Seit fünf Tagen besteht die offene Wohngemeinschaft X-Quadratmeter am Römer 9 schon. Ein Leben ohne Wände und Türen mitten in der Stadt und jeder ist eingeladen.
Amtul Noor Raza und Greta Zicari /
Erst nach einigem Suchen findet man die WG am Römer 9. Dabei handelt es sich allerdings nicht um eine normale WG, sondern um eine offene WG für alle Frankfurter, die jederzeit alle willkommen sind. Ob Obdachloser, Jugendlicher, Rentner oder einfache Passanten - jeder ist eingeladen in der Wohnung ohne Wände Platz zu nehmen. Weiße Streifen auf dem Boden teilen die Räume der WG ein, Öffnungen deuten Türen und Fenster an. „Celine hat Innenarchitektur studiert und die Räume gezeichnet,“ berichtet Jennifer Gelardo, Studentin an der HVG Offenbach und Mitgründerin der WG. Wie in einer gewöhnlichen Wohnung gibt es hier auch ein Wohnzimmer mit Teppich und Sofas, ein Schlafzimmer mit Bett und Radio, eine Küche mit Stühlen und Tischen. Durch die zentrale Lage kommen viele Menschen vorbei, manche von ihnen nehmen das Kunstwerk wahr, andere nicht. Einige leisten sogar Celine und Jennifer Gesellschaft. Ein Mann kommt vorbei und fragt, ob es sich bei der Installation um Kunst oder Flohmarkt handle. „Beides“, antwortet Jennifer. Diese Frage wurde ihr öfter gestellt. „Die Reaktionen waren ganz unterschiedlich. Manche kommen nur für drei Minuten vorbei, andere schlafen auf dem Sofa ein und wieder andere kommen immer wieder.“ Die Leute, die sich zu ihnen setzen, stellen viele Fragen, andere erzählen selbst einige Geschichten und wieder andere berichten von ihren Assoziationen. Ziel ist es, einen unkommerziellen Raum zu schaffen, in dem sich jeder kostenfrei aufhalten kann. „Eine Wohngemeinschaft führt zu Sozialisation und Kommunikation“, sagt Céline Scherer. Die WG soll die Leute offener für andere Dinge machen und neue Perspektiven in der Gesellschaft öffnen. Jennifer Gelardo erzählt, dass besonders die Gespräche mit den Rentnern sie interessierten, meistens sei Altersarmut das Thema. Mit dieser Kunstausstellung wird auch kritisiert, dass es in Frankfurt viel zu wenig offene, kostenfreie Zugangsorte gibt, in der Bürger sich untereinander austauschen und neue soziale Kontakte knüpfen können. „Die Leute freuen sich über solch einen kommerzfreien Ort. Ein Mann hat sich total gefreut, als wir ihm sagten, er könne sich mit seinem Bier zu uns setzen.“ Getränke, wie Kaffee, Fanta und Wasser wurden den Besuchern kostenlos von den WG-Mitgliedern angeboten. Es entstehen immer wieder gesellige Runden. „Ich habe so viel erfahren in den kurzen Tagen. Jeder Mensch bringt seine individuelle Geschichte mit“, sagt Jennifer Gelardo, „Es ist auch interessant, wie die Menschen in Rollen schlüpfen.“ Sie berichtet von zwei jungen Männern, die sich zu ihr gesetzt hatten, sich von dem Projekt erzählen ließen und dann Neuankömmlingen ihrerseits von dem Projekt erzählten, ganz als sei es ihre WG. Außer XQM und der HfG in Offenbach half auch der Römer 9 bei der Umsetzung dieses Projektes mit. Die Möbel stammten allerdings alle vom Sperrmüll. „Von der Straße gesammelt, um auf der Straße zu leben.“, berichtet Jennifer. Am Dienstag endet das Projekt „offene Wohnung“. Bis dahin wollen Celine und Jennifer in ihrer Wohngemeinschaft ohne Wände auch mal übernachtet haben.