodien, Schwermut und Mut im Wechsel sowie musikalischer Schönheit.

>> Kenneth Minor, Ffm: Brotfabrik, Bachmannstraße 2–4, 21.1., 20 Uhr, Eintritt: VVK 14 €/AK 18 €

Detlef Kinsler
Detlef Kinsler
Weil sein Hobby schon früh zum Beruf wurde, ist Fotografieren eine weitere Leidenschaft des Journal-Frankfurt-Musikredakteurs, der außerdem regelmäßig über Frauenfußball schreibt.
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