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Moritz-Rinke-Stück im Schauspiel Frankfurt

"Wir lieben und wissen nichts"

Im wahren Leben sind sie Paare, auf der Bühne im neuen Rinke-Stück „Wir lieben und wissen nichts“ auch. Ein Gespräch mit Marc Oliver Schulze, Claude de Demo, Oliver Kraushaar und Constanze Becker.
Journal Frankfurt: Im Stück spielen Sie zwei Paare, die aufeinandertreffen. Wie kommt es dazu?
Marc Oliver Schulze: Der Hintergrund ist ein ein beruflich bedingter Wohnungstausch. Dieses Paar kommt aus Zürich zu uns. Wir gehen nach Zürich. Da treffen zugleich verschiedene Lebensentwürfe aufeinander. Vier unterschiedliche Menschen eifern ihrer Berufung nach, lassen das Zwischenmenschliche außer Acht und stehen am Ende alleine da. Das macht es zu einem Stück unserer Zeit.

Was charakterisiert unsere Zeit?
Oliver Kraushaar: Die Job-Nomaden.
Constanze Becker: Berufliche Mobilität. Sie führt Leute aus rein beruflichen, nicht aber aus privaten Interessen zusammen. Das Private ordnet sich also dem Beruf völlig unter.
Kraushaar: Die Menschen werden durch die Weltgeschichte geschickt. Doch natürlich quillt das Persönliche hier und da hervor, wenn es angepiekt wird. Das führt dann zu interessanten Verkettungen, insbesondere, weil die Paare sich für solch unterschiedliche Sachen interessieren. Auf der einen Seite die Begeisterung für Fortschritt und Technik in all ihren Spielarten ...
Schulze: ... auf der anderen das anachronistisch veranlagte Paar mit Neigung zur Kunst und Literatur – und einem veralteten Entsafter im Schrank.

Das ist natürlich ein Manko ...
Claude de Demo: Nur aus Sicht der anderen beiden, die einen mit zwei Pressphasen haben. Wie sagst du so schön im Stück: Ich leb ...
Kraushaar: Ich leb nun mal in dieser Welt.
Schulze: Weswegen es auch so ein Trauma sein kann, sich des Internet-Passworts bei der Schlüsselübergabe nicht entsinnen zu können. Der gute Mann möchte doch seinen Raketenstart per Livestream beobachten. Internet ist für ihn lebensnotwendig.

Das zögert den eigentlich kurzen Moment der Schlüsselübergabe hinaus.
Schulze: Richtig, und da wird es dann auch gleich kompliziert. Ich kann ihnen auch erzählen, dass ich zeugungsunfähig bin und sie ein Kind von einem anderen Typ hatte, das sie mir unterschieben wollte ...
Kraushaar: ... der zugleich so heißt wie das Kind, das meine Frau hat, aber nicht von mir ...
Schulze: ... das wiederum aus Schweden kommt.

Ich schreib gar nicht erst mit.
Claude de Demo: Kurz gesagt dauert die Übergabe eine ganze Nacht. In diesen Stunden kracht’s.
Diese Flexibilität, trifft die nicht auch Sie als Schauspieler, die von Stadt zu Stadt ziehen?
Becker: Für die Verhältnisse der heutigen wirtschaftlichen Welt sind wir sehr langsam. Die wahren Nomaden treffen auf fremde Orte, an denen sie gar nicht erst heimisch werden wollen, auf fremde Menschen, deren Wohnung sie einfach so übernehmen.
Kraushaar: Laut Studien steht ja in der durchschnittlichen deutschen Wohnung ein Drachenbaum. Sobald das olle Ding vorhanden ist, fühlen sich die Menschen zu Hause.
Schulze: Es ist nichts anderes als ein Chatroom. Auch dort sprechen einander Fremde über Persönlichstes.
Kraushaar: Die Größe in einer Gemeinschaft wird ja durch die Verfügbarkeit festgelegt. Wer ganz privat bleibt, der ist eben nicht verfügbar. Anders gesagt: Wer beständig dabei ist, Netzwerke aufzubauen, kann die Chance für die Liebe gar nicht mehr empfinden.

Heißt das, mit jedem halbwegs kompatibel zu sein?
Kraushaar: Man kann Menschen natürlich nicht willkürlich ineinanderstecken.
Becker: Wäre es besser, mit einem anderen Partner von vorne zu beginnen? So einfach ist es nicht.
de Demo: Partner entwickeln sich weiter, sie üben sich in Gedankenspielen, das ist ja auch gar nichts so Neues. Ich finde die Position ganz richtig, die das Stück bezieht. Es stellt einfach nur dar, es zeigt lediglich, ohne zu bewerten, es ist eben nicht sozialkritisch.

Der Diagnose, junge Erwachsene wollten sich auf nichts mehr festlegen, wollten eben nicht erwachsen werden, würden Sie also widersprechen?
De Demo: Ich weiß nicht, wie es wäre, wenn man auf uns im wahren Leben die Kameras richten würde. Das wäre auch ein Sammelsurium an Gesprächen, Anekdoten, Verweisen, das
es schwer macht, etwas Allgemeingültiges ab-zuleiten. Natürlich kann jeder Satz etwas bedeuten, jeder Gegenstand aufgeladen sein. Muss es aber nicht.
Kraushaar: Es gibt keinen ordnende Hand, keinen Gott.
Schulze: Außer er kommt aus dem Entsafter. Der Deus ex Machina. Aber im Ernst: Was heißt, niemand wolle sich mehr festlegen? Wir haben uns doch festgelegt mit unserem Partner und unseren Kindern.
Kraushaar: Wir waren fünf Jahre in einer Fernbeziehung, seit neun Jahren sind wir zusammen. Bei Claude und Marc ist es ähnlich. Sozio-logische Diagnosen lassen sich nicht auf jeden Menschen münzen.
Schulze: Vielleicht lässt sich dies festhalten: Eine Familie zu gründen gibt eine Konstante vor. Es verändert die Hierarchie zwischen Beruf und Privatem. Danach denkt man anders über seine Entscheidungen nach, auch seine beruflichen Entscheidungen.

Und das Stück – wie endet es?
De Demo: Es endet einfach. Das Leben geht weiter.
Becker: Vielleicht schreibt Moritz Rinke ja eine Fortsetzung.
Kraushaar: Wir lieben und wissen immer noch nichts. So sieht es nämlich aus.

>> Wir lieben und wissen nichts
Stück von Moritz Rinke, Uraufführung,
Ffm: Schauspiel Frankfurt, Willy-Brandt-Platz, 14.12., 20 Uhr, 16.12., 11.1., 16.1., 18 Uhr, Eintritt: 17–30,–/erm. 8,–
 
12. Dezember 2012, 11.20 Uhr
Interview: Nils Bremer
 
 
Fotogalerie:
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