Ist Versöhnung nach einem Völkermord und dessen anhaltender Verleumdung überhaupt möglich? Der armenische Musiker Aren Emirze versucht die Annäherung und hat dafür viele Freunde zu einem Konzert am Samstag im Mousonturm eingeladen.
Detlef Kinsler /
Die zwei Seelen ach in seiner Brust wurden schon oft thematisiert. Zumal als der Frankfurter Noise Rocker seine Liebe zu akustischer Singer/Songwriter-Musik entdeckte. Nachdem Harmful (1992-2014) nun Geschichte sind und das Comeback von Rinderwahnsinn nur ein temporäres war, widmet sich Aren Emirze ganz Emirsian. Nach dem Tod seines Vaters begab sich der Sänger und Gitarrist auf die Suche nach seiner Identität. Als Deutscher mit armenischen Wurzeln. Drei Alben entstanden so seit 2006. Mit Musik zwischen Kaukasus, Merseyside und Westcoast. Dazu gab es beeindruckende Auftritte in der Brotfabrik und der Dreikönigskirche, die in Erinnerung blieben. Ein weiterer soll sich jetzt hinzugesellen. Unter dem Motto „Abril te voch – Leben oder Träumen“ gibt es im Mousonturm ein Konzert zum Gedenken an den armenischen Völkermord. Aber eines, in das eines Versöhnungsidee einfließen soll. Im April war Emirze noch in Armenien. „Die Gedenkfeiern zum 100. Jahrestag des Völkermordes in Jerewan erlebte ich auf der einen Seite als eine unglaublich intensive Erfahrung, die mir die Schönheit dieses fantastischen Landes näher brachte und die mich mit Ihrer uralten Kultur immer wieder aufs Neue beeindruckte, mir aber auch bewusst machte mit was für einer offenen Wunde wir Armenier existieren müssen solange der Genozid nicht endlich weltweit und besonders von der türkischen Regierung anerkannt wird“, erinnert sich der Musiker an seine Reise. „Auf der anderen Seite wurde ich von diesem, ich will es mal ,Genozidmarketing’ nennen, emotional etwas aus der Bahn geworfen.“ Emirze ist mit dieser traumatisierenden Opferrolle groß geworden. Die konsequente Verleumdung der Tat nährte immer wieder Trauer wie Wut. „Irgendwann versuchte ich jedoch aus dieser emotionalen Sackgasse auszubrechen, nach vorne zu schauen und aus eigener Initiative Dinge zu tun, die einem das Gefühl geben nicht mehr ausschließlich Opfer zu sein. Zum Beispiel armenische Alben aufzunehmen oder Konzerte zu geben.“ Wie am 7. November. Dafür hat sich Emirze Gäste eingeladen. Zu seiner Band mit Regina Schmitz (Bass) und Oliver Rüger (Gitarre) gesellen sich die armenisch-stämmige Sängerin und Akkordeonistin Sevanne Stepanian aus Paris und die Opernsängerin Zara Hakobyan. Auch der ehemalige Sänger der Alternative Band Blackmail, Aydo Abay, ein türkischer Freund von Emirze, sollte dabei sein: „Wir wollten ein armenisches Lied zusammen singen, um ein Zeichen zu setzen, dass die zwischenmenschliche Versöhnung zwischen Armeniern und Türken auch oder gerade fernab der Politik beginnen muss und möglich ist.“ Er wird wohl doch nicht kommen. Mit Chima ist überraschend auch ein Frankfurter Künstler mit nigerianischem Background dabei. Auch ein Zeichen zu Zeiten von Pegida und Flüchtlingskrise? „Absolut“, bestätigt der Initiator des Abends. „Wir haben durch unsere Herkunft mit den gleichen Vorurteilen zu kämpfen. Er steht kulturell genauso zwischen den Stühlen wie ich. Deswegen passt der Konzertabend auch thematisch in die aktuelle Debatte, weil wir uns gegenseitig zuallererst als Menschen sehen sollten.“ Detlef Kinsler
Weil sein Hobby schon früh zum Beruf wurde, ist Fotografieren eine weitere Leidenschaft des Journal-Frankfurt-Musikredakteurs, der außerdem regelmäßig über Frauenfußball schreibt.