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Tierschutz in Frankfurt
„Manche glauben immer noch, man könne mit Katzenbabys auf Ebay Geld verdienen“
Sirikit Treiling ist erste Vorsitzende des Frankfurter Vereins Felina Sicily e.V. und fordert die Einführung einer Katzenschutzverordnung. Im JOURNAL-Interview erklärt sie, warum.
JOURNAL: Sie fordern eine Katzenschutzverordnung für die Stadt Frankfurt, was genau ist das?
Sirikit Treiling: Die Katzenschutzverordnung bedeutet die Registrierung, Kennzeichnung und Kastration von Katzen im unkontrollierten Freigang, also von Katzen, die nach draußen dürfen. Der Zweck ist, die Streunerkatzenpopulationen zu reduzieren und zu kontrollieren und das Leid von Katzen zu minimieren. Konkret bedeutet eine Katzenschutzverordnung, dass alle Katzen vor dem ersten Freigang kastriert, gechippt und bei den Haustierregistern Findefix oder Tasso registriert sein müssen.
Warum fordern Sie eine solche Verordnung?
Streunerkatzen sind ausgesetzte, zurückgelassene, verloren gegangene Katzen oder deren Nachfahren. Sie fallen somit unter das Fundtiergesetz: Dies verpflichtet die Stadt unter Berücksichtigung des Tierschutzgesetzes, die Not dieser Tiere zu lindern. Der Erlass der Katzenschutzverordnung ist dafür ein wichtiges Instrument. Die Frankfurter TierschützerInnen bestätigen zudem und auch Studien belegen, dass Kastrationen der Streuner alleine nicht ausreichen, um die Populationen wirksam zu kontrollieren.
Info
Katzenschutzverordnung – die Vorteile auf einen Blick:
Linderung des Leids der „unsichtbaren“ Katzen in Schrebergärten und unzugänglichen Geländen
Weniger Revierkämpfe, weniger Krankheiten, weniger Autounfälle mit Katzenbeteiligung und besserer Zugang zu der begrenzten Nahrung
Schnellere und kostengünstigere Rückführung von Fundkatzen an ihre BesitzerInnen
Finanzielle Entlastung von Tierheimen und Tierschutzvereinen
Reduziertes Risiko der Übertragung von Krankheiten (z.B. Giardien) unter Katzen, aber auch auf den Menschen
Veterinäramt: bessere Position im Umgang mit „animal hoardern“
Generelle Handhabe, um Kastrationen anzuordnen
Umwelt: weniger Verluste geschützter Arten (z.B. Vögel, kleine Säugetiere, Reptilien)
Weniger Belästigung durch Katzenkot in Sandkästen und Geruchsbelästigung durch Markieren sowie lautstarkes Rufen in der Paarungszeit
Frankfurts Katzenpopulation – auf den Straßen und in den Schrebergärten
Wie viele Streunerkatzen leben in Frankfurt?
In Frankfurt leben ca. 18 000 Streunerkatzen, von denen ca. 90 Prozent in den ersten beiden Lebensjahren einen grausamen Tod sterben. Diese Zahlen sind durch den Deutschen Tierschutzbund recherchiert und belegt. Täglich sehen wir großes Tierleid, wenn wir uns beispielsweise durch die Schrebergartenanlagen arbeiten. Durchschnittlich kommen wir pro Gartenparzelle auf zu drei bis acht Katzen. Mittlerweile benötigen knapp 50 Prozent der eingefangenen Streuner eine längerfristige Behandlung, müssen sich auskurieren oder sind schwanger.
Welche Rolle spielen nicht kastrierte Freigänger?
Unkastrierte Freigänger machen seit Jahren die Arbeit der ehrenamtlichen KatzenfängerInnen in Frankfurt immer wieder zunichte. Eine im Schrebergarten gehaltene, unkastrierte Kätzin produziert in einem Jahr leicht acht Kitten, die sich nach sechs Monaten wiederum exponentiell vermehren, um dann mehrheitlich einen grausamen Tod auf der Straße zu sterben. Unkastrierte Kater hingegen spielen eine große Rolle bei der Verbreitung von Krankheiten, die sie bei Revierkämpfen bekommen und dann unter den Streunerkatzen weiterverbreiten und umgekehrt. Es ist sehr schwer, wenn man einen Straßenblock kastriert hat und zum nächsten möchte, aber durch unkastrierte Freigänger wieder zurück zum Startpunkt muss – ein Teufelskreis.
