Nach dem Anschlag auf ein Gotteshaus in Alexandria leben auch die Kopten in Frankfurt in Angst. Wir haben die St-Markus-Gemeinde in Bockenheim besucht und vieles über die Glaubsensströmung erfahren.
Nicole Brevoord /
Weihnachten feiern die Kopten im Januar. Ihre Priester müssen verheiratet sein und ihr Papst Shenuda III. wohnt in Ägypten. All das erfahren wir bei einem Besuch der koptischen Gemeinde in Frankfurt, der größten in Deutschland.
„Herzlich Willkommen in St. Markus“, empfängt uns Priester Pigol Bassili freundlich. Er ist der Seelsorger der koptisch-orthodoxen Gemeinde, die seit rund dreizehn Jahren in der Lötzener Straße in Bockenheim beheimatet ist. Vater Pigol freut sich, wenn Außenstehende sich für die Kopten interessieren, und erzählt, „wir haben diesen Ort nach dem Evangelisten Markus benannt. 61 n.Chr verbreitete dieser den christlichen Glauben in Ägypten. Deshalb widmen wir jede erste koptische Kirche im Ausland unserem Religionsstifter.“ Tatsächlich war 1975 die koptische Gemeinde in Frankfurt die erste Deutschlands. Seither sind weitere Kirchen und Klöster - zumeist in Großstädten - hinzugekommen.
Auf die Frage nach den Besonderheiten der Glaubensgemeinschaft erklärt Vater Pigol, „der Begriff Kopte bedeutet einfach Ägypter. Wir haben eine eigene Sprache mit anderen Schriftzeichen. Beides hat seinen Ursprung in der Pharaonenzeit“. Erst durch die Islamisierung des Landes wurde die koptische Sprache allmählich vom Arabischen verdrängt. „Heute spricht nur noch ein kleiner Teil der Gläubigen im Alltag koptisch“. Da die Bibel jedoch bereits Ende des zweiten Jahrhunderts übersetzt wurde, findet die Sprache zumindest noch in den Gottesdiensten Verwendung und wird dadurch an die nachfolgenden Generationen weitergegeben. Der Priester berichtet, „wir haben auch einen anderen Kalender, der auf die alten Ägypter zurückgeht“. Die Menschen im pharaonischen Zeitalter waren die Ersten, die mittels Sternenkunde dem Jahr Monate und dem Tag Stunden zuwiesen. Daher unterteilen die Kopten das Jahr in 365 Tage und in 13 Monate. Dabei haben zwölf Monate jeweils dreißig Tage und der letzte, der „kleine Monat“, hat fünf oder sechs Tage. An dieser unterschiedlichen Zeitrechnung liegt es, dass sich die uns bekannten christliche Feiertage bei den orthodoxen Kopten etwas verschieben. Außerdem schreiben die Kopten das 1727. Jahr der Märtyrer. Diese Bezeichnung bezieht sich auf die schweren Verfolgungen, denen die koptischen Christen im Laufe der Geschichte immer wieder ausgesetzt waren. Nicht nur ihr Religionsstifter starb den Märtyrertod, unzählige weitere ägyptische Christen folgten. Als mit dem Amtsantritt Kaiser Diokletians im Jahr 284 n.Chr. die Christenjagd einen grausamen Höhepunkt erreichte, begann die Märtyrerzeitrechnung. Aus ihrer Not machten die Kopten dann eine Tugend: Unterdrückungen zu erdulden, heißt für sie, das Kreuz Christi zu tragen, daher nennt sich ihre Religionsgemeinschaft auch „Kirche der Märtyrer“.
Als Kirche der Frankfurter Koptengemeinde dient ein ehemaliges Pfarrhaus, dem wir an einem Sonntag einen Besuch abstatten. Insgesamt gehören mehr als 150 koptische Familien aus dem gesamten Rhein-Main-Gebiet zu St. Markus. Während der dreistündigen Messe füllt sich das Gotteshaus. Damit alle Gemeindemitglieder der Andacht folgen können, wird sie dreisprachig gehalten: auf Koptisch, Arabisch und Deutsch. Vater Pigol und eine Schar junger Männer, alle in weißen Gewändern, übernehmen die liturgische Gestaltung. Mit Ausnahme der stillen Gebete Vater Pigols und den Lesungen aus der Heiligen Schrift ist die Liturgie ein gänzlich gesungener Ritus. Begleitet wird der Gesang von rhythmischen Zimbel- (kleine Becken) und Triangelklängen. Die Musik der koptischen Kirche ist die älteste Musik des Christentums. Sie wurde von Priestern und Vorsängern von Generation zu Generation mündlich überliefert und ist bis heute fast unverändert erhalten geblieben. Für den Laien klingt die orientalisch angehauchte Tempelmusik zunächst etwas gewöhnungsbedürftig. Wenig herkömmlich sind auch die Handlungen des Priesters. Wie bei orthodoxen Kirchen üblich, sind sie geprägt von einer tiefen Symbolik. So schwenkt Vater Pigol ausgiebig die Weihrauchkugel, bis ein dichter Nebelschleier den Saal durchzieht. Das Weihrauchgefäß soll hierbei Maria symbolisieren, deren Geist in Form des Rauches zum Herrn aufsteigt. Und natürlich spielt auch das Abendmahl eine wichtige Rolle im koptischen Gottesdienst. So glauben die Kopten im wörtlichen Sinne, dass das Fladenbrot (statt mancherorts einer Hostie) der Leib Christi und der Wein für dessen Blut ist. Daher wird das Brot mit aller Sorgfalt ausgewählt: es muss von besonderer Qualität und noch dazu perfekt gerundet sein. Vor der Eucharistie werden die auf dem Altar stehenden Gaben mit einem großen Tuch bedeckt – in Anlehnung an das Leichentuch Jesu. Die anschließende Enthüllung von Brot und Wein entspricht somit dessen Auferstehung. Erst wenn dieses Ritual beendet ist, wird das Abendmahl ausgegeben. Da Männer und Frauen getrennt voneinander sitzen, empfangen sie auch die Kommunion separat. Bevor die Frauen und Mädchen den Altarraum betreten, verhüllen sie ihre Haare mit einem der bereitliegenden Kopftücher. Ein Ritual, das in anderen christlichen Strömungen so nicht mehr existiert.
Nach dem Gottesdienst treffen sich die Kopten im Gemeindehaus zur Agape, dem gemeinsamen Essen, dass jede Woche von einer anderen Familie ausgerichtet wird. Danach besuchen die Kinder die Sonntagsschule mit den Bibelstunden. Währenddessen sind die Erwachsenen unter sich, besprechen ihre Sorgen und finden so in der Fremde sozialen Halt. Ein Ägypter erzählt, „die meisten von uns kamen als Kaufleute oder als Studenten hierher, weil wir als Kopten in unserer muslimischen Heimat kaum eine Perspektive hatten.“ Nun haben sie sich in Deutschland eine Existenz aufgebaut, in der sie friedlich ihren traditionsreichen Glauben leben und auch weitergeben können. Ganz offensichtlich ist die Kirche für die Kopten nicht nur ein Ort des Glaubens sondern auch ein Ort der Begegnung.