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Foto: Pierre Futsch
Foto: Pierre Futsch

Hans Zimmer auf Heimaturlaub

Filmmusik mit viel Theaterdonner

Unser Mann in Hollywood, Filmkomponist Hans Zimmer, nutzte sein Konzert in der Commerzbank-Arena für eine Liebeserklärung („Viel schöner als Paris.“) an seine Geburtsstadt und zwängte sich dafür sogar in ein Eintracht-Trikot.
So eine Unternehmung kann nur funktionieren, wenn man sie generalstabsmäßig vorbereitet und durchführt. „Hans Zimmer Live on Tour 2017“. Eine neunzehnköpfige Band hochkarätiger Solisten steht dem Filmkomponisten und Multiinstrumentalisten zur Seite, dazu noch nach Region wechselnde Orchestermusiker und 15 Chorstimmen, insgesamt über 60 Leute auf der Bühne, dazu unzähliges, technisches Personal und ein Mega-Produktionsteam vor Ort und in diversen Büros rund um die Welt, um die Welttournee durch die Arenen am Laufen zu halten. Uff. Da ist es nur zu verständlich, wenn man im Netz identische Setlists mit derselben Abfolge für die alle vorangegangenen Auftritte findet. Als Sicherheitsanker für alle Beteiligten. Und dann dies.

Der 1957 in Frankfurt geborene Zimmer kehrt in seiner Heimatstadt zurück, die er mit 12 verlassen hatte, entdeckt die Stadt in den Tagen vorm Konzert am Freitag neu und wirft für sein Konzert in der Commerzbank-Arena alles über den Haufen nachdem er – zunächst allein am Upright Piano seine Bandmitglieder nach und nach auf der Bühne begrüßt –, um sich ganz bald ans Publikum zu wenden. „Hallo Frankfurter. Ich bin auch Frankfurter“, reißt er sich sein Oberteil vom Leib und steht – bejubelt vom Volk – in einem schwarzweiß gestreiften Eintracht-Trikot auf der Bühne. Wow. Und unser Mann aus Hollywood verspricht nicht weniger als die „perfekte Party“.

Zimmer hat Freunde in der ganzen Welt. Eine Freundin will er den Leutchen im weiten Rund – keine Ahnung wie viele es gewesen sein mögen – gleich zu Beginn des langen Abends vorstellen und zieht das „Gladiator“-Medley deshalb vor. Dead Can Dance-Sängerin Lisa Gerrard ist der Special Guest. In einem opulenten gelben Gewand wie aus einem Kostümfilm. Queen Elizabeth als Alien. Nur für diese beiden Filme hat Zimmer die Musik ausgerechnet mal nicht geschrieben. Die beiden Dresse nebeneinander zu sehen, das wirkte schon sehr skurril. Fußballtrikot und wallende Robe. Mit dem ausgezeichneten indischen Drummer Satnam Singh Ramgotra, hier an den Tablas, und dem ve­ne­zo­la­nischen Holzbläser Pedro Eustache mit der armenischen Aprikosenholzflöte Duduk (der schönste Klang der Welt), zu Gerrards außergewöhnlicher Stimme gelingt dieser Einstieg herzergreifend. Der Kopf des Unternehmens, der im aufwendig gestalteten Tourbooklet freimütig über seine Bühnenangst parliert, ist – ganz aufgeregt – in Plauderlaune, erzählt Anekdoten zu einzelnen Projekten, nennt die befreundeten Autoren und Regisseure alle beim Vornamen und vergisst dabei, die nächsten Stücke zuzuordnen.

Die Technik schafft das aufgrund der auf den Kopf gestellten Reihefolge nur wenige Male am Abend, die Titel auf den Leinwänden einzublenden. Ansonsten musste man wohl ausgewiesener Cineast sein, um das alles zu erkennen, zumal genauestens zuordnen zu können, zu welchen der gerade gehörten Töne Russell Crowe durch welche Szene ritt. So kam tatsächlich der Wunsch bei einigen Anwesenden auf, man hätte doch Filmszene einspielen können zur Orientierung. Zu viel des Guten (zumal rechtlich wahrscheinlich schwierig). Die Suggestionskraft der Musik müsste eigentlich reichen. Nur außer bei „The Lion King“ mit der gesanglichen Doppelspitze Lebo M. und Refi als leicht als afrikanisch zu identifizierenden Klängen und der Mithilfe vom Nick Glennie-Smith am Akkordeon mit Papagei auf der Schulter als unmissverständlichem Hinweis auf die „Pirates Of The Caribbean“ ließ sich der Rest nicht wirklich logisch zuordnen. Es ist keine Programmmusik à la „Bilder einer Ausstellung“ oder „Die Moldau“.

