Parallel zur aktuellen Titelstory des JOURNAL FRANKFURT taucht auch die Alte Oper mit einer neuen Konzertreihe hinab in Unterwelten. Das gemeinsam mit dem hr-Sinfonieorchester entwickelte Format „KiezPalast“ wird von dem Schauspieler und Musiker Ulrich Tukur präsentiert.
Christian Rupp /
JOURNAL FRANKFURT: Herr Tukur, wie kam es zu der Kooperation? Ulrich Tukur: Das ist ein Mords-Unternehmen, ein Ritt auf Messers Schneide. Ich bin ein paar Mal mit meinen Rhythmus Boys in der Alten Oper aufgetreten und irgendwann von Intendant Markus Fein gefragt worden, ob ich nicht Lust auf ein gemeinsames Projekt mit klassischer Musik hätte. Leichtfertig wie ich war, habe ich gesagt: Da können wir ja mal drüber reden. Und an irgendeinem Punkt unseres Austauschs habe ich es dann verpasst „nein“ zu sagen und war im Sack.
Und da war das Konzept schon klar? Oder haben Sie daran mitgearbeitet? Nein, das Konzept war noch überhaupt nicht klar. Ich wusste anfangs gar nicht, was Herr Fein überhaupt meinte mit seinem „KiezPalast“. Er wollte so etwas wie eine Konzert-Reihe begründen, die klassische Musik auf andere, überraschende und ungewöhnliche Art und Weise an die Menschen heranbringt. Ich habe dann meinen Freund Uli Heissig gefragt, ob er nicht Lust hätte, das mit mir zusammen zu machen. Er ist eigentlich Kabarettist, nebenbei ein profunder Kenner klassischer und moderner Musik und schreibt wunderbare Texte. Dann haben wir gemeinsam überlegt, was das wohl werden könnte.
Sie moderieren, singen und spielen dabei Akkordeon. Welche Art von Musik darf das Publikum erwarten? Wir unterhalten das Publikum nicht mit einer kleinen Tanzkapelle wie den Rhythmus Boys, sondern mit einem veritablen Sinfonieorchester, dem des Hessischen Rundfunks. Das sind über 70 hervorragende Musiker. Und mit denen wollen wir das Universum der Unterwelten ausleuchten, das Leben unter Tage, die Welt der Kanalisationen, Bergwerke, Höhlen, Bunker und Katakomben – und da gibt es natürlich großartige Musiken von Ottorino Respighi, Richard Wagner, Edvard Grieg, aber auch modernere Stücke von Gottfried Huppertz (Anm. d. Red: dem Komponisten der Filmmusik zu „Metropolis“), Arnold Schönberg, Hanns Eisler oder Bertolt Brecht. Diesen musikalischen Ritt durch den Untergrund muss ich mit möglichst pfiffigen Moderationen und eigenen musikalischen Einlagen irgendwie verbinden. Keine leichte Aufgabe.
Welchen Bezug haben Sie denn überhaupt zur klassischen Musik? Ich liebe klassische Musik, gehe gerne in Opern und spiele sie natürlich auch hin und wieder auf dem Klavier, hatte aber auf der Bühne bislang wenig Berührung mit ihr. Bis auf ein paar Egmont-Ouvertüren als Sprecher und eine Konzerttour mit Christian Gerhaher. Das ist jetzt das erste wirklich umfängliche Klassik-Projekt für mich.
Bekommt die Musik den für Sie typisch frechen Gestus verpasst? Es muss gute Unterhaltung sein! Und wird in Teilen sicher auch etwas kabarettistisch, ich muss moderieren, improvisieren, Gedichte und Lieder vortragen. Im Wesentlichen geht es darum, die Zuschauer mitzunehmen in den musikalischen Abgrund der Unterwelten und auf eine mitreißende Art Grausiges und Faszinierendes über das unterirdische und abseitige Leben zu erzählen.
Die Reihe soll künftig einmal pro Saison fortgesetzt werden. Bleiben Sie dabei? Ich bin gespannt, wie das läuft. Das ist jetzt wirklich ein Experiment. Wenn es klappt, werden wir weitermachen. Angedacht ist für 2024 ein „KiezPalast“, der sich um die Geschwindigkeit in unserem Leben drehen soll: „Tempo! Tempo!“
Dieses Interview ist auch im Rahmen der Titelstory „Im Untergrund – Frankfurts unbekannte Seite“ in der Februar-Ausgabe des JOURNAL FRANKFURT (2/23) erschienen. Darin wagen wir gemeinsam mit Fotograf Peter Seidel einen Blick an Orte, die sonst verschlossen bleiben. Den Link zum ePaper finden Siehier.