Facebook-Chefin Sheryl Sandbergs Buch „Option B“

Warum nicht über die Trauer reden?

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Laut dem Forbesmagazin gehört die Facebook-Geschäftsführerin Sheryl Sandberg zu den zehn mächtigsten Frauen der Welt. Im Audimax der FH berichtete die Businessfrau ganz emotional über ihren größten Verlust: Den Tod ihres Mannes.

Nicole Brevoord /

Sie wirkte zerbrechlich, wie sie da leicht zusammengesunken in ihrem eleganten Etuikleid auf dem Stuhl saß, rund hundert Augenpaare waren im Audimax der University of Applied Sciences auf Sheryl Sandberg gerichtet. Die 48-jährige Harvard-Absolventin, die im Jahr 2016 beim Forbes-Ranking zu der siebtmächtigsten Frau der Welt gekürt wurde und die über ein Vermögen von 1,5 Milliarden Dollar verfügen soll – als eben diese toughe Businessfrau mit liebevollen Worten über ihren Ehemann spricht, muss sie ihre Tränen unterdrücken. Elf Jahre war sie mit David Goldberg, ihrem zweiten Ehemann, verheiratet, hat zwei Kinder mit ihm. Alles schien perfekt, hatte sie doch den idealen Partner gefunden, der die Karrierefrau und Frauenrechtlerin unterstützte. Doch 2015 kam der Schock, beim Training auf dem Laufband in einem Hotel in Mexiko kollabierte Goldberg plötzlich und erlag einer Herzschwäche. „Dein Leben verändert sich in einer Sekunde“, erinnert sich Sandberg. Im Gespräch am Donnerstagabend sprach die einflussreichste Frau des Silicon Valley über den Verlust, der ihre Welt auf den Kopf stellte, über die unbändige Trauer und wie sie letztlich ihre bitteren Lebenslektionen in ein Buch verwandelte, das anderen Trauernden helfen soll. Nachdem ein Leben mit David, ihre Option A, nicht mehr möglich war, suchte sie die „Option B“, so auch der Name ihres Buchs.

Sandberg musste lernen, dass man Resilienz, also die psychische Abwehrkraft, trainieren kann wie einen Muskel, berichtet sie. „Der Mensch, den ich in einer Krisensituation am meisten gebraucht hätte, war plötzlich nicht mehr da.“ Ihr schlimmster Moment sei gewesen, den beiden Kindern den Tod des Vaters zu erklären. Für ihr Buch, in dem sie auch viel Persönliches preisgibt, hat Sandberg Recherche betrieben, fragte Psychologen und durchforstete Studien. Ihr persönlich habe die Erkenntnis geholfen, dass der Zustand der Trauer keine dauerhafter sei. Man höre viel von posttraumatischen Störungen, aber sehr viel häufiger gebe es das posttraumatische Wachstum. Dass Menschen also aus einer Krise gestärkt hervorgehen, nur werde darüber viel zu wenig berichtet. Der Wert tiefgehender Beziehungen, der Familie, das Band zu den Kindern, all das sei durch den Trauerfall gestärkt worden. Doch der Weg dahin sei hart gewesen, vor allem wegen des Gefühls der Isolation. Tod und Trauer seien mit einem Tabu belegt, Menschen hätten Skrupel, die Hinterbliebenen anzusprechen, was ein Fehler sei. Es sei, wie man im Englischen sagt, ein „Elefant im Zimmer“, ein großes Problem, das im Raum stehe, aber ignoriert werde. Sandberg tat damals also das, was man von der Chefin eines sozialen Netzwerks erwartet: Sie teilte ihre Gemütsverfassung auf Facebook und ihr half, dass sich so viele Menschen mit ähnlichen Erfahrungen zurückmeldeten, dass man ins Gespräch kam.

Sandberg habe recht schnell nach dem Todesfall wieder begonnen zu arbeiten, schon alleine um der Stille im Haus zu entgehen. Sie habe auch in Meetings geweint und das Gefühl zu haben, im Kollegenkreis auch nach dem großen Verlust noch geschätzt zu werden, habe ihr sehr geholfen. Der Tod habe ihr das Selbstbewusstsein geraubt, das sie allmählich habe wieder aufbauen müssen. „Oft laufen Hilfsangebote von Freunden ins Leere. Statt ‚kann ich helfen?’ zu fragen, sollte man Angebote machen, eine konkrete Auswahl anbieten und einfach da sein.“ Sandberg berichtet darüber, wie sie sich anfangs geschämt habe, wenn sie für eine Minute mal glücklich gewesen sei. Wie sie lernen musste, sich selbst zu verzeihen, alle Schuldgefühle beiseite zu fegen. Sie führte Tagebuch und ein kleines weiteres Büchlein, in dem sie jeden Abend drei Momente des Glücks eintrug, die sie an dem Tag erlebt hatte. „So habe ich den Fokus wieder auf die Freude gelegt“.

Man höre oft den Rat: „Alles wird gut“. Doch der Trauernde wisse genau, dass das vielleicht nicht stimme. Viel hilfreicher sei es, wenn man sich sicher sein könne, dass man nicht alleine ist, egal was das Schicksal für einen bereithalte. Außerdem solle man mehr Mitgefühl mit sich selbst haben. Oftmals denke man über sich Dinge, die man in dieser Härte niemals über die beste Freundin denken würde. Sheryl Sandberg hat kein Problem damit, sich verletzlich und manchmal sogar schüchtern zu zeigen. Sie hat sich auch wieder ins Leben gekämpft, hat einen neuen Partner gefunden und kann wieder herzlich lachen und damit den Hörsaal in ihren Bann ziehen.

>> Sheryl Sandberg: „Option B“, Ullstein Buchverlage.

Nicole Brevoord
Nicole Brevoord
Jahrgang 1974, Publizistin, seit 2005 beim JOURNAL FRANKFURT als Redakteurin u.a. für Politik, Stadtentwicklung, Flughafen, Kultur, Leute und Shopping zuständig
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