Der Frankfurter Tierschutz steckt in einem Teufelskreis
Das eigentliche Problem sind aber nicht die Freigänger, sondern deren Besitzerinnen und Besitzer…
Es gibt uneinsichtige KatzenbesitzerInnen, die es beispielsweise als unnatürlich ansehen, dass ein/e Katze/Kater kastriert wird. Manche glauben auch immer noch, man könne mit Katzenbabys auf Ebay Geld verdienen, oder sie sind der Meinung, die Kätzin sollte einmal Babys haben, weil das gesünder und besser sei, aber dann wissen sie nicht wohin damit und meinen, Katzen kommen schon klar.
Seit 2015 gibt es die rechtliche Möglichkeit einer Katzenschutzverordnung in Deutschland. Wo und mit welchem Erfolg wurde diese bisher genutzt?
Eine Katzenschutzverordnung gibt es bereits in vielen Städten, in Hessen sind es knapp 70. Dort können TierschützerInnen ihre Fangaktion planen und das Problem kontinuierlich reduzieren. Im besten Fall unterstützt die Stadt mit einem Kastrationsbudget, denn die Versorgung der Streuner gehört mit zu ihren Aufgaben.
Katzenschutzverordnung schafft Rechtssicherheit im Tierschutz
Sie sagen, momentan befinden sich fast alle Tierheime in Deutschland in einer Notsituation…
In Coronazeiten wurden viele Tiere angeschafft, die die Besitzer jetzt nicht mehr versorgen können oder wollen. Dies führt vermehrt zu Aussetzungen von Katzen, die das Leben draußen nicht gelernt haben und hochgradig gefährdet sind. Wie alle kämpfen auch die Tierheime mit Preissteigerungen im Allgemeinen (Energie, Lebensmittel, Mindestlohn), aber auch mit der Steigerung der Gebührensätze für Tierärzte. Die derzeit extrem hohe Zahl an Streunerkatzen und vielen ausgesetzten Katzen können die Tierheime nicht schultern. Die Fangarbeit wird fast nur von Ehrenamtlichen geleistet. Diese Zahlen gehen bewiesenermaßen zurück, wenn eine Katzenschutzverordnung eingeführt ist.
Warum ist der Winter Ihrer Meinung nach die richtige Zeit für Kastrationen?
Statistisch betrachtet gibt es im Winter kaum schwangere Kätzinnen, so dass man nicht auf dem Untersuchungstisch feststellen muss, dass man versehentlich doch eine schwangere Kätzin eingefangen hat, die man nicht kastrieren kann, darf und möchte. Jede unkastrierte Kätzin wird hingegen im Frühling Kitten gebären und dann haben wir eine große „Kittenschwemme“. Ohne Katzenschutzverordnung werden wir in ein bis zwei Jahren in Städten ohne Katzenschutzverordnung Verhältnisse wie in der Mittelmeerregion haben.
Ohne Katzenschutzverordnung drohen Verhältnisse wie am Mittelmeer
Verursacht das Erlassen eine Katzenschutzverordnung Kosten?
Die Katzenschutzverordnung bedeutet erst einmal keine Kosten für die Stadt, da sie kein Personal bindet und nicht aktiv kontrolliert wird. Sollte eine Stadt den Tierschutz ernstnehmen, könnte sie ein eigenes Budget für die Kastrationen von Katzen bereitstellen. Ansonsten schultern dies weiterhin die Tierschutzvereine.
Sie haben auch schon Pläne für die Umsetzung geschmiedet…
Für die operative Umsetzung haben wir bereits ein Konzept entwickelt und mit einigen großen Tierarztunternehmen erfolgreich gesprochen, sogar einen ersten Testlauf gemacht, um zu gewährleisten, dass wir eine angemessene Zahl von mindestens 50 Katzen wöchentlich kastrieren lassen können. Die Durchführung können wir also organisieren, weil wir sehr viel Erfahrung mit Massenkastrationen haben. Das Konzept beinhaltet auch Aufklärungskampagnen und Maßnahmen, um finanzschwachen BürgerInnen die Kastration ihrer Katze zu ermöglichen.
