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Projekt Barfußschule

Lernen in der Erstaufnahmeeinrichtung

Geflüchtete Kinder, die in Erstaufnahmeeinrichtungen leben, können nicht zur Schule gehen. Um das zu ändern, haben Ehrenamtliche mit Unterstützung des Landes ein Projekt ins Leben gerufen: die Barfußschule.
Es ist ein ganz normales Klassenzimmer. Die Kinder sitzen an Tischen, die in Hufeisenform angeordnet sind, an der Tafel stehen Matheaufgaben. Die Lehrerin geht herum und sieht nach, ob alle Schüler mit ihren Aufgaben zurecht kommen. Dass in dieser Klasse viele verschiedene Sprachen gesprochen werden und die meisten nur einige Brocken Deutsch verstehen – davon ist nichts zu merken. In der Barfußschule wird sich mit Zeigen, Deuten, Händen und Füßen verständigt: Für die sechs- bis zehnjährigen Flüchtlinge, die hier unterrichtet werden, kein Problem.

Seit rund vier Wochen läuft das Projekt Barfußschule in der Außenstelle der Erstaufnahmeeinrichtung Gießen, die im ehemaligen Neckermann-Gebäude untergebracht ist. 985 Menschen leben hier, 297 davon sind Kinder. Noch besteht für sie keine Schulpflicht – und bisher gab es auch keine Möglichkeit, eine Schulausbildung zu genießen. Denn erst, wenn das Aufnahmeverfahren abgeschlossen ist und die Flüchtlinge einem Bezirk zugeteilt wurden, können sie eine reguläre Schule besuchen. „Aber es ist sinnvoll, frühzeitig mit Sprachförderung und Integration zu beginnen. Zudem können wir so den Bildungsgrad der Kinder erfassen“, erklärt Staatsminister Axel Wintermeyer (CDU), der auch Vorsitzender der Landesstiftung „Miteinander in Hessen“ ist. Daher wurde hier nun eine Schule für Flüchtlinge ins Leben gerufen. Die Stiftung fördert das Projekt mit knapp 33.000 Euro.

Ohne etliche Spenden und die Arbeit Ehrenamtlicher wäre die Barfußschule jedoch nicht zu realisieren. An der Pilotphase, die noch bis zum 31. Juli läuft, sind elf Mitarbeiter beteiligt. Bisher gibt es nur zwei Klassen mit je 15 Kindern. „Aber wir haben fünf Klassenzimmer. Daher können es bis zu zehn Klassen werden, wenn vormittags und nachmittags unterrichtet wird“, erklärt Florian Reisberg, stellvertretender Leiter der Unterkunft. Dafür wären jedoch mehr Ehrenamtliche nötig. Unterrichtet werden die Kinder nur von Freiwilligen, die einen pädagogischen Hintergrund haben. Sprich von pensionierten Pädagogen, Erziehern, Lehrern, Lehramtsstudenten oder Referendaren. Für die Arbeitsmaterialien sind ganz unterschiedliche Stellen eingesprungen: Tische gab es etwa von einer Schule aus Weilburg, die sich gerade neue zugelegt hatte; Google spendete Laptops.

Im Vordergrund des Unterrichts steht das Erlernen der deutschen Sprache. Hier kommen auch die Laptops zum Einsatz, denn so haben alle Kinder Zugang zu einem E-Learning Programm. Zusätzlich gibt es noch „normalen“ Deutschunterricht. Aber auch Mathe, Landeskunde, Musik und Kunst stehen auf dem Stundenplan. „Außerdem werden den Kindern auch Werte vermittelt“, erklärt Wintermeyer. So gibt es ein Klassenbuch, in dem Verspätungen eingetragen werden. Fehlt ein Kind, müssen die Eltern es entschuldigen. So sollen sie sich auf die Regeln in ihren späteren Schulen einstellen können. „Bisher haben wir eine Anwesenheitsquote von etwa 95 Prozent“, kann Wintermeyer berichten.

Rund 30 Kinder stehen momentan noch auf der Warteliste. „Aus der Altersgruppe haben sich nahezu alle gemeldet“, berichtet Reisberg. Wenn das Projekt Anfang August in die Alltagsphase startet, wird die Altersgruppe etwas erweitert: Dann werden Kinder von elf bis 14 Jahren aufgenommen. Wer anfangs keinen Platz bekommt, braucht meistens nur etwas Geduld, erklärt Reisberg. „Es gibt ja eine hohe Fluktuation hier.“ Vorerst ist das Projekt Barfußschule bis Ende des Jahres angedacht. Dann wird entschieden, wie es weitergeht.
 
29. Juni 2016, 18.38 Uhr
Christina Weber
 
 
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