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Foto: Nils Bremer
Foto: Nils Bremer

Seine Heiligkeit im Museum Angewandte Kunst

Drei Blickwinkel auf den Dalai Lama

Bei seiner Tournee durch Hessen stellte sich der Dalai Lama am Montagmorgen im Museum Angewandte Kunst den Fragen von Kindern. Derweil wurde vor dem Ausstellungshaus lautstark gegen ihn demonstriert.
Bis vor einem Monat war im Museum Angewandte Kunst noch die Schau "Buddha – 108 Begegnungen" zu sehen. Eine Ausstellung, die 108 grundverschiedene Bildnisse Buddhas zeigte (vor allem Leihgaben). Den bekannten dickbäuchigen Buddha, aber auch den bis auf die Knochen abgemagerten, von Askese und Einsiedlertum gezeichneten Buddha. Die Ausstellung zeigte, dass es nicht nur dieses eine Bild eines Menschen gibt. Sondern im Grunde hunderte Sichtweisen. Die Ausstellung kam in Zusammenarbeit mit dem Tibethaus zustande – und so kam es, dass Seine Heiligkeit am Montagmorgen auch dort Station machte. Für gut eineinhalb Stunden stellte er sich dort den Fragen Frankfurter Schüler. Und zugleich war es die Gelegenheit mehrere Facetten des kürzlich 80 gewordenen Mannes zu erhaschen.

Duke
Bevor der Dalai Lama das Museum betritt, dreht sich alles um Duke. Duke hat einen wachen Blick, er hüpft verspielt zwischen Designmöbeln des Bistros umher, neben ihm seine Vorgesetzte mit angespanntem Blick. Duke ist ein holländischer Schäferhund, ein Rüde, ausgebildet zum Fund von Sprengstoffen aller Art. Seit Tagen dreht sich alles nur um ihn, denn er braucht, um seinen Aufgaben gewissenhaft nachkommen zu können, ein menschenleeres Museum. Die Taschen mit unseren Kameras legen wir Journalisten in die Ecke eines Raumes, Duke findet nichts, wie auch sonst das Museum sein Wohlwollen bekommt. Nach einer halben Stunde dürfen wir wieder rein. Der Aufwand, der für den Dalai Lama betrieben wird, ist enorm. Private Sicherheitsleute und bullige Polizisten streifen durch den gläsernen Richard-Meier-Bau, schließlich, mit gut einer Viertelstunde Verspätung, erreicht die Polizeikolonne mit ihren Motorrädern, ihren gepanzerten Fahrzeugen den Hof des Museums. Wie ein Staatsgast – nur ohne Staat. Duke bekommt davon nichts mehr mit. Er hat ein paar Leckerli bekommen und kann nun anderen Spielchen nachgehen.

Der Dalai Lama
Im zweiten Stock des Museums steigt er aus. Neben ihm Frank Auth von "Freunde für einen Freund", der Dalai-Lama-Vereinigung. Er wird nicht von seiner Seite weichen, bis er den Vortragssaal erreicht hat. "Geh doch mal weg", zischen die Fotografen, die ein gutes Bild machen wollen, von der Kinderschar, die zu seinem Empfang bereitsteht und die die Wartezeit mit ein paar Geschichten und Spielen überbrückt haben. Nun sind einige von ihnen doch sehr aufgeregt, lächeln verlegen als ihnen der Dalai Lama die Hand reicht. Im Saal in einem hinteren Teil des Museums nimmt er Platz, der Schauspieler Ralf Bauer hat sich dort schon mit gut 50 weiteren Kindern unterhalten, Jugendliche von Frankfurter Schulen, die mit dem Dalai Lama über ethische Fragen und soziale Verantwortung reden sollen. Sie sind bestens vorbereitet. Stellen ihre Fragen teilweise in akzentfreiem Englisch, komplexe Fragen auch, die einen wie eigentlich stets, jedes Zweifels entheben, den man der Jugend gegenüber so reflexhaft zu hegen pflegt.

Frage einer Schülerin: "Sollten wir lieber in einer Welt leben, in der wir uns anstrengen müssen, um das Glück zu erreichen – oder in einer Welt, wo das Glück für jeden Menschen in erreichbarer Nähe liegt?"

