Weihnachten, das Fest der Liebe. Bei „The Lion in Winter“ gibt es eher Hiebe. Denn bei der britischen Königsfamilie anno 1183, da geht es an den Feiertagen um Betrug, Intrigen und Ehebruch. Zu sehen ist all das im English Theatre.
Nicole Brevoord /
In der neuen Spielzeit des English Theatre soll sich alles um starke Frauen drehen. Man könnte meinen, das aus 1968 uraufgeführte Historienstück „The Lion in Winter“ von James Goldman würde da gut hineinpassen, denn immerhin steht mit Königin Eleonore von Aquitanien eine der einflussreichsten Frauen des Mittelalters im Zentrum der Handlung. Doch auch wenn es sich bei ihr um eine gewiefte Strippenzieherin und Intrigantin handelt, die Macht wird ihr von Männern streitig gemacht, nicht zuletzt von ihrem Gemahl. Der alternde Henry II. hat sie im Kampf um die Macht für Jahre in die Verbannung geschickt und zum Weihnachtsfest im Jahre 1183 in die französischen Burg Chinon geholt. Dort sind auch die drei sehr unterschiedlichen Söhne Richard (später Löwenherz), Geoffrey und John versammelt, die sich alle Hoffnungen auf den Thron machen, sowie die französische Prinzessin Alais, die seit beträchtlicher Zeit Henrys Geliebte ist und ihm neue Söhne schenken könnten, aber eigentlich mit Richard vermählt werden soll, sowie Alais’ Bruder, der junge französische König Philip II., der auf die baldige Hochzeit der Prinzessin drängt. Zwei schrecklich nette Familien treffen da also zusammen. Klar, dass es da nicht nur scharfzüngig zur Sache geht, es werden sogar Schwerter gezückt.
Manch einem ist die Handlung noch durch die Verfilmung mit Peter O’Toole als Henry II. und Katharine Hepburn als Königin Eleanore vertraut. Die Söhne wurden damals von John Castle, Anthony Hopkins und Timothy Dalton verkörpert. Nun, die Version des Regisseurs Derek Anderson nimmt sich da gemäß seiner Devise „Game of Thrones meets House of Cards“ ganz anders aus. Wenn man so will: kühler, moderner und zeitloser. Das Bühnenbild fällt für das English Theatre vergleichsweise spartanisch aus. Die meiste Zeit verhängt eine dreigeteilte Tapisserie mit mittelalterlichen Motiven und moderner Lichtumrandung bewegliche Treppenaufgänge, ansonsten müssen vier Stühle und ein Tisch als Dekor reichen. Wenig lenkt ab, der Fokus liegt auf den ausgefeilten Dialogen, auf die es sich wirklich zu lauschen lohnt. Wohl dem, der die vielen Pointen heraushört, denn optisch merkt man sie dem gelegentlich ein wenig hölzern agierenden Ensemble nicht an und auch an der Intonation könnte man arbeiten. Es fehlt daher zu Weilen an Glaubhaftigkeit. Carmen Rodriguez verkörpert Königin Eleanor recht kraftvoll, während man sich von Tom Butcher als König Henry noch mehr Royales wünschen würde – zumindest in Bezug auf den Gestus, wenn das Kostüm da schon wenig hergibt.
Während die Darstellerinnen mit ihren Gewändern zumindest ein wenig Glamour verströmen, wenn auch nicht alle im zu erwartenden mittelalterlichen Look, so bilden bei den Herren Jeans und Lederhosen und dazu Rollkragenpullover einen harten Bruch mit den Sehgewohnheiten. John (Stanton Wright), der jüngste Sohn und Henrys Favorit auf den Thron, wirkt mit bauchfreiem Pulli, Ketten und Kajal sowie einer verwöhnt-aufmüpfigen Attitüde eindeutig ungeeignet für die Würde eines Königs, Geoffrey (Ludovic Hughes), ist der sich ungeliebt fühlende mittlere Sohn und per Definition in seiner Rolle ein wenig eingeschränkt, während sich Oliver Towse als Eleonores Lieblingsthronfolger Richard Löwenherz in den Vordergrund spielen kann. Spannend aber ist vor allem die von Hassliebe geprägte Konstellation Eleonor – Henry.
„The Lion in Winter“ ist für sich genommen keine leichte Kost, vielleicht auch kein massenattraktives Stück, es wird daher auch vergleichsweise selten aufgeführt. Umso mutiger erweist sich das English Theatre bei der Wahl des Stücks, unterstreicht es doch auch seinen Anspruch an sich selbst. Regisseur Derek Anderson will das kammerspielartige Stück entstauben, es zeitgenössischer erscheinen lassen. Ob das verfängt, muss das Publikum selbst entscheiden.
>>The Lion in Winter: English Theatre, Gallusanlage 7, bis 18. Oktober, Tickets zwischen 15 und 39 Euro,www.english-theatre.de