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Foto: Dirk Ostermeier
Foto: Dirk Ostermeier

Rapper Credibil im Gespräch

Halb Kurde, halb Türke, ganz Deutscher

Credibil aus Bockenheim gilt als aufstrebender Stern am Rap-Himmel, Sonntag tritt er im Zoom auf. Wir haben uns mit dem Rapper über sein neues Album „Semikolon“, seine Mutter und die Politik unterhalten.
„Semikolon“ ist grade raus und du stehst schon wieder im Studio – wie kommt’s?

Ich hab Bock Mucke zu machen, Bock Mucke zu produzieren. Alles ist ein Segen. Ich war gestern mit Xavier Naidoo im Studio. Es passiert die ganze Zeit irgendwas und Gott sei Dank habe ich die Möglichkeit mitzumachen.

Wie funktioniert die Zusammenarbeit mit Moses Pelham?

Er macht das ausgezeichnet. Er ist mein Berater und gibt mir Feedback. Das ist manchmal nicht so leicht zu verdauen. Er ist immer konstruktiv, aber er sagt mir nicht immer das, was ich hören will.

Was kann ein junger Rapper heute von so einem Veteranen lernen?

Moses hat halt alles schon einmal gemacht. Viele Fehler muss ich nicht mehr machen, weil er mich davor warnen kann.

Hast du ein Beispiel?

Er sagt zum Beispiel, ich soll nicht so aufbrausend sein. Wenn es geht, soll ich Dinge runterschlucken, bevor ich sie kaputt mache.

Also besser nicht Stefan Raab schlagen?

Dazu kann ich nichts sagen. Aber ich hätte damals hundertprozentig genauso reagiert und vielleicht wäre das dann ein Fehler. Davor bewahrt er mich.

Was ist für junge Rapper heute einfacher?

Wir haben das Internet, das umgeht alles. Radiopromoter, Fernsehpromoter, Werbepromoter, selbst ein Label – alles ist im Zweifel irrelevant. Es ist weiterhin cool, wenn es da ist, aber es nicht mehr zwingend notwendig. Du erreichst direkt die Hörer, wenn du willst.

Auf dem Vorgängeralbum „Renæssance“ hast du gerappt „Ich schreibe weil ich muss, nur selten weil ich will.“ Ich habe den Eindruck, das hat sich geändert.

Ja, ich schreibe, weil ich es will. Aber ich habe mich auch dazu verpflichtet. Es macht mir immer noch Spaß, mich mitzuteilen und meine Messages zu verpacken.

Wie stark ist der Rapper Credibil eine Kunstfigur und wie viel Erol Peker steckt in ihm?

Credibil ist zu 100 Prozent eine Kunstfigur. Ich bin der Typ, der Credibil macht, mit ein, zwei Freunden um mich herum. Mein bester Freund macht bei uns das Management und den Schatzmeister. Mein Bruder macht die Homepage und die Fotos, Mikis macht die Videos –
schon von Anfang an. Wir haben Moses und wir haben jetzt auch die Sony, die mit uns Credibil stemmen.

Also ist Credibil eigentlich eine Teamarbeit?

Ja, voll. Was wäre ich denn ohne die anderen? Ich könnte mich natürlich direkt an die Zuhörer wenden, aber das wäre etwas anderes. Zu Credibil gehören auch die Videos. Die haben meist noch eine besondere Message, weil Mikis die macht. Die Fotos sehen so aus wie sie aussehen, denn niemand kann mich so fotografieren wie mein eigener Bruder. Alles um mich herum ist in Credibil involviert.

Ein Track von dir heißt „Frankfurter Schule“ – was bedeutet das für dich?

„Frankfurter Schule“ heißt für mich, in Frankfurt eine zeitlang ge- und erlebt zu haben, und hier, wie in einer Schule, etwas gelernt zu haben. Ich schreibe in dem Song viel über den Bahnhof und Gegensätze, die sich anziehen.

Der Albumtitel „Semikolon“ ist außergewöhnlich. Wie kamst du darauf?