Sirikit Treiling: Die Katzenschutzverordnung bedeutet die Registrierung, Kennzeichnung und Kastration von Katzen im unkontrollierten Freigang, also von Katzen, die nach draußen dürfen. Der Zweck ist, die Streunerkatzenpopulationen zu reduzieren und zu kontrollieren und das Leid von Katzen zu minimieren. Konkret bedeutet eine Katzenschutzverordnung, dass alle Katzen vor dem ersten Freigang kastriert, gechippt und bei den Haustierregistern Findefix oder Tasso registriert sein müssen.
Warum fordern Sie eine solche Verordnung?
Streunerkatzen sind ausgesetzte, zurückgelassene, verloren gegangene Katzen oder deren Nachfahren. Sie fallen somit unter das Fundtiergesetz: Dies verpflichtet die Stadt unter Berücksichtigung des Tierschutzgesetzes, die Not dieser Tiere zu lindern. Der Erlass der Katzenschutzverordnung ist dafür ein wichtiges Instrument. Die Frankfurter TierschützerInnen bestätigen zudem und auch Studien belegen, dass Kastrationen der Streuner alleine nicht ausreichen, um die Populationen wirksam zu kontrollieren.
Katzenschutzverordnung – die Vorteile auf einen Blick:
Linderung des Leids der „unsichtbaren“ Katzen in Schrebergärten und unzugänglichen Geländen
Weniger Revierkämpfe, weniger Krankheiten, weniger Autounfälle mit Katzenbeteiligung und besserer Zugang zu der begrenzten Nahrung
Schnellere und kostengünstigere Rückführung von Fundkatzen an ihre BesitzerInnen
Finanzielle Entlastung von Tierheimen und Tierschutzvereinen
Reduziertes Risiko der Übertragung von Krankheiten (z.B. Giardien) unter Katzen, aber auch auf den Menschen
Veterinäramt: bessere Position im Umgang mit „animal hoardern“
Generelle Handhabe, um Kastrationen anzuordnen
Umwelt: weniger Verluste geschützter Arten (z.B. Vögel, kleine Säugetiere, Reptilien)
Weniger Belästigung durch Katzenkot in Sandkästen und Geruchsbelästigung durch Markieren sowie lautstarkes Rufen in der Paarungszeit
Wie viele Streunerkatzen leben in Frankfurt?
In Frankfurt leben ca. 18 000 Streunerkatzen, von denen ca. 90 Prozent in den ersten beiden Lebensjahren einen grausamen Tod sterben. Diese Zahlen sind durch den Deutschen Tierschutzbund recherchiert und belegt. Täglich sehen wir großes Tierleid, wenn wir uns beispielsweise durch die Schrebergartenanlagen arbeiten. Durchschnittlich kommen wir pro Gartenparzelle auf zu drei bis acht Katzen. Mittlerweile benötigen knapp 50 Prozent der eingefangenen Streuner eine längerfristige Behandlung, müssen sich auskurieren oder sind schwanger.
Welche Rolle spielen nicht kastrierte Freigänger?
Unkastrierte Freigänger machen seit Jahren die Arbeit der ehrenamtlichen KatzenfängerInnen in Frankfurt immer wieder zunichte. Eine im Schrebergarten gehaltene, unkastrierte Kätzin produziert in einem Jahr leicht acht Kitten, die sich nach sechs Monaten wiederum exponentiell vermehren, um dann mehrheitlich einen grausamen Tod auf der Straße zu sterben. Unkastrierte Kater hingegen spielen eine große Rolle bei der Verbreitung von Krankheiten, die sie bei Revierkämpfen bekommen und dann unter den Streunerkatzen weiterverbreiten und umgekehrt. Es ist sehr schwer, wenn man einen Straßenblock kastriert hat und zum nächsten möchte, aber durch unkastrierte Freigänger wieder zurück zum Startpunkt muss – ein Teufelskreis.
