Man kann nirgendwo Musik und Musiker besser und intimer kennen lernen als im Bett. Das war auch nicht anders, als Marianne Dissard diese Woche nach Frankfurt kam. Noch als ihr Drummer Andrew Collberg mit Gitarre und Stimme das Vorprogramm gab, huschte die Sängerin durch den Club, wirkte dabei eher angespannt, vielleicht auch konzentriert, irgendwie auch ein wenig mangels besser passender Vokabel – hart, streng. Aber in dem Moment, als sie auf der Bühne stand, zusammen mit Andrew, jetzt hinter seinem Ludwig-Kit, und Clay Koweek an der Gitarre, schien sie eine andere Person zu sein. Die Gesichtszüge weich, die ganze Ansprache freundlich, fast familiär, genoß sie vom ersten Moment an sichtlich das Konzert. Denn in Berlin sei alles im Vergleich dazu viel zu groß und irgendwie unwirtlich gewesen und man sei direkt nach dem Auftritt aus dem Club geflüchtet in irgendeinen schwarzen Jazzladen wo man dann noch die ersten Aufreger der US-Wahl hautnah miterlebte. Tenor: Gott sei dank sind die Jahre mit Bush jetzt vorbei.
Marianne, in einem kleinen Pyrenäen-Nest namens Tarbes geboren, verschlug es mit 16 wegen der beruflichen Versetzung ihres Vaters in die USA. Noch bevor sie um Filmwissenschaften zu studieren nach Los Angeles ging, lernte sie Howie Gelb und in der Folge die Jungs von Calexico – gerade erst erfolgreich im Mousonturm – lernen. Und – to cut a long story short – das führte in letzter Konsequenz zum von Joey Burns produzierten CD-Debüt „L’entredeux“ und der Geburt des „Desert Chansons“, das die Sängerin nun zu verkörpern hat. War das nun tatsächlich „Americana trifft französische Poesie“, was das Trio da auf die Bühne zauberte? Jedenfalls dauerte es nicht lange, um festzustellen, dass Mademoiselle Dissard nicht zur durchgängig hauchenden Fraktion französischer Sängerinnen jeden Alters gehört. Da ist schon mehr Flexibilität, Ausdruck und emotionaler Ausdruck im Spiel. Auch die Band – so rudimentär sie besetzt war – unterstrich die Individualität von Marianne. Viel Hall und Echo war im Spielt beim Gitarristen – so kam sogar ein wenig altes Rock´n´Roll-Feeling auf.
Schwarzes Kleid über Blue Jeans – auch in der Musik kamen Frankreich und Amerika, Chanson und – nennen wir´s halt Americana – zu ihrem Recht. Mal purer, mal im Mix, in unterschiedlichen Facetten. Kein Zweifel: Marianne Dissard mag auch die echten, frühen Chanson-Klassiker. Und ihr außer der Reihe gesungenes „Change is coming, don´t be late“ offenbart auch eine Affinität zu Country und Folk. The best of both worlds, at least. Zwischendurch wird die Dissard auch zur Instrumentalistin, denn sie greift sich eine singing saw. Bei aller Liebe: das hat Tradition seit der seligen Marlene Dietrich, aber eine Virtuosin wie Meret Becker, die der Säge schönste Töne und Melodien entlockt. Wird sie wohl nicht mehr. Das wirkte eher wie ein netter Gimmick und – sorry – Katzenjammer. Aber das verzieh man der charmanten Künstlerin gerne, die sich auch um ihre zwei jungen Kollegen auf der Bühne kümmerte und Wasser für die beiden bestellte, um sich selbst einen Rotwein zu genehmigen, auf englisch kommentiert mit „ein wenig Heimat“. Nach dem Konzert zieht es sie nachts noch runter an den Main, Skyline und Enten und Schwäne gucken. Denn der erste Eindruck von Frankfurt habe sie fasziniert ...