Das Semikolon wird von Autoren verwendet, wenn sie einen Satz noch weiterschreiben wollen. Weitermachen, weiterkommen, mehr sein als andere in einem sehen – das bedeutet Semikolon für mich. Deshalb sind die Songs auf dem Album auch mehr als man erwartet. Wir haben viel Autotune drauf und viel Rap, aber auch Melodisches. Das ist keine einfache Credibil-Platte, sondern mehr. Mehr Freiheit.

Weißt du, welche zwei Worte am häufigsten auf dem Album vorkommen?

Mama und ...?

„Mama sagt.“ Was bedeutet deine Mutter für dich? Sie eröffnet ja auch das Album.

Sie ist mein Wegweiser. Sie hat mir den Gedanken in den Kopf gesetzt, meinen Traum zu verfolgen. Meine Mutter hat einen Sohn geboren, der ist Fotograf geworden, und einen, der ist Musiker. Unsere Mutter ist dabei auch nicht dieselbe, die sie vor uns war. Wir haben uns gemeinsam an uns entwickelt. Wenn sie uns eins gezeigt hat, dann, dass uns alles offen steht. Ich hab mit neun zu Mama gesagt, ich will Rapper werden und mach damit mein Ding. Der einzige, der in der Szene mein Ding macht, bin ich. Es gibt sonst nur wenige „Straßen-Rapper“, die darauf fokussiert sind, auch schwere Inhalte mitzuteilen. Das ist Teil meiner Marke.

Apropos schwere Inhalte. Eine Line, die du öfters verwendest, lautet „Halb Kurde, halb Türke, ganz Deutscher“. Ist im Moment schwierig, wenn Erdogan in der Türkei Krieg gegen die Kurden führt und deshalb das deutsch-türkische Verhältnis belastet ist, oder?

Du setzt die Türkei mit Erdogan gleich, ich verbinde mit der Türkei völlig andere Dinge. Menschen in der Türkei verbinden Deutschland mit Nazis. Ich verbinde Deutschland mit etwas ganz anderem. Es kommt immer auf den Blickwinkel an. Beim Fotoshooting fragte dein Fotograf, ob er mich mit Deutschland-Fahne im Hintergrund fotografieren darf. Dann sag ich ja, damit Leute sehen, dass wir hier zusammen unterwegs sind und das seit 50 Jahren. Wir gehören dazu, Oğlum, wir sind zusammen. Ein Konflikt zwischen Kurden und Türken wäre für mich ein Konflikt von mir gegen mich selbst.

Auf „Semikolon“ rappst du, dass du die Festhalle vollbekommen willst. Wann passiert das?

Das weiß ich nicht, ich bin kein Hellseher. Ich habe es mir abgewöhnt, über die Zukunft zu spekulieren. Aber ich gebe mein Bestes, dass es frühzeitig passiert, denn ich habe auch Bock. Es würde mich aber nicht kränken, wenn es erst in zehn oder 20 Jahren passieren würde. Ich kann von der Mucke leben, ich kann veröffentlichen, ich bin glücklich.

Das funktioniert?

Klar. Mal mehr, mal weniger, natürlich. Es gibt mal einen Song, der besser läuft, und mal einen, der schlechter läuft.

Auf „Semikolon“ sind die Texte teils deutlich kürzer als auf dem Vorgänger-Album. Der politischste Song „Vallah“, der das Leben eines Menschen ohne Papiere in Deutschland schildert, ist gleichzeitig der kürzeste. Wie kommt das?

Ich bin Künstler und versuche meine Kunst immer ein bisschen besser zu machen. Ich glaube daran, dass meine Message mehr Leute erreicht, wenn ich sie leichter verpacke. Ich wollte schweren Inhalt leicht verpacken, das war mein Ziel bei „Semikolon“.

Den Track „Wenn du willst“ hast du auf Instagram mit einer Hochzeit in Vegas angekündigt. Ist Erol Peker verheiratet?

Das war Show für das Video. Aber wir hatten das perfekt geplant. Wir sind extra zu dritt nach Las Vegas geflogen, „meine Braut“, Mikis und ich.

Auf dem neuen Album sind viele Sprachaufnahmen von Freunden und Familie dabei. Das klingt fast dokumentarisch. Wie kam es dazu?