Denn die Aufgabe eines Filmkomponisten ist ja, Stimmungen und Atmosphären der Bilder aufzugreifen, sie zu stützen, fortzutreiben, zu konterkarieren. Ohne Bilder wirkt vieles erst mal abstrakt und auf Effekt getrimmt, die alte Frage stellt sich einmal mehr: sind solche Score (die eben keine Songs sind) wirklich geeignet für eine solche Bühnenumsetzung? Ohne Bilder wirken sie im Falle von Hans Zimmer wie ein Konglomerat unterschiedlichster Versatzstücke aus Klassik (der gute Herr Mozart wird einmal kurz angesprochen von Hans Zimmer), Weltmusik, Orffs „Carmina Burana“, sinfonisch orchestriertem Metal und und und. Denn die Band kann so subtil wie brachial.

Der grandiose Gitarrist Guthrie Govan vom Trio The Aristocrats steht wie kein zweiter in der Band für beides. Wunderschön sind seine Slide-Passagen. Ein wahrer Gitarren-Stilist, der u.a. Unterstützung an den Saiten erfährt von Nile Marr, dem Sohn von Johnny Marr (The Smiths). Erwähnung finden muss auch die satt groovende Bassistin Yolanda Charles und die Bauchnabel frei-Fraktion mit den Violinistinnen Molly Rogers und Leah Zeger sowie E-Cellistin Tina Guo, von Zimmer als besonders talentierte Solistin angepriesen. Der Chinesin mag man zurufen: Emphase ist nicht Empathie. Viel zu aufgesetzt wirkt ihre – man mag es kaum schreiben – Körpersprache, Mimik und Gestik.

Wirklich empathisch ist ihr Chef, wenn er über das Entstehen der Komposition „Auraro“ erzählt, einem Amoklauf in einem Kino in Colorado bei der Aufführung von „The Dark Knight Rises“, und vom Tod von Heath Ledger erzählt. Wortlos habe man auf die Tragödien reagieren wollen. „Die Welt ist seitdem nicht besser geworden. Wir wollen unsere Arme um euch legen“, gehe es ihm, Zimmer, darum, mit dieser multinationalen Truppe ein kreatives Miteinander zu demonstrieren und der Welt zu zeigen, wie solidarisch Menschen miteinander umgehen können.

Während das Ensemble im ersten Teil vor der Pause fast dezent agierte und der aufs Dach der Commerzbank-Arena prasselnde Regen die Musik zu überdecken drohte, gab die Mannschaft im zweiten Teil des Abends, in dem aufgrund der Dunkelheit Lightshow und Projektionen entsprechend besser zur Geltung kamen, richtig Gas. Kann man im Zusammenhang mit Filmmusik von Theaterdonner reden? Jedenfalls wurde es lärmiger, „elektronischer“, auch mal disharmonischer. Ein echtes Spektakel zum Finale hin, das die Zuhörer reichlich schwindelig gespielt hinterlässt.

Beinahe vergessen: es gab noch einen Überraschungsgast. Trevor Horn vom britischen New Wave-Duo The Buggles, zu dem auch mal Hans Zimmer in seiner Londoner Zeit gehörte, kam – natürlich mit überdimensionaler Brille – auf die Bühne, um mit seinem „Big Zim“ den Megahit „Video Killed The Radio Star“ zu performen. Herrlich gaga. Da war sie, die versprochene Party, und man konnte sich nur wundern, dass bei dieser fürs Orchester und den Chor notierten Musik so viel Raum blieb für Improvisationen und Spielereien, fast so wie auf einem großen Kindergeburtstag auf Welttournee.
 
12. Juni 2017, 10.31 Uhr
Detlef Kinsler
 
 
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