Das eigentliche Problem sind aber nicht die Freigänger, sondern deren Besitzerinnen und Besitzer…
Es gibt uneinsichtige KatzenbesitzerInnen, die es beispielsweise als unnatürlich ansehen, dass ein/e Katze/Kater kastriert wird. Manche glauben auch immer noch, man könne mit Katzenbabys auf Ebay Geld verdienen, oder sie sind der Meinung, die Kätzin sollte einmal Babys haben, weil das gesünder und besser sei, aber dann wissen sie nicht wohin damit und meinen, Katzen kommen schon klar.
Seit 2015 gibt es die rechtliche Möglichkeit einer Katzenschutzverordnung in Deutschland. Wo und mit welchem Erfolg wurde diese bisher genutzt?
Eine Katzenschutzverordnung gibt es bereits in vielen Städten, in Hessen sind es knapp 70. Dort können TierschützerInnen ihre Fangaktion planen und das Problem kontinuierlich reduzieren. Im besten Fall unterstützt die Stadt mit einem Kastrationsbudget, denn die Versorgung der Streuner gehört mit zu ihren Aufgaben.
Sie sagen, momentan befinden sich fast alle Tierheime in Deutschland in einer Notsituation…
In Coronazeiten wurden viele Tiere angeschafft, die die Besitzer jetzt nicht mehr versorgen können oder wollen. Dies führt vermehrt zu Aussetzungen von Katzen, die das Leben draußen nicht gelernt haben und hochgradig gefährdet sind. Wie alle kämpfen auch die Tierheime mit Preissteigerungen im Allgemeinen (Energie, Lebensmittel, Mindestlohn), aber auch mit der Steigerung der Gebührensätze für Tierärzte. Die derzeit extrem hohe Zahl an Streunerkatzen und vielen ausgesetzten Katzen können die Tierheime nicht schultern. Die Fangarbeit wird fast nur von Ehrenamtlichen geleistet. Diese Zahlen gehen bewiesenermaßen zurück, wenn eine Katzenschutzverordnung eingeführt ist.
Warum ist der Winter Ihrer Meinung nach die richtige Zeit für Kastrationen?
Statistisch betrachtet gibt es im Winter kaum schwangere Kätzinnen, so dass man nicht auf dem Untersuchungstisch feststellen muss, dass man versehentlich doch eine schwangere Kätzin eingefangen hat, die man nicht kastrieren kann, darf und möchte. Jede unkastrierte Kätzin wird hingegen im Frühling Kitten gebären und dann haben wir eine große „Kittenschwemme“. Ohne Katzenschutzverordnung werden wir in ein bis zwei Jahren in Städten ohne Katzenschutzverordnung Verhältnisse wie in der Mittelmeerregion haben.
Verursacht das Erlassen eine Katzenschutzverordnung Kosten?
Die Katzenschutzverordnung bedeutet erst einmal keine Kosten für die Stadt, da sie kein Personal bindet und nicht aktiv kontrolliert wird. Sollte eine Stadt den Tierschutz ernstnehmen, könnte sie ein eigenes Budget für die Kastrationen von Katzen bereitstellen. Ansonsten schultern dies weiterhin die Tierschutzvereine.
Sie haben auch schon Pläne für die Umsetzung geschmiedet…
Für die operative Umsetzung haben wir bereits ein Konzept entwickelt und mit einigen großen Tierarztunternehmen erfolgreich gesprochen, sogar einen ersten Testlauf gemacht, um zu gewährleisten, dass wir eine angemessene Zahl von mindestens 50 Katzen wöchentlich kastrieren lassen können. Die Durchführung können wir also organisieren, weil wir sehr viel Erfahrung mit Massenkastrationen haben. Das Konzept beinhaltet auch Aufklärungskampagnen und Maßnahmen, um finanzschwachen BürgerInnen die Kastration ihrer Katze zu ermöglichen.
8. November 2023, 12.00 Uhr
Sina Claßen
Sina Claßen
Studium der Publizistik und des Öffentlichen Rechts an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Seit Oktober 2023 beim Journal Frankfurt. Mehr von Sina
Claßen >>
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