Nun, sagt der Dalai Lama, mit dem Glück sei das so eine Sache. Was überhaupt sei Glück? Habe es mit Reichtum zu tun? "Geld macht nicht glücklich. Ich habe einige der reichsten Menschen der Welt getroffen und sie waren zugleich die unglücklichsten." Nein, materielle Dinge könnten kein Glück erzeugen. Zufriedenheit, vielleicht. Dem Glück durch äußere Umstände stehe das innere Glück gegenüber. Es zu suchen und zu pflegen sei wichtig, nicht zuletzt auch für die körperliche Gesundheit.

"Wie findet man das Glück, wenn man unter einer Depression leidet", fragt eine weitere Schülerin. Der Dalai Lama sagt, dafür müsse man erst einmal die Funktionsweise der menschlichen Psyche erkennen. "90 Prozent unserer Sicht auf die Welt, auf andere Menschen entstammt unserer Projektion." Depression entstehe dadurch, sich immer und immer mehr auf die negativen Dinge zu fokussieren, "daraus entwickelt sich ein Kreislauf". Eine andere Haltung zu entwickeln sei schwer. "Bevor man den Frieden mit der Welt machen kann, muss man mit sich selbst Frieden machen."

Auch zur politischen Weltlage äußert sich der Dalai Lama, wie gestern schon in Wiesbaden: "Die größten Probleme in unserer Welt seien unsere eigenen Kreationen. Gott sei nicht für Gewalt und Krieg veranwortlich, sondern die Menschheit." Er appelliert an Deutschland, seine Rolle in der Welt wahrzunehmen. Das Land solle die Europäische Vereinigung vorantreiben anstatt sie zu spalten, es solle sich auch Russland gegenüber öffnen. "Nach dem Zusammenbruch des Ostblocks hat man die goldene Chance vergeben, die Nato um Russland zu erweitern." Den Untergang der Sowjetunion bezeichnet der Dalai Lama in diesem Zusammenhang übrigens als den Untergang eines totalitären System, dem Marxismus als Wirtschaftsideologie könne er demgegenüber durchaus vieles abgewinnen. Für ihn übrigens kein Widerspruch zur Demokratie. "Was die Deutschen da geschaffen haben, ein so überzeugendes demokratisches System aus der Asche des Krieges aufzubauen, das bewundere ich."

Rachel Jeffrey
Vor dem Museum stehen gut 200 Anhänger des Dalai Lama. Und dahinter: Seine Gegner. Wobei Rachel Jeffrey sich nicht als Gegner des Dalai Lama bezeichnen würde. Sie ist Teil der internationalen Shugden-Community, die seit den 70er-Jahren vom Dalai Lama, nunja, mindestens kritisch beäugt wird. Frau Jeffrey hat Fotos von Schildern mitgebracht, die zeigen, wie Angehörige dieser Glaubensrichtung diskriminiert werden – etwa in dem sie in Krankenhäusern nicht behandelt, in einigen Geschäften nicht bedient werden. "Man kann das auch als Apartheid bezeichnen", sagt Rachel Jeffrey. Der Dalai Lama könne diese Segregation beenden, "er hat die Macht dazu und ich hoffe, dass er sich unseres Problems einmal annimmt." Bisher ignoriere er die Anliegen der Shugden, bezeichne sie als "böse Geister", die ihn verfolgten und seine Gesundheit beeinträchtigten. Auch mit dem Regime in China bringt er die Abspaltung in Verbindung. "Wir wollen nicht viel, eigentlich wollen wir nur unsere Religion ausüben dürfen, ohne dadurch Nachteile zu erfahren." Erstaunlicherweise werde kaum über das Leben der Shugden-Buddhisten berichtet, sagt Rachel Jeffrey. "Es ist, als ob diese Seite nicht existiert." Am Sonntag war sie in Wiesbaden. Vor ihr waren große Lautsprecher-Wagen aufgebaut worden, die mit Dalai-Lama-Gesängen den Protest erstickten. "Ich finde das seltsam – das ist doch ein demokratisches Land und dann wird unsere Demonstration so beschallt, dass man unser Anliegen nicht mehr verstehen kann?"

In diesem Moment kommt Bewegung in die beiden Gruppen vor dem Museum. Das Tor öffnet sich, die Kolonne setzt sich wieder in Bewegung. Die einen feiern den Dalai Lama, die anderen rufen "Stop Dalai Lama". Und Duke? Sitzt in seinem Transporter und wartet auf den nächsten Einsatz.
 
13. Juli 2015, 12.45 Uhr
Nils Bremer
 
 
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