Forschungsprojekt Goethe-Universität

Kaum Strafverfahren bei Polizeigewalt: Polizisten halten zusammen

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Polizisten zeigen ihre Kollegen nicht gerne an – selbst wenn diese unter dem Verdacht stehen, rechtswidrig gewalttätig gewesen zu sein. Das und weitere Ergebnisse gehen aus einem Projekt der Goethe-Universität hervor.

Sinem Koyuncu /

Über 90 Prozent aller Strafverfahren zu Verdachtsfällen rechtswidriger Polizeigewalt werden von den Staatsanwaltschaften eingestellt. Nur in etwa zwei Prozent der Fälle wird Anklage erhoben. Das geht aus den Ergebnissen des Forschungsprojekts „Körperverletzung im Amt durch Polizeibeamt*innen“ (KviAPol) der Goethe-Universität hervor, die am Dienstag vorgestellt wird. Für das Projekt wurden über 3300 Personen befragt und über 60 qualitative Interviews mit Polizisten, Richtern, Staatsanwälten, Rechtsanwälten und Opferberatungsstellen geführt. Verfasst wurde die Studie von Tobias Singelnstein, Professor für Kriminologie und Strafrecht an der Goethe-Universität sowie von den wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen des Projekts Laila Abdul-Rahman, Hannah Espín Grau und Luise Klaus.

Polizisten halten zusammen – auch wenn der Kollege rechtswidrig Gewalt anwendet

Laut Studie könne es für die Polizeibeamtinnen und -beamte herausfordernd sein, Kolleginnen und Kollegen zu belasten. Auch für die zuständigen Staatsanwältinnen und -anwälte erweise es sich, angesichts der täglichen Zusammenarbeit mit der Polizei, als schwierig, unvoreingenommen an solche Verfahren zu gehen. „Häufig steht die Aussage der Betroffenen denen der einsatzbeteiligten Polizeibeamt*innen gegenüber und es fehlt an Beweismitteln“, erklärt Tobias Singelnstein.

Die Studie hat zudem ergeben, dass bei den Befragten nur eine niedrige Anzeigebereitschaft herrscht. „Ein Großteil der Verdachtsfälle rechtswidriger polizeilicher Gewaltanwendungen verbleibt dadurch im Dunkelfeld. Nur 14 Prozent der von uns befragten Betroffenen gab an, dass in ihrem Fall ein Strafverfahren stattgefunden habe“, so Singelnstein.


Am häufigsten sind junge Männer betroffen

Am häufigsten berichten laut Studie junge Männer von Erfahrungen mit polizeilicher Gewalt. „Die Befragungsdaten sowie die Interviews zeigen außerdem, dass marginalisierte Personen in besonderer Weise von übermäßiger polizeilicher Gewalt betroffen sind“, sagt Tobias Singelnstein. Hinzu kommt, dass der übermäßige Einsatz polizeilicher Gewalt vor allem bei Großveranstaltungen wie Demonstrationen und Fußballspielen vorkommt.

Wut, Angst und kein Vertrauen auf die Polizei

Etwa 19 Prozent der Betroffenen berichten von schweren physischen Verletzungen. Auch die psychischen Belastungen wie Wut und Angst vor der Polizei, das Meiden bestimmter Situationen oder Orten sowie der Verlust des Vertrauens in Polizei und Staat waren im Rahmen der Berichte von Relevanz.

Eine Zusammenfassung der Forschungsergebnisse gibt es online. Eine ausführlichere Darstellung bekommen Interessierte mit dem Buch zum Projekt – „Gewalt im Amt. Übermäßige polizeiliche Gewaltanwendung und ihre Aufarbeitung“, das beim Campus Verlag bestellt werden kann.

Sinem Koyuncu
Sinem Koyuncu
Jahrgang 1996, Studium der Politikwissenschaft an der Goethe-Universität, seit Oktober 2021 beim Journal Frankfurt.
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