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Zum 80. von Fritz Rau

Es gab schon Standing Ovations, da war noch kein einziger Ton gespielt beim Festkonzert zum 80. Geburtstag von Fritz Rau. Da hatte das Publikum in der ausverkauften Alten Oper den Impressario auf dem Balkon entdeckt, dort wo er – wie er mir vorher im interview gesagt hatte – sich mit einem Badetuch platzieren wollte, um „bittere Tränen der Freude“ zu weinen. Assistiert wurde er dabei von seiner Lebensgefährtin Friederike und Stargast Sigmar Gabriel, der – typisch Politiker J – wie an der Schnur gezogen immer mit aufstand, wenn Fritz sich – sichtlich gerührt von soviel Liebesbekundungen – aus dem Sessel schraubte, um in untypischer Pose mit Victory-Zeichen den Emperor zu geben oder sich einfach bei seinen Künstlern nach dem jeweiligen Ständchen zu bedanken.

Von Dieter Nentwig, dem es gelang, Fritz von dieser Gala zu überzeugen, und Werner Reinke vom HR (na ja, faktensicher waren seine Moderationen nicht immer, aber sei’s drum... Ich hab’ über die Jahre ja auch meine eigene Wahrnehmung der Popgeschichte gefunden, aber ich weiß, dass Edo Zanki „Die Tänzerin“ nicht auf einer „Orgel“ kreiert hat, haha...) smart anmoderiert, durften die Fans im Saal, die alle so ihren Favoriten im Line up hatten, dann von 19 bis fast 23 Uhr Raus „schizophrenen Geschmack“ (O-Ton des Jubilars) genießen, den die Programmgestalter tatsächlich halbwegs chronologisch in die Sektionen „Jazz und Blues, Spirituals und Gospel“, „Chanson und Song“ und „Rock und Pop mit Jazz und Blues“ gepackt hatten. Dass alle Songs – auch inhaltlich – irgendwie mit Fritz zu tun hatten, dem Mann, der den Blues, den Folk, den Jazz und den Rock’n’Roll nach Deutschland geholt hatte mit seinem langjährigen Partner Horst Lippmann, verstand sich von selbst. Denn jeder der Solisten auf der Bühne hat einen ganz persönlichen Draht zu Rau, oft gar „Familienanschluss“. Entsprechend persönlich verlief das alles, was es auch für Menschen wie mich unterhaltsam, spannend und zum Genießen war trotz vieler Künstler, die ich über Dekaden zu ignorieren wusste. Aber hier ging es ja um Fritz, gell Heinz Sauer...

Den Anfang machten die Jackson Singers und prompt war Stimmung im Haus. The power of Gospel! Dann die United Jazz Experience mit spezial guest Andreas Rau an der Gitarre mit wunderschönen Bluessoli (na wer Hendrix als Lehrer hatte und wenn’s auch nur bei einem Hausbesuch war...) und seiner hessischen Adaption des „Sormy Monday Blues“ und die Barrelhouse Jazzband, die sich – kreolisch und karibisch gefärbt – aufs „Showboat“ begab statt auch dem Blues zu frönen wie ursprünglich geplant.

Das tat dann Emil Mangelsdorff, der ein paar Jahre mehr auf den Buckel hat als sein Freund Fritz Rau. Wow – nicht nur die Rhythmussektion mit Vitold Rek (Kontrabass) und Schlagzeuger Janusz Stefa?ski (ja, ja, die Polen sind ganz spezielle Jazzer), auch Emil htte unglaublich Verve und Dynamik. Wo nimmt der Mann, dessen Frisur – so fiel mir an diesem Abend auf – in David McCallum in der Rolle des Illya Kuryakin in „Solo für O.N.C.E.L.“ inspiriert haben muss, bloß die Luft her. „Bei ihm müsste das Alt- in Jung-Saxophon umbenannt werden“, lautete ein begeisterter Kommentar hinterher. Ein wunderschöner Ton und nicht minder wunderschöne Melodielinien.

