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Foto: Nils Bremer
Foto: Nils Bremer

Constant Dulllaart: "The Possibility of an army"

"Fuck Facebook!"

Der Künstler Constant Dullaart hat eine eindeutige Meinung von sozialen Netzwerken. Jetzt will er für die Schirn Kunsthalle eine virtuelle hessische Armee aufbauen. Ein Interview über die Macht von Likes.
JOURNAL FRANKFURT: Bei der Vorstellung Ihrer Intervention ist mir das Schlagwort „Fuck Facebook“ in Erinnerung geblieben. Für Ihr Kunstprojekt „The Possibility of an Army“ in der Schirn haben Sie nun die Namen von hessischen Soldaten aus dem 17. Jahrhundert für Fake-Accounts auf Facebook genutzt. Das müssen Sie jetzt ein bisschen erklären.
Constant Dullaart:
Die Namen und einen Gutteil der Geschichte, die mit den Soldaten verknüpft ist, hat mir freundlicherweise Professor Holger Gräf von der Universität Marburg zur Verfügung gestellt. Die hessische Armee, deren Mitglieder nur zum Teil aus Hessen kamen, galt als eine der zuverlässigsten und am besten ausgestatteten Armeen zu dieser Zeit. England zum Beispiel hat sie sich ausgeliehen für den Kampf gegen die amerikanische Revolution. Einige der Söldner sind im Unabhängigkeitskrieg gestorben, viele sind Verletzungen und Krankheiten erlegen, manche haben auch in Amerika Fuß gefasst. Interessant fand ich die Tatsache, dass das Geld der Engländer hier in Hessen in öffentliche Infrastruktur wie etwa das Fridericianum in Kassel geflossen ist, also zu nicht unbedeutenden kulturellen Zwecken genutzt wurde. Ich dachte mir: Das ist doch eine schöne Grundlage für die künstlerische Intervention, die ich für die Schirn entwickelt habe: Ich baue eine Armee hessischer Söldner auf und sende sie in den Kampf gegen die amerikanische Social-Media-Revolution.

Wie viele hessische Söldner leben schon auf Facebook?
Derzeit um die 2000, mein vorläufiges Ziel sind um die 5000.

Und die löscht Facebook nicht?
Das fragen mich so viele Leute. Ich habe heute früh geschaut: Sie sind noch alle da und aktiv. Mal schauen, wie es in zwei Monaten aussieht, wie viele dann noch am Leben sind.

Hoffentlich alle.
Hoffentlich, aber: Es stecken ja keine echten Menschen hinter den Profilen, also dürfen wir auch ein bisschen Spaß mit ihnen haben.

Könnte auch ich die hessische Armee ankaufen für bestimmte Zwecke?
Das wäre nicht schlecht, denn mit dem Geld könnte die Kampagne entsprechend verlängert werden. Soldaten wollen schließlich ernährt werden.

Welche Kosten laufen auf?
Na, zum Beispiel braucht jeder Soldat eine eigene Internetverbindung, gemietete Proxyserver, umgeroutete Telefonnummern, denn sonst würde ihr Treiben Facebook doch recht schnell auffallen.

Was haben Sie selbst für Ideen für die Armee?
Einige Dinge probiere ich grade aus, aber noch will ich nicht zu viel verraten. Derzeit agieren die Soldaten rein zufällig.

Was bedeutet das? Sie befreunden sich mit echten Accounts, drücken hier und dort mal auf „Like“?
Ja, im Grunde funktionieren sie wie Jedermann: Sie klicken ein bisschen herum. Wenn es ernst wird, möchte ich gerne eine Kommission einberufen, die darüber berät, welche Ziele die Armee aufs Korn nimmt. Sollen wir jemanden unterstützen, indem wir sein Statusupdate oder sein Foto oder seine Page liken? Oder jemanden kritisieren, indem wir einen bösen Kommentar hinterlassen und den von hunderten hessischen Soldaten liken lassen. Für mich ist diese Steuerungsgruppe eine Art Ethik-Kommission.

Haben Sie einen Vertrag mit der Schirn, so dass die hessische Armee das Ansehen der Kunsthalle nicht beschädigen darf?
Nein, ich kann frei arbeiten

Wieviel Geld würde es kosten, wenn ich die Armee dazu nutzen möchte, bei Facebook „Fuck Schirn“ zu posten?
Das würde eine unglaubliche Menge an Geld kosten und zugleich wäre es fraglich, ob die Ethik-Kommission das zulässt.

Und schon sind wir mitten in der Diskussion über Likes und ihren Wert – im qualitativen wie quantitativen Sinn. Das wollen Sie doch erreichen?
Ich bin als Künstler sehr viel in sozialen Medien unterwegs und der Gedanke, wie dort Kunst bewertet wird: Nach welchen Maßstäben, Algorithmen und innerhalb welcher kommerzieller Systeme, das beschäftigt mich schon lange. Wir müssen, so denke ich, darüber nachdenken, ob diese Tools, die wir derzeit haben, ausreichen, um über Design, Architektur, Malerei, Kunstrezensionen, Poesie, Journalismus zu diskutieren – wenn unter alles einfach nur ein Like-Button geklemmt wurde. Es gibt ja auch noch andere Tools, etwa wird online auch gemessen, wie lange die Menschen auf einem Artikel geblieben sind, wie lange sie sich also mit einer Sache beschäftigt haben. Ist das Buch ganz oben auf der Bestseller-Liste das beste Buch? Würde man jetzt nicht unbedingt sagen. Ist das Buch, dessen Seiten die Leute am längsten betrachten, das Beste? Oder jenes, das sie ihren Freunden empfehlen? Sie sehen, worauf ich hinaus will: Die Welt ist etwas komplexer als es soziale Medien uns glauben machen wollen. Mehr Likes heißt nicht gleich: besser. Manchmal lese ich von Künstlern, die damit prahlen, dass sie auf Instagram soundso viele Follower haben oder dieses oder jenes Werk 10.000 Likes bekommen hat. Ich denke mir dann nur: so fucking what? Kim Kardashians Hinterteil wurde eine Million mal öfter geliked – und selbst wenn einige Menschen das für ein Kunstwerk halten, müssen wir uns nicht stundenlang darüber unterhalten.

Lesen Sie morgen im Teil 2 des Gesprächs: Wie Constant Dullaart einmal 2,5 Millionen Follower für Instagram kaufte und damit Künstler und Kuratoren beglückte.
 
18. November 2015, 10.41 Uhr
Nils Bremer
 
 
Fotogalerie:
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