Ich habe zwei, drei Jahre lang meinen Freundeskreis heimlich aufgenommen. Auf einer früheren Version von „Semikolon“ gab es vor und nach jedem Track ein passendes Sprach-Sample. Das habe ich aber reduziert.

Wie sauer waren die Kumpels, als sie gemerkt haben, dass du sie heimlich aufnimmst?

Die waren schon verwirrt, wenn sie sahen, dass mein Handy aufnahm, und fragten: „Was machst du da? Was ist das?“ Ich habe gesagt, dass sei für mein nächstes Album. Die wollten dann aber doch, dass ich das lieber mal ausmache. Man spricht unter sich doch freier. Aber wenn ich etwas aus meinem persönlichen Leben in Songs beschreibe, dann frage ich die Leute immer, ob sie damit einverstanden sind, dass ich das erzähle.

Auf „Toter Winkel“ aus „Renæssance“ erzählst du von einem Bekannten, der sich dem IS angeschlossen hat. Ist das authentisch?

Ja. Der ist gestorben. „Allah rahmet eylesin“ sagt man bei uns, das heißt „Gott habe ihn gnädig“. Mehr kann man da nicht sagen.

In einem Radio-Interview hast du lobend über den Frankfurter Oberbürgermeister gesprochen. Habt ihr Kontakt miteinander?

Der Oberbürgermeister hat mich zu einem Hip-Hop-Workshop im Gallusviertel eingeladen. Ich denke, da werde ich mal vorbeischauen, um diesem Projekt Respekt zu zollen. Ich helfe gerne Menschen, aber ich fokussiere mich mehr auf Musik als auf Prestige. Aber wir haben Gott sei Dank einen guten Bürgermeister. Für ihn muss ich mich nicht schämen. Er hat jahrelang in Jugendzentren gearbeitet. Er ist fit, kennt sich mit Problemen aus. Er schaut nicht weg. Ich habe ihn einmal vor der Batschkapp kurz kennengelernt. Es hat mir sehr gefallen, dass er mich gegrüßt hatte und sich offensichtlich freute, mich zu sehen, obwohl er mich gar nicht kennt. Ich habe ihm nicht gesagt, dass ich gleich zusammen mit Moses auftrete, aber er hat sich ehrlich für mich interessiert. Guter Oberbürgermeister.

Wenn du OB wärst, was würdest du ändern in Frankfurt?

Oh, das traue ich mir nicht zu. Aber ich würde gerne alle umsonst mit Bus, Bahn und U-Bahn fahren lassen. Jeder Haushalt sollte Kinderbetreuung bekommen. Außerdem würde ich die Amtszeit des OBs verlängern, damit ich lange meine Ruhe habe. Aber so was musst du Politiker fragen, nicht mich. Jetzt sitze ich hier mit meinem gefährlichen Halbwissen und schönen Träumen. Aber vielleicht liest es ja jemand und sagt: „Der hat recht.“

Naja, mit den Ideen bist du aber auch wirklich nicht der einzige.

Wenn du mich fragst, dafür hasst mich jeder, aber ein Autoverbot in Frankfurt fände ich gut. So wie in Schweden, die ab 2030 Benzin- und Dieselfahrzeuge verbieten wollen.


>> Es läuft für Erol Peker. Fans kennen den Rapper unter seinem Künstlernamen Credibil. Sein erstes Album Renæssance war ein veritabler Underground-Hit. Den hat auch Moses Pelham vernommen und den Aufsteiger unter seine Fittiche geholt. Mit dem neuen Album "Semikolon" im Gepäck ist Credibil nun auf Deutschland-Tour, Sonntag den 10. März wird das Finale der Tour im Zoom gefeiert. Anlass genug, mit dem Rapper über seine Karriere zu reden. Ein ausführliches Portrait von Credibil und seiner Musik findet sich auch in der Ausgabe 3/2019 des JOURNAL FRANKFURT.

10. März, 20 Uhr, Credibil, City, Zoom, Brönnerstraße 5-9, 16 Euro
 
4. März 2019, 10.10 Uhr
jps
 
 
Fotogalerie:
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