Dann endlich die offizielle Laudatio. Nur zehn Minuten haben man ihm aufgetragen so Prof. Dr. Wolfgang Sandner. So blieb’s menschlich, wurde nicht deulilletonistisch, gar akademisch. Nur sein Blick blieb ernst und cool wie immer. Er muss einen guten Image-Berater haben, der FAZ-Mann. Vier Worte charakterisieren für ihn Fritz Rau: Liebe. Perfektion. Kreativität. Cleverness. Mit Ulla Meinecke betrat dann ein Frankfurter Mädche mit Gitarrist Ingo York die Bühne. Sie traute sich, was sich sonst keiner traute, sang ein Lied mit feienr Ironie und viel Wahrheit passend zum Anlass. „Ich bin zu alt.“ Sie stand für Song, Nana Mouskouri dann für Chanson. Die Frau der großen Gesten, mit viel Theatralik dargeboten. Das würde ihr erlauben, den ball beim Singen flacher zu halten. Denn wenn sie da zu brillieren versucht, versagt ihr Organ schon mal. Weniger re mehr. Die Fans lieben sie ohnehin. Pause.

Die hr-Bigband nahm ihren Platz ein. Und noch einer, der sich was traute. Dr. Jürgen Schwab, Begleiter vieler Fritz-Rau-Lesungen, sang seinen eigens zum Event geschriebenen Song „Der alte Fritz“ (auch auf seinem brandneuen Album „Heute noch“ zu hören). Was sich die Journaille als Headline bei ihren Artikeln versagte, Schwab sag es, allerdings nicht uncharmant. Denn der Runterzieher des Abends. Mike Scheller, ein Ex-Partner von Rau, mit einer nicht endend wollenden Rede der Selbstbeweihräucherung, der dem „Meister“ (so nannten sie den Chef früher) nicht geschmeckt haben dürfte. Das Publikum nahm´s mit Humor, versuchte Scheller zum ende zu Klatschen. Keine Chance. Und die Bigband langweilte sich.

Inga Rumpf, Deutschlands beste Bluesstimme seit Anfang der Siebziger brachte die Stimmung sofort wieder nah an den Siedepunkt. Mit den Mannen aus der Bertramstraße sang sie James Browns „This Is A Man’s World“ mit improvisierten Passagen für Rau, danach begleitete sie sich am Flügel bei „My Life Is A Boogie“. Souverän, beseelt, ein absoluter Bringer.

Das Kontrasprogramm hieß Howard Carpendale. Auch mit Big Band und sehr viel spontanem Witz, erbot sich der Südafrikaner aus dem bergischen Land doch, die Rede von Scheller schnell mal in englischer Übersetzung vorzutragen. Und wunderte sich: „Ich habe noch nie so viele Männer im Publikum gesehen.“ Ja, alter Womanizer. Hier ging’s nur partiell um Dich.

Riesenbeifall auch für Udo Lindenberg. Das Jonglieren mit dem Mikro mit punktgenauer Landung klappte nicht mehr so ganz (Achtung! Kastrationsgefahr in der näheren Umgebung), ansonsten war Udo ganz der Alte und seine Songs „Bis ans Ende der Welt“ und „Hinterm Horizont“ waren auch deutliche Botschaften an den Freund und Verbündeten Fritz Rau. Für ihn nahm er sogar mal länger die Brille ab. Zum Finale Peter Maffay, auch hier mit Bigband-Unterstützung, mit „Eiszeit“ und „Nessaja – Ich wollte nie erwachsen sein“, passend zum Benefit der Veranstaltung. Denn schließlich gingen alle Erlöse an die Tabaluga Kinderstiftung.

Text und Fotos: Detlef Kinsler
 
22. März 2010, 17.08 Uhr
Detlef Kinsler
 
 
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