Mit viel Herz will Colin Bell an seine neue Aufgabe gehen. 100 Prozent Einsatz, 100 Prozent Leistung, 100 Prozent Leidenschaft erwartet er auch von seinen Spielerinnen. Mit dem Ziel: Champions League.
Detlef Kinsler /
Die Spatzen pfiffen es schon seit Tagen von den Dächern. Klar war: Bernd Schröder war als neuer Trainer kein Thema beim 1. FFC, zumal er sich von seinen Turbinen und dem Plattenbau in Potsdam niemals trennen würde. Bayern-Coach Thomas Wörle hat sich in München längerfristig häuslich eingerichtet. Und VfL-Übungsleiter Ralf Kellermann würde mit seinen Wölfinnen die Champions League in vollen Zügen genießen wollen. Also kursierte letztlich ein Name in den Frankfurter Postillen: Colin Bell vom SC 07 Bad Neuenahr. Für diese seherischen Fähigkeiten gab es bei der Pressekonferenz zur Vorstellung des neuen Chefcoachs von Manager Siegfried Dietrich freundliche Anerkennung. Noch mehr Lob fand er allerdings für seinen neuen Mann, der dem Anforderungsprofil des 1. FFC voll und ganz entspräche. Schon beim ersten Treffen sei das deutlich geworden, erst recht, als der gebürtige Brite, der selbst Aktiver und später Trainer bei den Männern war, seine Statusanalyse und seine Perspektivvorstellungen für die Frankfurterinnen vorstellte. „Das hat uns begeistert“, kommentierte Dietrich für sich und den FFC-Vereinsvorsitzenden Bodo Adler. „Colin Bell ist die starke Trainerpersönlichkeit, die wir für die Herausforderungen der nächsten Saison gesucht haben.“
Bell seinerseits freute sich über die zahlreich erschienenen Medienvertreter im Relexa Hotel im Mertonviertel und das nicht enden wollende Blitzlichtgewitter. „Ich bin ein stückweit überrascht, aber das zeigt das große Interesse am Verein, dem neuen Trainer und am Frauenfußball an sich. Ich freue mich riesig auf diese neue Aufgabe und bin sehr glücklich über diese Chance.“ Der Erwartungshaltung der Vereinsführung sei er sich voll bewusst. „Diese Herausforderung ist für mich aber eine zusätzliche Motivation“, betonte Bell. „Das sind Topmädels in der Mannschaft. Ich will da ansetzen, dass sie ihr volles Potential abrufen und umsetzen können.“ Jetzt will er schon während der EM in Schweden und dann in der Vorbereitungszeit vorm Saisonstart am 8. September seine Spielrinnen richtig kennen lernen. „Die Wahrheit liegt auf dem Platz“, zitiert er Otto Rehhagel. „Es gibt eben Dinge, die bleiben in 100 Jahren noch. Und die Leistung muss Woche für Woche überprüft werden.“ Zur Philosophie des 51-Jährigen gehört auch, dass „Fußball eigentlich einfach ist.“ Es geht darum, Tore zu verhindern und Tore zu erzielen. So far, so good, käme da nicht noch der Mensch ins Spiel. Denn der ist komplex, ein Mannschaftsgefüge noch komplexer. Was er verkörpert, erwartet er auch von seinem Team: „100% Einsatz, 100% Leistung, 100% Leidenschaft.“ Dabei habe er aber immer zuerst den Menschen im Blick. Das Zwischenmenschliche muss stimmen, Vertrauen aufgebaut werden. „Ich muss im Herz ankommen.“ Niemand soll das Gefühl haben, er werde allein über den Erfolg definiert. „Wenn man ein Spiel verliert, muss man sich deshalb nicht wertlos fühlen“, erklärt Bell und baut auf ein gesundes Selbstwertgefühl, macht aber keinen Hehl daraus: „Ich bin Fußballer durch und durch und will immer gewinnen!“
In Frankfurt träfe er auf viele erwachsene Frauen, die eine klare Meinung haben und fest im Leben stehen. „In Bad Neuenahr wurden noch viele Spielerinnen vom Papa zum Training gebracht“, spielt er auf seine junge Mannschaft im Rheinland an, mit der er wunderbar harmonierte und die ihn nur ungern ziehen lässt. „Ich muss sehen, wie ich die Frankfurterinnen erreichen kann. Jede hat ihr Ego, das muss man manchmal auch streicheln. Aber die Mannschaft steht über allem“, bezieht er klar Position. Wenn ein Ego größer als die Mannschaft ist, wird es Gespräche geben müssen, vielleicht auch mal einen dezenten Tritt in den Hintern. Bell hat in Frankfurt – und das unterstreicht auch Dietrich – „den Hut auf“. „Wir haben keinen Zweifel daran, dass er die richtigen Stellschrauben finden wird“, versichert der Manager. Für die Champions League-Quali 2014. „Lassen Sie die Glocken läuten, Mr. Bell“, konnte sich Dietrich einen Scherz zum Ende der Pressekonferenz nicht verkneifen. Ich setze einen drauf. Wenn dann die Saison am 8.6. erfolgreich beendet wird, könnte man „Saved By The Bell“ über die Boxen am Brentanobad laufen lassen. Nur ob Robin Gibb den Geschmack des Trainers treffen würde? Der war am Vorabend seiner Vorstellung zur Einstimmung bei Depeche Mode in der Commerzbankarena („Fantastisch!“) und Ende Mai bei Rammstein in Berlin. Ein echter Rock’n’Roller.